Wie ist ein erfülltes Leben möglich?

Die Gerda Henkel Stiftung verleiht den diesjährigen internationalen Gerda Henkel Preis dem amerikanischen Soziologen und Kulturhistoriker Professor Dr. Richard Sennett.

Das Stiftungskuratorium folgte damit einer Empfehlung der Jury unter Vorsitz von Professor Dr. Lord Ralf Dahrendorf, der Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Politik sowie die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung angehören. Der Gerda Henkel Preis wird in zweijährigem Turnus für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Historischen Geisteswissenschaften vergeben. Mit einem Preisgeld von 100.000 Euro zählt er zu den am höchsten dotierten Ehrungen in diesem Bereich. Die Verleihung findet am 10. November 2008 in Düsseldorf statt.

In der Begründung der Jury heißt es: „Richard Sennett ist eine der bedeutenden geistigen Leitfiguren der Gegenwart. In seinen vielgelesenen Büchern überschreitet er mühelos die Fachgrenzen der geisteswissenschaftlichen Disziplinen, insbesondere von Soziologie und Geschichte, Psychologie und Philosophie. Seine stupenden Kenntnisse und sein theoretischer Sinn zeigen den Wissenschaftler, doch erweisen Lebenserfahrung Temperament und Stil ihn auch als Künstler. Sein großes Thema gilt der Frage, wie ist ein erfülltes Leben angesichts der Auflösungstendenzen moderner Gesellschaften möglich. Zwei zentralen Lebensbereichen widmet Sennett besondere Aufmerksamkeit, der Stadt und der Arbeit.

In beiden sind alte Tugenden der Selbstverwirklichung durch Fertigkeiten, des Miteinander bei aller Flexibilität, des Respekts auch unter Ungleichen neu zu entwickeln. Sennett ist Kulturkritiker ohne larmoyanten Kulturpessimismus. Wie seine Lehrer Hannah Arendt und David Riesman wirkt er als Mentor, und zuweilen als Prophet. Bei alledem bleibt er, wie sein Freund Michel Foucault, ein Anreger der Geisteswissenschaften“.

Richard Sennett, geboren am 1. Januar 1943 in Chicago, Illinois, begann seine berufliche Laufbahn an der Juillard School, New York, mit einem Studium der Musikwissenschaften und des Violoncello. Aufgrund einer fehlgeschlagenen Operation an der Hand entschied er sich für eine wissenschaftliche Karriere. Nach einem Abschluss in Urbanistik an der Harvard University gründete Sennett zunächst in Cambridge, Massachussetts, das Cambridge Institute, ein soziologisches Forschungszentrum.

Als Gründungsdirektor des renommierten „New York Institute of the Humanities“ an der New York University förderte er ab 1975 den Austausch zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Kunst und Medien. Richard Sennett ist Berater der UNESCO auf dem Feld der Städteplanung. Er lebt und lehrt in zwei Metropolen, als Professor an der New York University und der London School of Economics.

Die Aktualität seiner Forschungen und ein besonderes Ausdrucksvermögen lassen seine Bücher ein großes Publikum finden. Deutschen Lesern ist er u. a. durch seine Werke „Verfall und Ende des öffentlichen Lebens: Die Tyrannei der Intimität“ (1983), „Autorität“ (1985), „Civitas, Die Großstadt und die Kultur des Unterschieds“ (1991), „Fleisch und Stein: Der Körper und die Stadt in der westlichen Zivilisation“ (1995), „Der flexible Mensch: Die Kultur des neuen Kapitalismus“ (1998) und „Respekt im Zeitalter der Ungleichheit“ (2002) bekannt. Dass er den Glauben an die Möglichkeit einer besseren Zukunft nicht verloren hat, belegt der Autor auch mit dem 2008 erschienenen Buch „Handwerk“, in dem er die Beziehungen zwischen dem Herstellen materieller Dinge und dem Nachdenken darüber erforscht. Das Buch führt Sennetts seit Langem bestehende Überlegungen zur Kultur der Arbeit zusammen.

„Wir freuen uns außerordentlich über diese Entscheidung“, so der Vorsitzende des Vorstands der Gerda Henkel Stiftung Dr. Michael Hanssler. „Der Gerda Henkel Preis fördert exzellente Wissenschaftler, von deren Forschung und internationaler Sichtbarkeit wichtige gesellschaftliche Impulse ausgehen. Richard Sennett wirkt in diesem Sinne mit seinen Arbeiten in besonderer Weise über nationalstaatliche Grenzen hinweg.“.

Professor Sennett ist Mitglied zahlreicher internationaler Organisationen und wissenschaftlicher Akademien, darunter der American Academy of Arts and Sciences, der Royal Society of Literature und der Royal Society of the Arts. 1998 wurde er mit dem Premio Europeo Amalfi per la Sociologia e le Scienze Sociali, 1999 mit dem Preis „Das politische Buch“ der Friedrich-Ebert-Stiftung ausgezeichnet. Er ist Träger des Hegel-Preises der Stadt Stuttgart (2006).

Die Gerda Henkel Stiftung
Die Stiftung wurde 1976 von Lisa Maskell zum Gedenken an ihre Mutter Gerda Henkel als gemeinnützige Stiftung des privaten Rechts mit Sitz in Düsseldorf errichtet. Ausschließlicher Stiftungszweck ist die Förderung der Wissenschaft, vornehmlich der Historischen Geisteswissenschaften. Die Stiftung ist in Deutschland und international tätig. In den 32 Jahren ihres Bestehens wurden rund 4500 Forschungsvorhaben mit ca. 70 Millionen Euro unterstützt. Im vergangenen Jahr stellte die Stiftung für 346 Projekte Fördermittel in einer Höhe von mehr als 6,7 Millionen Euro bereit.
Kontakt
Pressestelle der Gerda Henkel Stiftung, Dr. Sybille Wüstemann
Telefon: +49 (0)211 93 65 24 0, E-Mail: wuestemann@gerda-henkel-stiftung.de

Media Contact

Dr. Sybille Wüstemann idw

Weitere Informationen:

http://www.gerda-henkel-stiftung.de

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