Struktur des Photosystems II bei 3 Angström aufgelöst.

Wissenschaftler publizieren verfeinerte Strukturdaten des Protein-Cofaktor-Komplexes Photosystem II in „Nature“ am 15.12.2005

Das jetzige Leben auf der Erde wurde nur möglich, weil vor 3,5 Milliarden Jahren Cyanobakterien mit der Photosynthese begannen, einem der wichtigsten biologischen Energie-Umwandlungsprozesse, der später von grünen Algen und höheren Pflanzen übernommen wurde. Bei der Photosynthese fängt das grüne Pigment Chlorophyll Sonnenlicht ein, dessen Energie benutzt wird, um Wasser oxidativ in lebensnotwendigen Sauerstoff zu spalten (Lichtreaktion). Die dabei freigesetzten Wasserstoff-Ionen und Elektronen wandeln in einem weiteren Schritt Kohlendioxid aus der Luft in Kohlenhydrate um (Dunkelreaktion), die Grundlage aller Nahrung sind.

Diese beiden gekoppelten Prozesse werden in der Thykaloidmembran der Zellen von zwei großen Protein-Cofaktor-Komplexen bewerkstelligt. Die Struktur des für die Sauerstoffentwicklung zuständigen Photosystems II (PS II) wurde jetzt mit einer Auflösung von drei Angström* von Prof. Dr. Wolfram Saenger am Institut für Chemie und Biochemie der Freien Universität Berlin gemeinsam mit Kollegen vom Max-Volmer-Laboratorium der TU Berlin am Donnerstag, dem 15. Dezember 2005, in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ publiziert.

Wolfram Saenger ist Spezialist für die Röntgen-Kristallstrukturanalyse großer Biomoleküle an der Freien Universität Berlin. Seit etwa zwanzig Jahren erforscht er die Photosynthese in Zusammenarbeit mit Kollegen der Technischen Universität Berlin (früher Prof. Horst Tobias Witt, jetzt Dr. Athina Zouni). Gegenüber der erstmals 2001 von der Freien Universität Berlin und der TU veröffentlichten Struktur des PS II – damals mit einer Auflösung von 3,8 Angström – eröffnen die neuen Daten wesentlich detailliertere Einblicke in den großen Protein-Cofaktor-Komplex, der aus dem Cyanobakterium Thermosynechococcus elongatus isoliert wird und als Dimer vorliegt.

In großer Klarheit zeigen sich nun die dreidimensionalen Strukturen von je zwanzig Protein-Untereinheiten (pro Monomer), 35 Chlorophyll-a Molekülen, elf Carotinen, je zwei Pheophytinen, Plastochinonen und Haemgruppen, 14 Lipiden, je einem Bicarbonat- und Eisen(II)-Ion, drei Detergenzmolekülen und des einzigartigen, aus vier Mangan-Ionen und einem Calcium-Ion bestehenden Clusters, an dem das Wasser letztlich oxidiert wird.

Die Zuordnung der Carotine gewährt neue Einblicke in den Elektronen- und Energietransfer im Reaktionszentrum und in den Licht sammelnden Antennen-Untereinheiten. Die 14 integral-gebundenen Lipide waren bis dato nicht erkennbar. Ihre hohe Zahl und ihre Positionen sprechen dafür, dass sie eine wichtige Funktion für Flexibilität und Architektur des PS II ausüben.

Aus Position, Geometrie und Koordination der Metall-Ionen im Mangan-Calcium-Cluster erhoffen sich Physiker und Chemiker entscheidende Informationen zum Verständnis des Mechanismus der Wasseroxidation. Um Wasser zu Sauerstoff zu oxidieren, bedarf es des höchsten elektrischen Potentials, das je in einem Organismus gefunden wurde: 1,2 Volt. Je mehr Details sichtbar werden, desto klarer wird: Hinter der allgemein bekannten, scheinbar simplen chemischen Gleichung der Photosynthese verbergen sich Dutzende Einzelreaktionen, viele winzige chemische Klimmzüge, mit denen Bakterien, grüne Algen und Pflanzen diesen gewaltigen Prozess bewerkstelligen.

Athina Zouni und Jan Kern vom Max-Volmer-Laboratorium der TU Berlin präparierten, reinigten und kristallisierten den Protein-Cofaktor-Komplex des Photosystems II. Die Struktur wurde anhand von Röntgen-Beugungsdaten von Bernhard Loll, Jacek Biesiadka und Wolfram Saenger von der Freien Universität Berlin errechnet.

Die grundlegenden strukturellen Arbeiten an den Photosystemen I und II wurden zuvor im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Gerichtete Membranprozesse“ (Sfb 312) und werden jetzt im Sonderforschungsbereich „Protein-Kofaktor-Wechselwirkungen in biologischen Prozessen“ (Sfb 498) der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Sie dienen dem besseren Verständnis der Photosynthese und damit generell der Umwandlung von Lichtenergie in chemische oder mechanische Energie. Die detaillierte Kenntnis dieser Vorgänge ist eine notwendige Voraussetzung, um Umwelt- und Ressourcen-schonende Energieformen für die Zukunft entwickeln zu können. Dies den Algen, Bakterien und Pflanzen einmal ähnlich raffiniert nachzumachen, wird eine große Herausforderung für die Wissenschaft sein.

* 1 Angström = zehn hoch minus zehn Meter

Von Catarina Pietschmann

Nähere Informationen erteilen Ihnen gern:
– Prof. Dr. Wolfram Saenger, Institut für Chemie und Biochemie / Kristallographie der Freien Universität Berlin, Tel.: 030 / 838-53412, E-Mail: saenger@chemie.fu-berlin.de
– Dr. Athina Zouni, Max-Volmer-Laboratorium für Biophysikalische Chemie der Technischen Universität Berlin, Tel.: 030 / 314-25580 oder 314-25650, E-Mail: Zouni@phosis1.chem.tu-berlin.de

Media Contact

Ilka Seer idw

Weitere Informationen:

http://www.fu-berlin.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen

Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…

3D-Tumormodelle für Bauchspeicheldrüsenkrebsforschung an der Universität Halle

Organoide, Innovation und Hoffnung

Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…

Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis

Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…