TUM-Chemiker synthetisieren Wirkstoff gegen aggressive Hirntumorzellen

Neues Krebsmedikament in klinischer Erprobung

Eine der am häufigsten auftretenden Formen von Hirntumoren sind die sogenannten ?Glioblastome“, an denen allein in Deutschland jährlich bis zu 5.000 Menschen erkranken. Die Behandlungsmöglichkeiten hierfür sind gegenwärtig noch sehr beschränkt, an wirksamen Medikamenten wird intensiv geforscht. Einer Gruppe von Wissenschaftlern am Lehrstuhl II für Organische Chemie der TU München (Prof. Horst Kessler) gelang es in Zusammenarbeit mit dem Darmstädter Pharma-Konzern Merck bereits 1995 ein Eiweißmolekül (?Cilengitide“) zu synthetisieren, das zur Bekämpfung aggressiver Krebszellen eingesetzt werden kann. Nach erfolgreich abgeschlossenen klinischen Vorstudien ist der Wirkstoff ?Cilengitide“ kürzlich in die klinische Studie II aufgenommen worden.

Um einen Wirkstoff gegen Krebs zu entwickeln, berücksichtigten die Wissenschaftler dessen gesteigerten Bedarf an der Versorgung mit Nährstoffen. Hierdurch werden die Krebszellen u.a. mit Sauerstoff versorgt und können sich so vergrößern. Dies geschieht über einen bestimmten Integrinrezeptor, der für das Hineinwachsen von Blutgefäßen (?Angiogenese“) in den Tumor verantwortlich ist. Der Wirkstoff ?Cilengitide“, ein winziges ringförmiges Eiweißmolekül (ein sogenanntes ?zyklisches Pentapeptid“), heftet sich an das Integrin an und verhindert so die Angiogenese. In Folge wird die Blutzufuhr abgeschnitten, der Krebs ?verhungert“ dadurch regelrecht und kann keine Metastasen mehr bilden. Manche Krebszellen reagieren auf diese Substanz sogar ganz unmittelbar und sterben ab.

Entscheidend für den erfolgreichen vorklinischen Test war, dass es sich bei ?Cilengitide“ gewissermaßen um eine Maßanfertigung handelt. Aufgrund spezieller biochemischer Prozesse und eines ausgeklügelten molekularen Designs erkennt der Wirkstoff die tatsächlich relevanten Integrin-Rezeptoren, verbindet sich aber nicht mit anderen ähnlichen Rezeptoren. In einer Art Abtastung des erforderliches Raumes (?räumliches Screening“) wurden die einzelnen Bestandteile des Moleküls immer wieder aufs neue so zusammengesetzt, dass sie unterschiedliche Raumgestalten annahmen. So gelang es schließlich die wirksamste Passform zu generieren.

In der ersten klinischen Studie wurden 51 Hirnturmor-Patienten, bei denen eine konventionelle Chemotherapie nicht angeschlagen hatte, mit Cilengitide behandelt. Zwei dieser Patienten konnten geheilt werden, bei weiteren drei trat eine Besserung des Zustandes auf. Nach Abschluss der kürzlich begonnenen klinischen Studie II wird über die Marktreife des Medikaments entschieden. Die European Medicines Agency (EMEA) hat ?Cilengitide“ allerdings bereits im Januar 2004 als sogenanntes ?orphan drug“ für die Behandlung von Gliompatienten zugelassen. Orphan drugs dürfen noch vor Markteinführung denjenigen Patienten verschrieben werden, für die es ansonsten keine alternative Behandlungsmöglichkeit gibt.

Media Contact

Dieter Heinrichsen M.A. idw

Weitere Informationen:

http://www.tu-muenchen.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen

Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…

3D-Tumormodelle für Bauchspeicheldrüsenkrebsforschung an der Universität Halle

Organoide, Innovation und Hoffnung

Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…

Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis

Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…