Giftige Weichmacher in Medizinprodukten
In ganz Europa werden Krankenhauspatienten, darunter auch besonders empfindliche Neugeborene, unnötig den Gefahren des Weichmachers DEHP (Di-ethyl-hexyl-phthalat) ausgesetzt. Das ist das Ergebnis einer Studie, die der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zusammen mit der internationalen Gesundheitsorganisation Health Care without Harm (HCWH) vorgelegt hat. Der Schadstoff sei in medizinischen Produkten aus PVC wie Infusionsschläuchen und Blutbeuteln enthalten und könne den Hormonhaushalt und die Fortpflanzungsfähigkeit des Menschen schwer stören.
Gerhard Timm, BUND-Bundesgeschäftsführer: „Was in Lippenstiften, Shampoos und Babyrasseln verboten ist, gehört auch nicht in Infusionsschläuche für Frühgeborene. Besonders Schwangere und Kleinkinder müssen unverzüglich vor giftigen Weichmachern in medizinischen Geräten geschützt werden. Eine europäische Strategie zur Reduktion von DEHP-Weichmachern liegt seit Jahren in der Schublade, wird aber auf Druck der Chemieindustrie zurückgehalten. Die Bundesregierung soll sich dafür einsetzen, dass die EU- Richtlinie für medizinische Produkte geändert wird und giftige Weichmacher nicht mehr verwendet werden dürfen, wenn Alternativen vorhanden sind.“
Untersucht wurde der DEHP-Gehalt in 48 medizinischen Produkten, vor allem in Schläuchen und Beuteln für die Infusion von Sauerstoff, Blut, Nahrung und Medikamenten. Die Proben kamen meist aus Neugeborenen- und Kinder-Abteilungen von Kliniken in Deutschland, Frankreich, Österreich, Polen, Schweden, Spanien und der Tschechischen Republik. Mit einer Ausnahme enthielten alle der 40 getesteten Produkte aus PVC DEHP-Mengen von 17 bis 41 Prozent ihres Gewichts. Die Hälfte der Produkte stammt von Firmen mit Sitz in Deutschland, darunter B. Braun Melsungen, Dahlhausen, Fresenius und Galmed. Die Studie zeigt auch, dass einige Krankenhäuser in Österreich, Schweden, der Tschechischen Republik und den USA bereits begonnen haben, auf PVC-freie Produkte umzustellen.
DEHP ist bekannt für seine giftige Wirkung auf das Fortpflanzungssystem, vor allem beim männlichen Geschlecht. Es kann zu Veränderungen in den Hoden, verringerter Fruchtbarkeit und geringerer Spermienproduktion der Nachkommen führen. Auch Geburtsfehler und Fehlfunktionen in den Eierstöcken bei Mädchen wurden beobachtet. Neugeborene, Kinder vor der Pubertät und schwangere Frauen bilden die empfindlichste Patientengruppe. Tierversuche haben gezeigt, dass DEHP für sich entwickelnde Föten besonders schädlich ist.
Patricia Cameron, BUND-Chemieexpertin: „DEHP ist kein Einzelfall. Giftige Stoffe stecken in vielen Alltagsgegenständen, von der Regenjacke über Fastfood-Verpackungen bis zu Computergehäusen. Jedes Jahr werden Zehntausende von Chemikalien verarbeitet, über deren Gesundheits- und Umweltrisiken viel zu wenig bekannt ist. Selbst wenn sie sich nachweislich im Körper anreichern und Gesundheitsschäden verursachen, ist es schwer, sie zu verbieten. Die geplante Reform des europäischen Chemikalienrechts könnte das ändern, wenn die Politik sich nicht von der Wirtschaft einschüchtern ließe. Wir brauchen ausreichende Sicherheitsdaten über alle auf dem Markt befindlichen Chemikalien. Besonders gefährliche Stoffe müssen aus dem Verkehr gezogen und durch unbedenkliche ersetzt werden.“
Die englische Fassung der Studie wird heute von Heath Care Without Harm am Rande der 4. Ministerkonferenz für Umwelt und Gesundheit in Budapest vorgestellt.
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