VolkswagenStiftung bewilligt die ersten fünf "Lichtenberg-Professuren"

VolkswagenStiftung bewilligt 6,2 Millionen Euro für Lichtenberg-Professuren

Die VolkswagenStiftung hat die ersten fünf „Lichtenberg-Professuren“ bewilligt und stellt dafür insgesamt rund 6,2 Millionen Euro bereit. Grundlegendes Ziel der Stiftung ist es, mit diesem Förderinstrument die aktive Rekrutierung von Professorinnen und Professoren durch die Universitäten zu initiieren und die Hochschulen zu motivieren, frühzeitig Strukturplanung zu betreiben. Vergleichbar dem „tenure track“ in den USA erhalten viel versprechende junge Wissenschaftler nunmehr auch hier zu Lande die Chance, sich mit selbstständig durchgeführten Forschungsarbeiten zu profilieren – und im Falle einer erfolgreichen Evaluation auf eine reguläre Professur übernommen zu werden. Gefördert werden nur exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Verbindung mit innovativen Lehr- und Forschungsfeldern. Mit den Lichtenberg-Professuren setzt die Stiftung die konsequente Nachwuchsförderung, wie sie auch in anderen Initiativen – etwa dem Tandemprogramm – verfolgt wird, mit neuem Akzent fort. Denn anders als bei den Juniorprofessuren und Leitern von Nachwuchsgruppen besteht bei den Lichtenberg-Professuren eine langfristige Perspektive: für die Wissenschaftler wie für die Hochschulen.

Eingerichtet werden folgende fünf Lichtenberg-Professuren (alle nach „W2“), die sich unter 39 Bewerberinnen und Bewerbern durchsetzen konnten:

1. W2-Lichtenberg-Professur an der Universität Würzburg, Institut für Philosophie, für Dr. Dag Nikolaus Hasse zum Thema „Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte der griechisch-arabisch-lateinischen Tradition;

2. W2-Lichtenberg-Professur an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Experimentelle Neurologie für Privatdozent Dr. Matthias Endres zum Thema: „Interdisciplinary stroke research“;

3. W2-Lichtenberg-Professur an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, für Dr. Susann Schweiger zum Thema „Monogenic phenotypes as gateways to signalling networks in development and disease“;

4. W2-Lichtenberg-Professur am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Klinik für Neurologie für Privatdozentin Dr. Christine Klein zum Thema „Clinical and molecular neurogenetics“;

5. W2-Lichtenberg-Professur an der Universität Göttingen, Institut für Theoretische Physik für Privatdozent Dr. Marcus Müller zum Thema „Biophysical models for collective phenomena in membranes: bridging the gap between atomistic structure and biological function“.

zu 1: Dr. Dag Nikolaus Hasse wird an der Universität Würzburg im Rahmen seiner Lichtenberg-Professur die griechisch-arabisch-lateinische Tradition der Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte in der Zeit vom 12. bis zum 18. Jahrhundert untersuchen. Die besondere Bedeutung des arabischen Einflusses soll dabei im Mittelpunkt stehen. Sein Vorhaben ist ambitioniert: Es geht ihm letztlich um nicht weniger als darum, mit der Professur ein in Deutschland einzigartiges, international sichtbares Zentrum für die wissenschaftliche Erforschung des arabischen Erbes in Europa zu schaffen.

Dr. Hasse bewegt sich an den Schnittstellen von Philosophie-, Literatur- und Wissenschaftsgeschichte. Dies kennzeichnet seine einzelnen Forschungsvorhaben: So will er zum Beispiel den arabischen Einfluss auf die europäische Wissenschaftssprache dokumentieren, des Weiteren den beiden Übersetzungsbewegungen vom Griechischen ins Arabische und vom Arabischen ins Lateinische nachgehen – ferner auch den griechisch-arabischen Einfluss in Psychologie, Metaphysik und Kosmologie zu erschließen suchen. Zugleich möchte er für verschiedene Zielgruppen Publikationen zu einigen der von ihm bearbeiteten Themenfelder vorlegen; etwa einen Band mit deutschen Übersetzungen mittelalterlicher arabischer Texte herausgeben oder für ein breiteres Publikum das arabische Erbe in einem allgemein verständlichen Buch darstellen. In die studentische Ausbildung sollen Elemente der angelsächsischen Lehrkultur (Essay-Seminare, „Directed reading“-Sitzungen) einfließen, die geplanten Veranstaltungen dabei auch Studierenden der Altertumswissenschaften, der Geschichte und der Mediävistik offen stehen.

Kontakt Universität Würzburg: Institut für Philosophie, Lehrstuhl III, Dr. Dag Nikolaus Hasse, Telefon: 09 31/31 28 50, E-Mail: dag-nikolaus.hasse@mail.uni-wuerzburg.de

zu 2: Privatdozent Dr. Matthias Endres nutzt an der Charité – Universitätsmedizin Berlin die Möglichkeit der Professur für ein ambitioniertes interdisziplinäres Schlaganfall-Forschungsvorhaben. Der Schlaganfall ist in der westlichen Welt dritthäufigste Todesursache und häufigster Anlass für eine lang dauernde Pflegebedürftigkeit. Trotz vielfacher Anstrengungen in den vergangenen Jahren gelang es nur unzureichend, wesentliche Fortschritte bei der Behandlung bleibender Schäden zu erzielen oder die Zahl der Todesfälle spürbar zu senken.

Endres verfolgt einen zweifachen Ansatz. Zum einen interessieren ihn die Mechanismen und Abläufe in den Blutgefäßen und mögliche Interventionen bei einem Schlaganfall – auch mit Blick auf vorbeugende Maßnahmen. So konnte er bereits zeigen, dass eine Stimulation der körpereigenen Stickstoffmonoxid-Produktion die Hirndurchblutung verbessert, was den Patienten in der akuten Schlaganfallsituation schützt. Darüber hinaus wird die Produktion von Gefäßvorläuferzellen im Knochenmark angeregt; dies wiederum bewirkt, dass sich vermehrt Blutgefäße neu bilden. Endres will nun unter anderem untersuchen, ob eine Steigerung der Stickstoffmonoxid-Produktion einem Schlaganfall sogar vorbeugt – und damit zum Beispiel Hochrisiko-Patienten vor einer Herzoperation besser geschützt sind. Der zweite Forschungsansatz fußt auf einem neuen grundlagenwissenschaftlichen Befund: So ist es Wissenschaftlern – mittels genetischer Manipulation – gelungen, dass ausgereifte Nervenzellen sich wieder teilen. Dies könnte neue Möglichkeiten für eine regenerative Schlaganfalltherapie eröffnen. Endres wird nun die neuronale Differenzierung und die Integration (Synapsenbildung) jener „neuen“ Neurone sowohl in der Zellkultur als auch im Organismus detailliert untersuchen. In einem zweiten Schritt soll die neuronale Zellteilung dann bei der experimentellen Schlaganfalltherapie zum Einsatz kommen. Das Vorhaben ist an der Charité eingebettet in ein exzellentes Forschungsumfeld von der Gefäßbiologie bis zu den Neurowissenschaften.

Kontakt Charité – Universitätsmedizin Berlin
Klinik und Poliklinik für Neurologie, Experimentelle Neurologie, Privatdozent Dr. Matthias Endres, Telefon: 0 30/4 50 56 00 20, E-Mail: matthias.endres@charite.de

zu 3: Die Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Charité als Forschungsumfeld ausgesucht hat sich Dr. Susann Schweiger, die sich auf den Gebieten Pathologie, Biochemie, Molekular- und Humangenetik bewegt. Ihre Arbeiten bauen auf der Charakterisierung von Genen auf und nehmen zugleich mögliche Therapien in den Blick. Nach nunmehr zwei Jahrzehnten intensiver Forschung ist inzwischen von vielen Erbkrankheiten bekannt, auf welchen Gendefekten sie beruhen. Dabei handelt es sich zumeist um solche Erbkrankheiten, die sich auf die Veränderung eines Gens zurückführen lassen (monogene Erbkrankheiten). Mit einer Kombination aus klinischer Charakterisierung des äußeren Erscheinungsbildes einer Krankheit und zellbiologisch-biochemischer Analyse der hinter dem Krankheitsbild stehenden molekularen Prozesse will Dr. Schweiger nun die komplexen biochemischen Netzwerke identifizieren und das Wissen therapeutisch nutzbar machen.

Schweiger schließt an Weg weisende Vorarbeiten über eine seltene monogene Erbkrankheit an. Das entsprechende Gen, dessen fehlerhafter Zustand diese Krankheit auslöst, liegt auf dem X-Chromosom – zeigt sich folglich auch bei Männern (XY-Chromosomen) und Frauen (zwei XX-Chromosomen) in unterschiedlicher Ausprägung. Die Wissenschaftlerin konnte zeigen, dass das Genprodukt dieses X-chromosomalen Gens eine Mikrotubulus-assoziierte Phosphorylierungseinheit reguliert. Die vorliegenden Daten über diesen Proteinkomplex , dem eine zentrale Rolle zukommt, stellen den Ausgangspunkt für die künftige Forschung dar. Ziel ist es, darauf aufbauend die einzelnen biochemischen Abläufe detailliert zu charakterisieren und deren Bedeutung für die Entwicklung und den Verlauf von neurodegenerativen Erkrankungen zu bestimmen.

Kontakt: Dr. Susann Schweiger, zurzeit erreichbar am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Berlin, Telefon: 0 30/84 13 – 1254, E-Mail: schweiger@molgen.mpg.de

zu 4: Neurogenetische Erkrankungen sind auch das Forschungsfeld von Privatdozentin Dr. Christine Klein von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck. Und auch sie bewegt sich an der Schnittstelle von Mutationsanalyse und klinischem Erscheinungsbild von Krankheiten – bei denen es sich in ihrem Fall um Bewegungsstörungen wie Morbus Parkinson oder das „Syndrom der unruhigen Beine“ handelt. Ziel der Wissenschaftlerin ist es, das Spektrum verschiedener Erscheinungsformen einiger neurogenetischer Erkrankungen weiter aufzuklären, krankheitsverursachende oder modifizierende Gene und Mutationen zu identifizieren und deren funktionelle Rolle zu beschreiben. Die Erkenntnisse werden Einblicke erlauben in die Ursachen neurogenetischer Störungen, darüber hinaus Tests auf genetisch bedingte Erkrankungen und damit die genetische Beratung verbessern. Mittelfristig dürften sich neue Therapieansätze ergeben.

Dr. Klein verfolgt ihr Ziel, in dem sie unter anderem eine große Zahl von Patienten auf Mutationen in bekannten Genen testet beziehungsweise nach Assoziationen zu diesen Genorten sucht. Damit sollten sich auch neue Genorte und Gene identifizieren lassen. Der Stamm an Patienten wird nach und nach ausgebaut, und es werden weitere Erscheinungsbilder der neurogenetischen Erkrankungen einbezogen. Positive Begleiterscheinung dürfte sein, dass neben einem besseren Verständnis allgemeiner genetischer Mechanismen und (patho-)physiologischer Hirnprozesse sich viele der angewandten beziehungsweise neu zu entwickelnden und zu etablierenden Methoden auf andere genetische Untersuchungen und Krankheiten übertragen lassen.

Kontakt Universitätsklinikum Schleswig-Holstein: Klinik für Neurologie, Privatdozentin Dr. Christine Klein, Telefon: 04 51/5 00 – 2993, E-Mail: christine.klein@neuro.uni-luebeck.de

zu 5: Im Bereich der Computerbiophysik und -biochemie bewegt sich am Institut für Theoretische Physik der Universität Göttingen künftig Privatdozent Dr. Marcus Müller. Sein Ziel ist die Entwicklung und Etablierung neuer Modelle und Simulationstechniken, um kollektive biophysikalische Phänomene in biologischen Membranen besser beschreiben zu können. Viele faszinierende Phänomene in biologischen Membranen – zum Beispiel die Porenbildung, Verschmelzung oder Teilung – erfordern es, dass sich die Lipidmoleküle als Bausteine dieser Membranen kollektiv bewegen. Solche Prozesse spielen eine Rolle bei so unterschiedlichen Vorgängen wie der Befruchtung, bei synaptischen Ausschüttungen, intrazellulärem Transport oder Virusinfektionen. Dennoch sind die zu Grunde liegenden biophysikalischen Abläufe bisher weitgehend unverstanden. Vor allem deshalb, da diese Prozesse nur einige Hundertstel Millisekunden dauern oder sich im Mikrometerbereich abspielen – und folglich schwer messbar beziehungsweise kaum beobachtbar sind.

Ziel von Dr. Müller ist es daher, entsprechend „vergröberte“ Modelle zur Beschreibung von kollektiven, biophysikalischen Phänomenen in biologischen Membranen zu entwickeln. Diese Modelle beschreiben die Lipidmoleküle nicht im atomistischen Detail, sondern fassen eine kleine Zahl von Atomen zu einem „effektiven Teilchen“ zusammen. Anders als atomistische Simulationen ermöglichen diese vergröberten Modelle in den relevanten Zeit- und Längenskalen unmittelbare Einblicke in die zu untersuchenden kollektiven Membran-Phänomene. Sowohl Potenzial als auch Grenzen der Modelle werden ausgelotet; zudem müssen sie sich bewähren bei der Betrachtung biophysikalischer Probleme – etwa der Verschmelzung von Membranen oder mit Blick auf das Wechselspiel zwischen Membranstruktur und der Wirkung, die Proteine entfalten.

Kontakt: Privatdozent Dr. Marcus Müller, zurzeit erreichbar an der Universität Mainz, Institut für Physik, WA 331
Telefon: 0 61 31/3 92 – 3642, E-Mail: marcus.mueller@uni-mainz.de

Weitere Informationen zu der Förderinitiative „Lichtenberg-Professuren“ finden Sie auch im jetzt erschienenen Jahresbericht 2003 der Stiftung auf den Seiten 64/65.

Kontakt:

Förderinitiative der VolkswagenStiftung
Fachgebiete der Abteilung für Natur- und Ingenieurwissenschaften, Medizin
Dr. Anja Fließ
Telefon: 05 11/83 81 – 374
E-Mail: fliess@volkswagenstiftung.de

Fachgebiete der Abteilung für Geistes- und Gesellschaftswissenschaften
Dr. Marcus Beiner
Telefon: 05 11/83 81 – 289
E-Mail: beiner@volkswagenstiftung.de

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Dr. Christian Jung idw

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