Zero Emission Engine – die modernste Dampfmaschine der Welt

Rauchgas- und Dampfströme der ZEE 03

Mitte der 90er Jahre wurden unter Beteiligung des Instituts für Mineralogie der Freien Universität Berlin Hochleistungs-Kohlenstoffwerkstoffe für Kolben in konventionellen Verbrennungsmotoren entwickelt, die hohen thermischen und mechanischen Belastungen gewachsen sind. Zur gleichen Zeit wurden am Lehrstuhl für Strömungsmechanik der Universität Erlangen neue, außerordentlich schadstoffarme Porenbrenner entwickelt, die ungewöhnlich niedrige Stickoxidemissionen aufweisen.

Ingenieure der Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr in Berlin griffen diese Neuentwicklungen auf und analysierten die Möglichkeiten, ob die Porenbrenner und Kohlenstoffwerkstoffe auch für den Einsatz in einer Wärmekraftmaschine für Automobile und kleinere stationäre Blockheizkraftwerke geeignet sind und wie ein derartiges Antriebsaggregat aussehen könnte. Zur Realisierung standen hierfür prinzipiell drei Aggregattypen zur Auswahl: der Stirlingmotor, die Turbine oder der Dampfmotor. Nach intensiven Überlegungen fiel die Wahl auf den Dampfmotor als chancenreichste und passendste Variante für einen nahezu emissionsfreien Antrieb.

In Vorstudien wurde nachgewiesen, dass ein konzeptionell veränderter Dampfmotor mit isothermer Expansion das Potenzial für einen echten alternativen Antrieb aufweist, der fast emissionsfrei ist, mit nahezu allen Kraftstoffen betrieben werden kann sowie verbrauchsgünstig und leistungsstark ist. Im Rahmen eines Berliner Verbundvorhabens wurde deshalb die Entwicklung dieses Wasserdampfmotors, der wegen seines extrem geringen Schadstoffausstoßes „Zero Emission Engine“ (ZEE) genannt wurde, weiter vorangetrieben. Als Partner dieses Forschungsverbundes führte das Institut für Mineralogie der Freien Universität Berlin unter der Projektleitung von Prof. Dr. Jörg Arndt einen Großteil der werkstoffwissenschaftlichen Untersuchungen durch.

Der Dampfmotor ZEE ist in seinem Aufbau einem konventionellen Fahrzeugmotor sehr ähnlich, mit dem einzigen Unterschied, dass, wie der Name bereits verrät, als Arbeitsmedium Dampf verwendet wird. Der Dampfmotor funktioniert mit „äußerer, kontinuierlicher“ Verbrennung. Der Porenbrenner erzeugt hierbei die erforderliche Wärmeenergie, um energiereichen, heißen Dampf zu produzieren. Dieser Dampf wird in den Motor geleitet, wo er unter Kraftwirkung auf den Kolben isotherm expandiert und Arbeit verrichtet. Durch die isotherme Prozessführung wird eine wesentliche Erhöhung des Wirkungsgrades gegenüber einem Dampfmotor herkömmlicher Bauart erzielt. Am unteren Totpunkt des Kolbens strömt der abgekühlte Dampf aus dem Zylinder und wird in einem Kondensator erneut zu Wasser verflüssigt. Es handelt sich somit um ein Zweitaktprinzip. Je mehr Dampf eingelassen wird, desto größer ist die Leistung des Motors. Die variable Einlasssteuerung durch Ventile oder so genannte Dampfinjektoren ermöglicht die Regelung des Motors. Im Gegensatz zu konventionellen Dampfmaschinen wird der „Restdampf“, nachdem er seine Arbeit verrichtet hat, nicht ausgestoßen, sondern im Kondensator verflüssigt und steht dem geschlossenen Prozess erneut zur Verfügung.

Kernstück der Energieerzeugung ist der Porenbrenner, eine völlig neue Brennertechnologie, mit der das Unterschreiten der härtesten Abgasgrenze ermöglicht wird. Der Porenbrenner ist ein thermischer Reaktor, der aufgrund der vollständigen Verbrennung und der kontrollierten Verbrennungstemperatur kaum noch messbare Abgase erzeugt. Das Kraftstoff-Luft-Gemisch wird in eine keramische Porenstruktur geleitet und verbrennt dort nahezu schadstofffrei. Dabei ist der Porenbrenner vielstofffähig: Benzin, Diesel, Erdgas oder Wasserstoff kommen als Kraftstoff in Betracht, ebenso wie gasförmige oder flüssige Biokraftstoffe. Bei einem Einsatz von Wasserstoff als Energieträger entfallen zusätzlich die Kohlendioxidemissionen, die mit jeder Verbrennung fossiler Kraftstoffe unabänderlich verbunden sind. Die Porenbrennertechnik erlaubt also tatsächlich eine emissionsfreie Energieerzeugung.

Ähnlich zum konventionellen Hubkolbenmotor werden in der ZEE Bauteile wie Kolben, Pleuel und Kurbelwelle verwendet. Da beim Betrieb des Dampfmotors jedoch Temperaturen bis 800° C und Wasserdampfdrücke bis 100 bar vorgesehen sind, müssen diese Bauteile teilweise aus Hochtech-nologiewerkstoffen beschaffen sein, um diesen extremen chemischen, thermischen, mechanischen und tribologischen Belastungen standhalten zu können. Diese Werkstoffe sind hochwarmfeste Spezialstähle, Ingenieurkeramiken und insbesondere Hochleistungs-Kohlenstoffwerkstoffe für den Kolben, das am stärksten beanspruchte Bauteil. Ähnlich wie der Porenbrenner das Kernstück der Erzeugung der Wärmeenergie ist, stellt der aus Hochleistungs-Kohlenstoff bestehende Kolben das Kernstück für die Umwandlung der thermischen in mechanische Energie im ZEE-Dampfmotor dar. Die Entwicklung solcher Kohlenstoffe war Gegenstand mehrerer anderer vom BMBF und der EU geförderter Verbundvorhaben, an denen namhafte Firmen der Automobilindustrie, des Motoren- und Kolbenbaus, der Kohlenstoffindustrie und das Institut für Mineralogie der Freien Universität Berlin mit Prof. Arndt als Projektleiter beteiligt waren.

Diese Hochleistungs-Kohlenstoffwerkstoffe sind qualitativ hochwertige Graphite, deren Ausgangsstoffe sorgfältig ausgewählt werden und bei deren Herstellung die Prozessparameter bei den verschiedenen Herstellungsschritten exakt kontrolliert werden. Von besonderer Bedeutung sind pulverförmige Kohlenstoffmesophasen als Ausgangsstoffe, deren Pulverpartikel flüssigkristalline Strukturen besitzen und sich durch sehr kleine Korngrößen im Mikrometerbereich auszeichnen. Durch ihre Thermoplastizität und Sinterfähigkeit können diese Mesophasenpulver ohne Bindemittelzusatz verarbeitet werden. Graphite auf der Basis von Mesophasen weisen auf Grund ihres homogenen feinkörnigen Gefüges höhere Festigkeiten auf als konventionell hergestellte Graphite. Diese neue Werkstoffklasse wird daher als Feinkornkohlenstoff bezeichnet. Kolben aus Feinkornkohlenstoffen sind seit vielen Jahren in konventionellen Verbrennungsmotoren in Versuchsautomobilen im Einsatz, wodurch sich erhebliche Verbesserungen sowohl im Schadstoffausstoß als auch im Kraftstoffverbrauch gegenüber den üblicherweise verwendeten Kolben aus Aluminiumlegierung erzielen lassen.

Beim Betrieb des ZEE-Dampfmotors herrschen im überkritischen Wasserdampfmedium ungewöhnliche thermophysikalische und thermochemische Bedingungen. Da sich heißer Dampf und Öl grundsätzlich nicht vertragen, mussten zudem tribologische Systeme, insbesondere das tribologische System Kolben-Zylinderlaufbuchse, auf Wasser-, bzw. Trockenschmierung ausgelegt werden, im Motorenbau völlig neue Technologien. Für das System Kolben-Zylinder haben sich als Laufpartner ein Kolben aus Feinkornkohlenstoff in Verbindung mit einer nitrierten oder keramikbeschichteten Stahlbuchse hervorragend bewährt. Feinkornkohlenstoffmaterialien sind die erste Wahl für Tribosysteme unter solchen extremen Bedingungen. Dies ist ein modellhaftes Beispiel dafür, wie Entwicklungen von Hochleistungswerkstoffen die Realisierung innovativer Ideen, wie die des ZEE-Dampfmotors, ermöglichen. Allein dieser Entwicklungsschwerpunkt führte zu mehreren Patentanmeldungen. Um den Dampfmotor uneingeschränkt einsetzen zu können, mussten darüber hinaus geeignete Frostschutzkonzepte entwickelt werden.

Durch die enge Zusammenarbeit der Projektpartner konnte im Verlauf des Vorhabens ein Grundstock an Werkstoffen und Werkstoffkombinationen geschaffen werden, die sich im Versuchsbetrieb im ZEE-Dampfmotor bewährt haben und zum Teil in die Serienentwicklung konventioneller Antriebe übertragen werden können. Der ZEE-Dampfmotor weist den höchsten Wirkungsgrad auf, der bisher in dieser Leistungsklasse erreicht wurde. Die Ergebnisse der inzwischen abgeschlossenen Grundlagenforschung zeigen eindeutig, dass dieser Dampfmotor das Potenzial zur Entwicklung zum zukünftigen Antrieb der Massenmotorisierung besitzt. Allerdings sind hierzu die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten noch lange nicht abgeschlossen.

Werkstoffwissenschaftliche Untersuchungen der beim ZEE-Dampfmotor eingesetzten Hochleistungswerkstoffe, insbesondere der Feinkornkohlenstoffe, sowie Versuche zum Verhalten dieser Werkstoffe unter extremen ZEE-Betriebsbedingungen, wie sie im überkritischen Wasserdampfmedium bei Temperaturen bis 800o C und Drücken bis 100 bar herrschen, gehört zu den Aufgaben der Arbeitsgruppe von FU-Mineraloge Prof. Arndt. Weitere Aufgabengebiete sind die Abscheidung und werkstoffwissenschaftliche Untersuchung von dünnen Schichten aus Metalloxiden, -nitriden und -carbiden und von Keramikschichten auf den Oberflächen verschiedener ZEE-Bauteile zur Verbesserung ihres Korrosionswiderstandes und ihrer tribologischen Eigenschaften im Trockenlauf und bei ölfreier Wasserschmierung bei ZEE-Betriebsbedingungen. Die Arbeiten des Instituts für Mineralogie der Freien Universität haben einen wichtigen Beitrag zur Realisierung des ZEE-Dampfmotors geleistet.

Partner des ZEE-Verbundprojektes sind aus Berlin die IAV (Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr) und deren Tochterunternehmen TEA (Technologiezentrum Emissionsfreie Antriebe) als Federführer, Berlin-Oberspree Sondermaschinenbau (BOS), Britze Elektronik Berlin, Institut für Mineralogie der Freien Universität Berlin, sowie die Nicht-Berliner Partner Sachsenring-Entwicklungsgesellschaft (SEG), Institut für Strömungsmechanik der Universität Erlangen, Motoren GmbH Greiner (MGG) und Magnetmotor.

Gefördert wird ZEE von der Technologiestiftung Innovationszentrum Berlin (TSB), der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, der Investitionsbank Berlin und dem Europäischen Fond für Regionalentwicklung (EFRE). Projektträger sind die IBB, der VDI/VDE IT, die B.&SU und die Fraunhofer Management Gesellschaft. Besondere Unterstützung findet das Projekt auch bei der Wirtschaftsförderung Berlin und der Berliner Staatskanzlei. Durch die erfolgreiche Realisierung dieser komplexen Förderstruktur, in der die verschiedenen Verwaltungen und Förderprogramme eingebunden sind, hat das Projekt ZEE Modellcharakter für die Förderung großer Entwicklungsprojekte in Berlin.

Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Prof. Dr. Jörg Arndt, Institut für Mineralogie der Freien Universität Berlin, Takustr. 6, 14195 Berlin, Tel.: 030 / 838-53442, Fax: 838-53469, E-Mail: arndt@chemie.fu-berlin.de

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Ilka Seer idw

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