Perfekt sehen – dank Mikrolinsen nicht länger ein Traum


Spin-Off Unternehmen der Universität Mannheim ermöglicht Korrektur winziger Augenfehler / Denkbare Zukunftsanwendung: Die Kamera in der Scheckkarte

Das sprichwörtliche Adlerauge rückt bald für jedermann in greifbare Nähe. Möglich macht das der Einsatz von Mikrolinsen, die ein landesgefördertes Spin-Off Unternehmen der Universität Mannheim entwickelte. Sie erlauben es erstmals, auch kleinste Augenfehler zu vermessen und anschließend per Laserchirurgie zu korrigieren. Die Linsen kommen überall dort zum Einsatz, wo Licht auf engstem Raum verarbeitet wird – beispielsweise auch in Kopierern oder bei der Verbindung von Glasfaserkabeln.

In der Augenheilkunde wurden bislang lediglich globale Sehfehler wie Kurz- oder Weitsichtigkeit und Astigmatismus erkannt und behandelt. Kleinere lokal begrenzte Augenfehler, wie winzige Dellen und Verformungen der Augenhornhaut oder Augenlinse blieben dabei unberücksichtigt. Diese kleinen Abweichungen jedoch sind die wirkliche Hürde zu „perfektem Sehen“.

Das Mannheimer Unternehmen SMOS (Smart Microoptical Solutions) entwickelte Linsen mit einem Durchmesser von weniger als einem zehntel Millimeter. Aufgrund der speziellen Herstellungsmethode – Ionenaustausch im Glas – werden die Winzlinge in der Regel dicht an dicht nebeneinander auf ein gemeinsames Trägerglas gepackt.

Was haben solche Mikrolinsen mit perfektem Sehen zu tun? Zur Vermessung des Auges wird ein kleiner Lichtpunkt auf der Netzhaut erzeugt. Das von dort rückgestreute Licht durchläuft nun das gesamte optische System des Auges. Fehler der Augenlinse sowie der Hornhaut werden gleichzeitig bestimmt: Beim Durchlauf durch ein perfektes Auge sind die Strahlen „kollimiert“, dass heißt sie hätten alle die gleiche Richtung. Kleinste Augenfehler aber verändern lokal die einzelne Strahlrichtung. Diese kleinsten


Richtungsabweichungen des Lichts und damit die kleinsten Fehler des Auges werden gemessen indem jede Mikrolinse nur einen kleinen Bereich des Auges vermisst. Ist das Auge perfekt, werden die eingefangenen Strahlen von den symmetrisch angeordneten Linsen – dem Linsen-Array – zu einem typischen Raster an Brennpunkten fokussiert. Augenfehler dagegen führen dazu, dass der Brennpunkt der entsprechenden Mikrolinse aus dem Raster fällt. Das Prinzip dabei ist einfach: je stärker die Abweichung vom Grundraster der Brennpunkte, um so größer ist der Augenfehler an der Stelle, die die entsprechende Mikrolinse erfasst. Dieses Messverfahren haben die Mannheimer Jungunternehmer aus einem Bereich übernommen, in dem es ebenfalls um extreme Größenordnungen geht. Allerdings am anderen Ende der Skala: aus der Astronomie. Dort wird zwar in Lichtjahren statt in Millimetern gerechnet. Die Anforderungen an die Genauigkeit von Messverfahren aber sind – gerade aufgrund der extremen Größenordnungen – vergleichbar.

Die Mannheimer Mikrolinsen bieten aber noch einen zweiten Vorteil: Sie nutzen das Licht besonders effektiv. Die Strahlungsleistung und somit die Belastung der Augennetzhaut wird dadurch gering gehalten.

Mikrolinsen kommen überall dort zum Einsatz, wo optische Systeme und Messungen in den Millimeter-Bereich verkleinert werden müssen. Ähnlich dem Trend in der Mikroelektronik werden – zur Steigerung der Leistungsfähigkeit auf engstem Raum – optische Systeme immer weiter miniaturisiert. Auch die Prothetik, z.B. bei der Vermessung der Gebisstopografie, ist auf kleinste, aber leistungsstarke Mikrolinsen angewiesen.

Eingesetzt werden die Miniaturlinsen aber auch in Systemen der optischen Datenübertragung etwa für die Kopplung von Glasfasern oder im Bereich der sogenannten „flachen“ Optik. Hier werden statt einer großen Linse viele kleine Linsen nebeneinander eingesetzt und damit erheblich kürzere Abbildungsdistanzen erreicht. Original und Abbildung liegen damit viel näher beieinander. Die Bautiefe optischer Geräte läßt sich so erheblich verringern. In verschiedenen Typen von Scannern und Kopierern werden diese flachen optischen Systeme bereits heute eingesetzt: Die Originalvorlagen werden mit Mikrolinsen abgetastet und auf die lichtempfindliche Trommel übertragen. Die Kamera in der Scheckkarte gehört deshalb zu visionären aber denkbaren Zukunftsanwendungen.


Die leistungsfähigen Winzlinge können nicht mehr mit traditionellen Methoden wie etwa dem Beschleifen von Glasoberflächen realisiert werden. Dafür wendet das Mannheimer Unternehmen eine spezielle Technik an: Der Austausch von bestimmten Ionen in Glas. Bei hoher Temperatur werden Silberionen in das Glas eingebracht. Je nach Konzentration der Silberionen wird das Glas optisch verdichtet. In der Fachsprache heißt dies, daß dort der Brechungsindex erhöht wird. Diese Mikrolinsen befinden sich damit innerhalb des Glases und nicht mehr auf der Oberfläche. Mit Hilfe von Techniken aus der Chipherstellung kann der Herstellungsvorgang sehr präzise gesteuert werden. Mikrooptische Elemente, wie etwa Mikrolinsen, können so speziell auf ihre Anforderungen hin optimiert werden.

Trotz ihrer geringen Abmessungen sind die einzelnen Mikrolinsen in puncto Bildschärfe vergleichbar mit der Leistungsfähigkeit eines herkömmlichen Fotoobjektivs. Sie gehören damit zu den besten ihrer Klasse. Die Firma SMOS ist eine landesgeförderte Ausgründung aus dem Lehrstuhl für Optoelektronik der Universität Mannheim mit derzeit zwei Mitarbeitern. Neben Mikrolinsen entwickeln und fertigen sie auch mikrooptische Komponenten für High-End Anwendungen.

Wie die Vielfalt und Bedeutung der Einsatzmöglichkeiten von Mikrolinsen zeigen, sind es diese Entwicklungen im Kleinen, die in Zukunft mehr und mehr die Richtung des technischen Fortschrittes vorgeben werden. Das Wachstum ins Detail – in den Mikrokosmos – wird das „Größer, Schneller und Weiter“ des 20. Jahrhundert bald hinter sich lassen. Noch sind Fotoapparate im Scheckkartenformat Zukunftsmusik, aber sie lassen die enormen Möglichkeiten dieser Technik schon heute erahnen.


Weitere Informationen:

SMOS
Dr. Jochen Bähr
Tel. 0621/181 – 26 94 
jb@oe.ti.uni-mannheim.de

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Achim Fischer idw

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