Neue Chemotherapie gibt Hirntumor-Patienten Hoffnung: Klarer Langzeit-Überlebensvorteil für Patienten mit Glioblastom

Regensburger Neurowissenschaftler tragen zu internationalem Durchbruch bei


Mit großem Erfolg trugen die Neurowissenschaftler der Neurologischen Klinik der Universität Regensburg unter Leitung von Prof. Dr. Ulrich Bogdahn zum Gelingen der jüngst international durchgeführten Studie über das Glioblastom, einer sehr aggressiven Form von Hirntumoren, bei. Bahnbrechendes Ergebnis der Studie, die von der Europäischen Organisation für die Erforschung und Behandlung von Tumoren (EORTC) in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Krebsinstitut Kanadas (NCIC) durchgeführt wurde, ist, dass die zusätzliche Chemotherapie mit dem neuen Chemotherapeutikum Temozolomid (Handelsname: Temodal®) begleitend zur Strahlentherapie die Überlebenszeit von Patienten mit Glioblastom signifikant verbessern kann. Des Weiteren trat zutage, dass durch molekulare Analysen der Tumoren Patienten selektiert werden können, die wahrscheinlich von der neuen Therapiekombination profitieren.

Diese Erkenntnisse etablieren einen neuen Standard in der Therapie dieser schnell wachsenden und schwer zu therapierenden Tumoren. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse jüngst im New England Journal of Medicine. Die Neurologie der Universität Regensburg ist neben Tübingen das größte deutsche Studienzentrum in der klinischen und experimentellen Hirntumorforschung. Prof. Bogdahn, Leiter der Studie in Regensburg und aktives Mitglied des Regensburger Tumorzentrums, freut sich über den großen Erfolg und die hohe Zahl an Patienten, die im Regensburger Zentrum mit dem neuen Ansatz behandelt werden konnten: “ Unser Team ist stolz und froh darüber, dass unsere Arbeit am und für den Patienten endlich Früchte trägt. Mit den neuen Studienergebnissen können wir eine noch größere Zahl von Patienten effektiv behandeln, auch wenn auf diesem Gebiet weiterhin viel zu tun bleibt.“ Bei der Durchführung der Studie hat die Neurologie mit der Neurochirurgie und Strahlentherapie der Universität Regensburg und des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder im Rahmen des Tumorzentrums kooperiert.

Primäre Hirntumoren machen nur etwa 5% der Diagnosen aller bösartigen Tumoren aus. Hirntumoren betreffen jedoch häufig zuvor gesunde Menschen in der Mitte ihres aktiven Lebens. Glioblastome sind der am weitesten verbreitete Typ von Hirntumoren bei Erwachsenen mit einer Häufigkeit von fünf bis sieben Fällen pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Somit werden in Europa etwa 20.000 Patienten pro Jahr mit diesen Tumoren neu diagnostiziert. Glioblastome sind schnell wachsende bösartige Hirntumoren, bei denen in aller Regel noch keine Heilung möglich ist.

Vor Einführung der oben erwähnten neuen Therapie betrug die Lebenserwartung dieser Patienten im Durchschnitt ein Jahr. Die Ergebnisse der EORTC-Studien zeigen eine klare Verlängerung der Überlebenszeit. So leben nach zwei Jahren nur noch 10% der Patienten, die nur mit einer Strahlentherapie behandelt wurden, hingegen sind noch 26% der Patienten, die die Kombinationstherapie aus Strahlentherapie und Temozolomid erhalten haben, am Leben. Wenn die Patienten, die die Kombinationstherapie erhalten, nach molekularen Kriterien ausgewählt werden – die Forscher analysierten dabei ein Gen, das für Reparaturmechanismen der menschlichen DNA verantwortlich ist, das so genannte MGMT-Gen – so verlängert sich die Überlebenszeit noch einmal dramatisch. Von den Patienten, deren MGMT-Gen nicht aktiv ist, sind nach zwei Jahren noch 50% am Leben. Zusätzlich konnten die Studien zeigen, dass sich die neue Therapiekombination nicht negativ auf die Lebensqualität der Patienten auswirkt, was bei klinischen Studien eine wichtige Rolle spielt.

In der Studie wurden fast 600 Patienten innerhalb von weniger als 18 Monaten untersucht. Dieser schnelle Patienteneinschluss und die schnelle Auswertung der Studiendaten wären ohne gut etablierte Strukturen wie die EORTC und das NCIC nicht möglich. Kürzlich neu eingeführte europäische Arzneimittel-Richtlinien mit erhöhtem Dokumentationsaufwand, komplexen rechtlichen und Versicherungsproblemen und explodierenden Kosten gefährden die künftige Durchführung solcher Studien durch von Pharmaunternehmen unabhängige Institutionen. Andererseits zeigt das Beispiel der EORTC-Studien, dass Erfolge nur durch die Etablierung gut funktionierender internationaler Netzwerke und eine Integration von Grundlagenforschung in klinische Studien möglich sind.

Bei weltweit insgesamt über 80 teilnehmenden Studienzentren wurden in den beiden größten deutschen Zentren, Regensburg und Tübingen, insgesamt 41 Patienten in die Studie eingeschlossen. Dies stellt einen großen Erfolg für die deutsche Hirntumorforschung dar, die sich damit im internationalen Feld eindrucksvoll zu Wort meldet. Die beiden Zentren stellen in Deutschland die aktivsten Forschergruppen, die sich nachhaltig mit der grundlagenwissenschaftlichen und klinischen Erforschung von Hirntumoren beschäftigen. In Regensburg werden etwa 200 Patienten jährlich mit neu aufgetretenen Hirntumoren behandelt und unter anderem so innovative Ansätze wie die Antisense-Therapie entwickelt. „Ich gehe davon aus“, so Prof. Bogdahn, „dass durch diese und ähnliche Ansätze wie nun mit Temozolomid in einigen Jahren ein Großteil der betroffenen Patienten mit einer deutlich besseren Prognose rechnen kann. Ein Teil dieser Patienten wird sogar, so hoffe ich, geheilt werden können“.

In Regensburg wird die Therapiekombination aus der EORTC-Studie inzwischen bereits weiterentwickelt, um noch bessere Therapieergebnisse zu erreichen. So nimmt das Zentrum an einer soeben begonnen neuen Studie der EORTC teil, in der der beschriebenen Therapiekombination ein weiteres Medikament hinzugefügt wird, das die Blutgefäß-Neubildung in Hirntumoren hemmen soll. Außerdem führt es eine Reihe eigener Therapiestudien durch.

In den Studien der EORTC wurde ein grundlagenwissenschaftliches Forscherteam gebildet, das eine molekulare Veränderung in den Tumoren identifizierte, aufgrund derer man den Therapieerfolg besser voraussagen kann. Zukünftige Hirntumor-Studien der EORTC werden weiterhin versuchen, klinische und grundlagenwissenschaftliche Informationen zu integrieren, um die Erkenntnisse über molekulare Ursachen von Tumoren zu vertiefen, neue Therapieziele zu identifizieren und neue erfolgreiche Therapien zu entwickeln.
Ulrich Bogdahn und Peter Hau

Kontakt:
Prof. Dr. med. Ulrich Bogdahn
Lehrstuhl für Neurologie, Bezirksklinikum Regensburg
Tel. 0941 / 941 3000/3001

About The EORTC:

Created in 1962, the European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) is a private not for profit international cancer research organisation under the Belgian Law.

EORTC has the mission to develop, conduct, coordinate and stimulate laboratory and clinical research in Europe to improve the management of cancer and related problems by increasing survival but also patients’ quality of life. The ultimate goal of the EORTC is to improve the standard of cancer treatment in Europe, through the development of new drugs and other innovative approaches, and to test more effective therapeutic strategies, using drugs which are already commercially available, or surgery or radiotherapy. EORTC has the aim to facilitate the passage of experimental discoveries into state-of-the-art treatment by keeping to a minimum the time lapse between the discovery of new anti-cancer agents and the implementation of their therapeutic benefit for patients with cancer.
EORTC promotes multidisciplinary cancer research in Europe and is linked to other leading biomedical research organisations around the world. EORTC research takes place in over 300 hospitals, universities and cancer centers in 32 countries and the unique network of investigators of EORTC comprises more than 2000 clinicians collaborating on a voluntary basis in over 20 multidisciplinary groups.

Milestones of over 40 years of research at the EORTC

Major achievements and success stories of the EORTC benefiting patients and improving cancer therapy since 1962:

Dramatic improvement of 5 years survival rate for several types of cancer (e.g. testicular cancer in young men, Hodkin’s lymphoma in children and adults, acute leukemia, GIST-tumours (gastro-intestinal stromal tumors)
Use of high-precision radiation therapy (ie. 3 dimensional conformational radiotherapy techniques)
Organ preservation for breast and larynx cancer; less and non- mutilating surgery.
Innovative therapeutic strategies, targeted and specific agents against some cancer types.
High quality, international clinical research
Multidisciplinary and complex therapeutic strategies
Improvement of patients’ quality of life. Specific research leading to better tolerated treatments and improved supportive care.
Improvement of therapy for patients with severe and life-threatening infections. Development of outpatient treatment strategies.
Improved pain control management due to more targeted treatment approach
Continuous education and research leading to improved cancer care.

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