Neue Fischart im Stechlinsee in Brandenburg

Fontanemaraene - benannt nach dem märkischen Schriftsteller Theodor Fontane

Der Neuglobsower Biologe Michael Schulz und sein Berliner Kollege Dr. Jörg Freyhof vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin (IGB) haben eine neue Fischart beschrieben, die nur im Stechlinsee in Brandenburg vorkommt. Die beiden Forscher untersuchten verschiedene Populationen einer Fischart, die “Kleine Maräne” genannt wird und die als Räucherfisch eine regionale Delikatesse darstellt. Bisher war von den Maränen des Stechlinsees nur bekannt, dass hier neben einer “normalen” eine weitere, als “Tiefenform” bezeichnete Population, vorkommt. Schulz und Freyhof konnten nun zeigen, dass es sich bei der “Tiefenform” um eine eigenständige Art handelt. Dem märkischen Schriftsteller Theodor Fontane zu Ehren, der in seinem Altersroman “Der Stechlin” Land und Leute rund um den gleichnamigen See beschreibt, gaben die Forscher der neuen Fischart den Namen Fontanemaräne, Coregonus fontanae.

Zur Klärung des Artstatus der Fontanemaräne waren umfangreiche Vergleiche der äußeren Form der Tiere, aber auch genetische Untersuchungen, notwendig. Insbesondere musste gezeigt werden, dass die “Tiefenform” des Stechlinsees nicht etwa die selbe Art ist, die in den 30-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als “Quietschbauchmaräne” Coregonus lucinensis aus den Luzin-Seen um Feldberg (Mecklenburg-Vorpommern) beschrieben wurde. Bisher wurde angenommen, dass die Quietschbauchmaräne und die Tiefenmaräne des Stechlinsees identisch sind oder zumindest auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückgeführt werden können. Um diese Hypothese zu prüfen, machten sich die Biologen bestimmte Eigenschaften der Erbsubstanz in den Mitochondrien zu Nutze. Die Mitochondrien sind die “Kraftwerke” der Zelle und verfügen über eine eigene Erbsubstanz. Dies ermöglicht es, Verwandtschaftsverhältnisse detailliert wiederzuspiegeln. Durch so genannte Sequenzanalysen konnte nun gezeigt werden, dass die Qietschbauchmärane des Luzinsees und die als neue Art beschriebene Tiefenform des Stechlinsees völlig unabhängig voneinander entstanden sind. Das Erstaunliche dabei ist, dass die beiden Arten einige auffällige Ähnlichkeiten zeigen, die von den Forschern durch in gleicher Richtung wirkende ökologische Kräfte diskutiert werden (“konvergente Evolution”). Beide Arten laichen nämlich, im Gegensatz zu ihren herbstlaichenden Verwandten, im Frühjahr, und zeigen einige gleiche morphologische Veränderungen. Darüber hinaus weist ihr Verhalten auf eine Anpassung an ein Leben in sehr tiefen Wasserschichten hin.

Der eigentliche Prozess, der zur Evolution der Fontanemaräne führte, ist für die Wissenschaft von besonderem Interesse. Zum einen unterstreichen die am Stechlinsee gewonnenen Ergebnisse die revolutionäre Erkenntnis, dass die Herausbildung einer Art viel schneller als bisher angenommen stattfinden kann. Da der Stechlinsee während der letzten Eiszeit entstanden ist, geht daraus klar hervor, dass die neue Art erst während der letzten 12.000 Jahre entstanden sein kann. Zum anderen wurde hiermit auch nachgewiesen, dass Artbildung auch ohne geographische Isolation von Populationen stattfinden kann, ein Vorgang, den Wissenschaftler als “sympatrische Artbildung” bezeichnen.

Die Entdeckung der Fontanemaräne wirft auch ein ganz besonderes Licht auf den Stechlinsee als Schutzgebiet, denn natürlich kommt die Fontanemaräne weltweit ausschließlich in diesem See vor. Damit steigt die Zahl der weltweit nur oder überwiegend in Deutschland vorkommenden Fischarten auf zwölf an, was unsere besondere internationale Verantwortung für den Erhalt von Biodiversität in aquatischen Systemen unterstreicht.

Ansprechpartner:

Michael Schulz, IGB, Abt. Limnologie Geschichteter Seen, email: Michael.Schulz@igb-berlin.de, Telefon: 033082/699-57

Jörg Freyhof, IGB, Abt. Biologie und Ökologie der Fische, email: freyhof@igb- berlin.de, Telefon: 030/64181613

Media Contact

Josef Zens Forschungsverbund Berlin e.V.

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Mobilität: Wasserstoffmotor für Offroad-Anwendungen

Partner aus Industrie und Wissenschaft entwickeln wasserstoffbasierte Antriebskonzepte für Bau- und Agraranwendungen. Zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors rücken schwere Nutzfahrzeuge und nicht-straßengebundene mobile Arbeitsmaschinen verstärkt in den Vordergrund. Fahrzeug- und Motorenhersteller,…

Nervenzellen blinder Mäuse bleiben seh-tauglich

Mit Mikroelektroden wurden an der TU Wien Nervenzellen der Netzhaut untersucht. Sie zeigen ein erstaunlich stabiles Verhalten – eine gute Nachricht für Retina-Implantate. Als „Außenstation des Gehirns“ wird die Retina…

Innovative Simulationstools zur Optimierung der Schaumproduktion

Dr. Konrad Steiner vom Fraunhofer ITWM im Interview. Der perfekte Schaum ist nicht nur wichtig für Getränke wie Bier und Kaffee oder für die luftige Konsistenz der Mousse au Chocolat…