Warum Getreide besser ist
Ob Gerste, Weizen, Mais oder Reis: Alle diese Pflanzen gehören zu den Gräsern. Für die Ernährung der Weltbevölkerung sind sie sehr bedeutsam. Die Landwirtschaft erzeugt aus Gräsern 80 Prozent aller pflanzlichen Nahrungsmittel. Dieser Erfolg liegt unter anderem darin begründet, dass Gräser schneller als andere Pflanzen auf Trockenheit reagieren und Wassermangel besser überstehen können.
Wie kommt die größere Toleranz der Gräser gegenüber Trockenheit zustande? Lässt sie sich in andere Nutzpflanzen einzüchten, um in der Zukunft die landwirtschaftlichen Erträge zu sichern oder zu verbessern? Bei einer wachsenden Weltbevölkerung und angesichts des Klimawandels, der mit immer mehr Trocken- und Hitzeperioden einhergeht, könnte das wichtig sein.
Mit diesen Fragen beschäftigen sich die Pflanzenforscher Professor Rainer Hedrich, Professor Dietmar Geiger und Dr. Peter Ache von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Am Beispiel der Braugerste haben sie untersucht, warum Gräser stresstoleranter und damit „bessere“ Nutzpflanzen sind als Kartoffel & Co.
Zwei Aminosäuren machen den Unterschied
Fündig wurden die Forscher im Protein SLAC1 der Schließzellen. Der Unterschied liegt in nur zwei Aminosäuren begründet – das sind die Bausteine, aus denen Proteine bestehen. „Wir wollen nun herausfinden, ob sich dieser kleine Unterschied nutzen lässt, um auch Kartoffeln, Tomaten oder Raps stresstoleranter zu machen“, sagt Rainer Hedrich.
Veröffentlicht sind die neuen Erkenntnisse im renommierten Fachblatt „Current Biology“. Hedrich, Geiger und Ache beschreiben darin, wie sie dem kleinen Unterschied zwischen Gräsern und anderen Pflanzen auf die Spur kamen.
Ionentransport ist ein Schlüsselvorgang
Ihre Forschungen setzten an den mikroskopisch kleinen Blattporen an. Über diese Öffnungen strömt Kohlendioxid für die Photosynthese in den Pflanzenkörper. Sie sind aber auch die Austrittspforten für Wasser. Um zu verhindern, dass sie durch Verdunstung zu viel Wasser verlieren, haben Landpflanzen während der Evolution gelernt, ihre Blattporen mit der Hilfe von speziellen Schließzellen aktiv zu öffnen und zu schließen. Bei diesem Regulationsprozess spielen Membranproteine wie zum Beispiel SLAC1 eine entscheidende Rolle – wie Kanäle leiten sie Ionen in die Zellen hinein oder hinaus.
Hedrich ist überzeugt: „Ein grundlegendes Verständnis der molekularen Vorgänge beim Ionentransport über die Plasmamembran der Schließzellen ist der Schlüssel, um die Trockentoleranz und die Erträge landwirtschaftlich genutzter Pflanzen zu verbessern.“
Ionen-Shuttle macht Blattporen effizienter
Eine Besonderheit der Gräser zeigt sich an den Blattporen: Diese sind von zwei Zellpaaren umrandet, während man bei anderen Pflanzen nur ein Zellpaar findet. Die Gräser besitzen zwei hantelförmige Schließzellen, die die Pore bilden und regulieren. Dazukommen zwei Nebenzellen.
Die JMU-Forscher haben nachgewiesen, dass die Nebenzellen beim Schließen der Pore das Kalium und das Chlorid aus den Schließzellen aufnehmen und speichern. Beim Öffnen der Pore reichen sie die Ionen wieder an die Schließzellen weiter. „Unsere Getreide nutzen die Nebenzellen als dynamisches Reservoir für osmotisch aktive Ionen. Dieser Ionen-Shuttle zwischen Schließ- und Nebenzelle erlaubt es, die Öffnungsweite der Poren besonders schnell und effizient zu regulieren“, erklärt Dietmar Geiger.
Zwei Mess-Systeme für mehr Trockentoleranz
Es gibt noch einen zweiten Mechanismus, der Gräser besser auf Trockenheit reagieren lässt. Pflanzen produzieren bei Wassermangel das Stresshormon ABA (Abszissinsäure). Es aktiviert in den Schließzellen die Ionenkanäle der SLAC1-Familie, leitet damit das Schließen der Blattporen ein und verhindert so binnen weniger Minuten das Verwelken der Pflanze.
„Interessanterweise haben wir festgestellt, dass bei der Brauereigerste und anderen Gräsern zusätzlich zu ABA auch Nitrat vorhanden sein muss, damit sich die Poren schließen“, sagt Peter Ache. Über den Nitratgehalt könne die Gerste messen, wie es um ihre Photosynthese bestellt ist. Läuft sie gut, ist wenig Nitrat vorhanden.
Die Gerste setzt also auf zwei Mess-Systeme: Sie registriert die Wasserverfügbarkeit via ABA und die Photosynthese-Effizienz via Nitrat. „Durch die Kombination der beiden kann sich die Gerste unter Stressbedingungen zwischen den Extremen ‚Verhungern‘ und ‚Verdursten‘ besser durchlavieren als andere Pflanzen“, erklärt Rainer Hedrich.
Nitratsensor bei anderen Nutzpflanzen testen
Wo liegt der Unterschied bei der Regulation der Blattporen auf molekularer Ebene begründet? Um das zu klären, analysierten die Forscher SLAC1-Kanäle aus mehreren krautigen Pflanzen im Vergleich zu Gräsern. Dabei konnten sie den „Nitratsensor“ der Gräser identifizieren: Er besteht aus einem Motiv von zwei Aminosäuren, das in der Evolution erstmals bei Moosen aufgetreten ist, weiter optimiert wurde und den Schließzellen der Gräser einzigartige Eigenschaften verleiht.
Als nächstes will das JMU-Team klären, ob krautige Kulturpflanzen davon profitieren, wenn auch sie über den Nitratsensor verfügen. Dazu sollen zunächst Arabidopsis-Pflanzen, denen der Kanal SLAC1 fehlt, mit dem SLAC1-Kanal der Gerste ausgestattet werden. „Wenn ihre Stresstoleranz dann steigt, können wir weiter über die Züchtung von optimierten Kartoffeln, Tomaten oder Raps nachdenken“, so Hedrich.
Finanzierung im BayKlimaFit-Programm
Diese Arbeiten fanden im Rahmen des BayKlimaFit-Konsortiums statt. Sein Ziel ist es, Strategien zur Anpassung von Kulturpflanzen an den Klimawandel zu finden. Finanziell gefördert wird das Konsortium vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz.
“A tandem amino acid residue motif in guard cell SLAC1 anion channel of grasses allows for the control of stomatal aperture by nitrate”. Nadine Schäfer, Tobias Maierhofer, Johannes Herrmann, Morten Egevang Jørgensen, Christof Lind, Katharina von Meyer, Silke Lautner, Jörg Fromm, Marius Felder, Alistair M. Hetherington, Peter Ache, Dietmar Geiger, Rainer Hedrich. Current Biology, 26. April 2018, DOI: 10.1016/j.cub.2018.03.027
Kontakt
Prof. Dr. Rainer Hedrich, Julius-von-Sachs-Institut für Biowissenschaften der Universität Würzburg, T +49 931 31-86100, hedrich@botanik.uni-wuerzburg.de
http://www.bayklimafit.de/ Forschungskonsortium BayKlimaFit
http://www.bayklimafit.de/index.php?id=22&L=0 Prof. Hedrichs BayKlimaFit-Teilprojekt
https://www.biozentrum.uni-wuerzburg.de/en/bot1/research/prof-dr-rainer-hedrich/ Arbeitsgruppe Prof. Hedrich
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