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VolkswagenStiftung bewilligt 10,2 Millionen Euro für die Einrichtung von acht Lichtenberg-Professuren


Sie treten an, um Rätsel des Universums zu lösen, um kleinste Biomoleküle für die Medizin nutzbar zu machen – oder um globale Klimaveränderungen vorauszusagen: Ehrgeizige Ziele vereinen die acht neuen Lichtenberg-Professoren, deren fachliches Spektrum breit gestreut ist. „Die Stiftung ermöglicht es diesen herausragenden jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit ihrem Angebot der Lichtenberg-Professuren, dass jene sich selbst ein optimales Umfeld für ihre Forschungsarbeit verschaffen können“, erklärt Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung. Zugleich will die Stiftung die Hochschulen hier zu Lande motivieren, frühzeitig Strategieentwicklung und Strukturplanung, damit letztlich Profilbildung zu betreiben. Im Sommer vergangenen Jahres startete die Initiative mit den ersten fünf Lichtenberg-Professuren. Die nun bewilligten acht „Neuen“ setzten sich bei insgesamt 51 Bewerbern und Bewerberinnen durch. Für die Professuren – von denen wir im Folgenden vier näher vorstellen – bewilligt die VolkswagenStiftung insgesamt 10,2 Millionen Euro, darunter:

1. W2-Lichtenberg-Professur für Ass. Prof. Dr. Laura Baudis an der RWTH Aachen, Fachgruppe Physik, zum Thema „Lichtenberg professorship for astroparticle physics“;
2. W1-Lichtenberg-Professur für Dr. Jörg Steffen Hartig an der Universität Konstanz, Fachbereich Chemie, Lehrstuhl für Organische Chemie, zum Thema: „Switching RNA interference“;
3. W2-Lichtenberg-Professur für Dr. Wolfgang Kießling an der Humboldt-Universität Berlin und dem dortigen Museum für Naturkunde, zum Thema „Controls of ecological stability of marine ecosystems over long temporal scales (global evolutionary biogeosciences)“;
4. W3-Lichtenberg-Professur für Ass. Prof. Dr. Nicolas Gruber an der Universität Kiel, Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, zum Thema „The sensitivity of the ocean carbon cycle to natural variability and anthropogenic climate change: From the global to the regional scale“;
Es folgen Informationen zu diesen vier Lichtenberg-Professuren; im Anschluss eine Kurzübersicht zu den weiteren Neubewilligungen.

Kurzporträts der acht Lichtenberg-Professoren siehe unter www.volkswagenstiftung.de/presse-news/presse05/05072005.htm.

Weitere Informationen zu der Förderinitiative „Lichtenberg-Professuren“ finden Sie auch im jetzt erschienenen Jahresbericht 2004 der Stiftung auf den Seiten 16ff.
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Zu 1. Dem Rätsel der dunklen Materie auf der Spur

Unzählige Teilchen dunkler Materie passieren unseren Körper, ohne dass wir das Geringste spüren. Fast ein Viertel des Universums, so postulieren die Astrophysiker, besteht aus dieser geheimnisvollen Substanz. Direkt nachzuweisen war sie bisher nicht. Dieses Ziel verfolgt die Physikerin Professor Dr. Laura Baudis. Im Rahmen ihrer Lichtenberg-Professur an der Fachgruppe Physik der Technischen Universität Aachen (RWTH) will sie „eines der größten Rätsel der Astrophysik und Kosmologie lösen“.

Halos heißen die Kugeln aus dunkler Materie, die so unerkannt durch das Universum ziehen. Sie waren der „Gravitations-Kleber“, der gewöhnliche Materie anzog und so schließlich – ungefähr 500 Millionen Jahre nach dem Urknall – zur Bildung von Sternen und Galaxien führte. Seit langem rätseln die Wissenschaftler, woraus diese dunkle Materie beschaffen ist. Dr. Baudis favorisiert als Kandidaten die so genannten WIMPs (von englisch Weakly Interacting Massive Particles), schwach wechselwirkende massereiche Teilchen, die im frühen Universum entstanden sein könnten. Ein direkter Nachweis könnte mit ultraempfindlichen Detektoren gelingen, indem die elastische Streuung an Atomkernen ausgenutzt und die entstehende Strahlung eingefangen wird. Bisherige Ansätze sind nicht empfindlich genug – und genau darauf zielen die Forschungen von Dr. Baudis ab. Sie plant, flüssiges Xenon als Detektor für dunkle Materie einzusetzen. Die hohe Dichte und die hohe Massenzahl des reaktionsträgen Edelgases könnten die gewünschten effizienten Messungen möglich machen. Fernziel ist es, im Rahmen der internationalen XENON-Kollaboration ein Flüssig-Xenon-Experiment mit einer Gesamtmasse von einer Tonne aufzubauen und im Gran Sasso-Untergrundlabor in Italien zu betreiben. Die RWTH Aachen als Wirkungsstätte der Lichtenberg-Professorin hat beträchtliches Know-how in der Teilchenphysik mit Schwerpunkt auf der Entwicklung und Konstruktion moderner Detektoren.

Kontakt
Ass. Prof. Dr. Laura Baudis
zurzeit erreichbar an der University of Florida
Gainsville, USA
Telefon: +1/352 392 97 17
E-Mail: lbaudis@ufl.edu

Zu 2. Krankheitsgene gezielt abschalten

Eine Materie ganz anderer Art fesselt Dr. Jörg Steffen Hartig. Der Chemiker, der zurzeit an der Stanford University arbeitet, interessiert sich für die Ribonukleinsäure-Moleküle (RNA) in unseren Zellen und hier insbesondere für die RNA-Interferenz: ein natürlich vorkommender Mechanismus, bei dem einzelne Gene durch kleine RNA-Moleküle abgeschaltet werden. Diesen Vorgang zu beeinflussen, ist das Ziel des künftigen Lichtenberg-Professors am Fachbereich Chemie der Universität Konstanz. Dr. Hartig wird versuchen, das natürlich ablaufende Verfahren zu kontrollieren und therapeutischen Nutzen daraus zu ziehen.

Bei der RNA-Interferenz lagern sich kleine RNA-Moleküle (siRNA oder small interfering RNA) an Boten-RNA an und lösen deren Abbau aus. Auf diese Weise kann die Boten-RNA, die als Bauanleitung für ein Protein dient, nicht mehr umgesetzt werden. Dieser Mechanismus, der erst vor einigen Jahren entdeckt wurde, wird bereits als wichtiges Werkzeug in der Genomforschung eingesetzt. Inzwischen sind Wissenschaftler schon in der Lage, einzelne Gene abzuschalten; die Hoffnung, die RNA-Interferenz gegen Krankheiten einsetzen zu können, ist entsprechend groß. Allerdings gilt es zunächst, den Prozess der RNA-Interferenz gezielt zu kontrollieren – was bisher nicht gelungen ist. Der Chemiker Hartig verfolgt nun das Ziel, die kleinen siRNA-Moleküle zu synthetisieren und chemisch so zu modifizieren, dass die RNA-Interferenz durch andere Nukleinsäuren, Proteine oder niedermolekulare Verbindungen gezielt ein- und ausgeschaltet werden kann. Ein weiterer ambitionierter Ansatz des Nachwuchsforschers ist die Lokalisierung der Effekte: Könnte man beispielsweise dafür sorgen, dass die kleinen RNA-Bruchstücke gezielt einen Tumor aufsuchen und dort ihre Blockade-Wirkung entfalten, stünden ganz neue Therapiemöglichkeiten zur Verfügung.

Kontakt
Dr. Jörg Steffen Hartig
E-Mail: hartig@stanford.edu

Zu 3. Aus der Geschichte des Lebens auf der Erde

In großen räumlichen und zeitlichen Maßstäben denkt Dr. Wolfgang Kießling, der im Rahmen seiner Lichtenberg-Professor am Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität zu Berlin über globale Veränderungen in Ökosystemen forschen wird und damit zu einer Verstärkung der analytischen Paläobiologie in Deutschland beitragen möchte. Die Paläobiologie beschäftigt sich mit der Entwicklung von Lebewesen in der Erdgeschichte. Fossilien helfen den Wissenschaftlern, Muster und Prozesse der Evolution zu entschlüsseln. Das Vorhaben des Lichtenberg-Professors vermittelt zwischen Paläontologie, Biologie (Bioinformatik) und Geowissenschaften.

Im Mittelpunkt der Arbeiten Kießlings steht zunächst die ökologische Evolution von Riffen; ein Lebensraum, der sich auf Grund von umfangreichen Fossiliendaten besonders gut für die langzeitlichen Untersuchungen eignet. Das Aussterben von Arten wird quantitativ und geographisch analysiert und die Dynamik innerhalb der Artenvielfalt mariner Lebewesen ermittelt. Dr. Kießling hat bereits große paläobiologische und paläoökologische Datenbanken aufgebaut, auf die er zugreifen kann. Mit Hilfe quantitativer Analysen des Fossilberichts werden langzeitliche, globale Veränderungen in Ökosystemen beleuchtet, deren Ergebnisse einen Beitrag zum modernen Ökosystem-Management leisten werden. Von Beginn an wird es darum gehen, Hypothesen zu testen, die für aktuelle Fragestellungen relevant sind: Beispiele sind der Einfluss klimatischer Veränderungen auf die Vielfalt der Lebewesen, die Anfälligkeit komplexer Ökosysteme gegenüber Umweltveränderungen und die Beziehungen von ökologischer Stabilität und Biodiversität über lange Zeiträume.

Kontakt
Humboldt-Universität Berlin
Dr. Wolfgang Kießling
Telefon: 030/2093 – 8576
E-Mail: wolfgang.kiessling@museum.hu-berlin.de

Zu 4. Wie wird das Klima im Jahr 2050?

Die Freisetzung von Kohlendioxid durch den Menschen hat in den vergangenen 250 Jahren maßgeblich zur Erderwärmung beigetragen. Wie wird es weitergehen mit unserem Klima? Eine der entscheidenden Fragen für Professor Dr. Nicolas Gruber. Im Rahmen seiner Lichtenberg-Professur am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften der Universität Kiel ist es sein Ziel Modelle zu entwickeln, die den voraussichtlichen Zustand des marinen Kohlenstoffkreislaufs im Jahre 2050 beschreiben können und damit Rückschlüsse auf die Klimaentwicklung zulassen.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Kohlendioxid-Emissionen (CO2) in näherer Zukunft trotz aller Bemühungen und Bekundungen weiter steigen werden. Zwar fungieren insbesondere der Ozean und große Waldgebiete als so genannte Kohlenstoffsenken und binden CO2, doch zeigen Klimasimulationen und theoretische Ansätze, dass die prognostizierten Klimaänderungen wahrscheinlich auch eine Verringerung dieser Senken herbeiführen. Die Folge: Ein größerer Teil der CO2-Emissionen verbleibt in der Atmosphäre – und das wiederum beschleunigt die Erderwärmung. Diese Rückkopplungseffekte sind bisher wenig verstanden. Dr. Gruber wird mit Hilfe modernster Modelle versuchen, Stärke, Wahrscheinlichkeit und Mechanismen der Effekte im Zusammenhang mit dem marinen Kohlenstoffkreislauf zu bestimmen.

Kontakt
Ass. Prof. Dr. Nicolas Gruber
zurzeit erreichbar an der University of California,
Los Angeles, USA
Telefon: +1/310 – 825 4772
E-Mail: gruber@atmos.ucla.edu
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Bewilligt wurden außerdem folgende vier Lichtenberg-Professuren:

5. W1-Lichtenberg-Professur für Dr. Max Löhning an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Medizinische Klinik, Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie, zum Thema „Immunological memory against viruses“
6. W2-Lichtenberg-Professur für Dr. habil. Jan Plefka an der Humboldt-Universität Berlin, Institut für Physik, zum Thema „The fundamental structure of string theory and its relation to gauge field theories“;
7. W2-Lichtenberg-Professur für Privatdozent Dr. Georg Pohnert an der Universität Jena, Fachbereich Chemie, zum Thema „Dynamic chemical defense reactions of algae: mechanisms and function“;
8. W2-Lichtenberg-Professur für Professor Dr. Alexander Thiele an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Neurophysiologie, zum Thema „Mechanisms of visual attention: a multilevel and multidisciplinary approach“;
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Kontakte

Dr. Max Löhning
zurzeit erreichbar am Universitätsspital Zürich
Telefon: +41/1 – 255 27 34
E-Mail: loehning@pathol.unizh.ch

Dr. habil. Jan Plefka
zurzeit erreichbar am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, Golm
Telefon: 0331/567 – 7330
E-Mail: plefka@aei.mpg.de

PD Dr. Georg Pohnert,
zurzeit erreichbar am Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie, Jena
Telefon: 0 36 41/57 – 1258
E-Mail: pohnert@ice.mpg.de

Prof. Dr. Alexander Thiele
zurzeit erreichbar an der University of Newcastle, GB
Telefon: +44/191 – 222 75 64
E-Mail: alex.thiele@ncl.ac.uk

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Kontakt
VolkswagenStiftung
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Christian Jung
Telefon: 05 11/83 81 – 380
E-Mail: jung@volkswagenstiftung.de

Kontakt
Förderinitiative der VolkswagenStiftung
Fachgebiete der Abteilung für Natur- und Ingenieurwissenschaften, Medizin
Dr. Anja Fließ
Telefon: 05 11/83 81 – 374
E-Mail: fliess@volkswagenstiftung.de

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Dr. Christian Jung idw

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