"Was sich der Mensch nicht mehr nimmt, raubt sich das Feuer"
Mannheimer Feuerökologe untersucht mit Simulationsmodell die Entstehung und Folgen von Waldbränden im Mittelmeerraum. Hauptursache der Feuer ist Unachtsamkeit. Keine wissenschaftlichen Belege für Brandstiftung.
7000 Hektar Wald an der Costa Brava in Spanien, 12 000 Hektar Baumbestände und Olivenhaine auf den griechischen Inseln. Die diesjährige Bilanz der Wald- und Flächenbrände in Südeuropa ist bereits jetzt verheerend.
Wie kommt es zu dieser Häufung an Vegetationsfeuern im nördlichen Mittelmeerraum? Liegt es an der sommerlichen Hitzewelle oder sind die Probleme hausgemacht? Der Mannheimer Feuerökologe Dr. Christophe Neff geht davon aus, dass vor allem Veränderungen im Vegetationsbild für die zunehmende Häufigkeit an Bränden verantwortlich sind. „In großen Teilen des nördlichen Mittelmeerraumes findet in den letzten 50 bis 100 Jahren in grundlegender Landschaftswandel statt“, so der promovierte Geograph und Naturwissenschaftler. Durch Landflucht und die damit einhergehende Aufgabe traditioneller Landnutzungsformen kommt es nach Einschätzung des Wissenschaftlers zum Wandel in der Kulturlandschaft des nördlichen Mittelmeerraumes. Immer mehr Gebiete in Südfrankreich, Spanien, Portugal, Griechenland und Italien verbuschen und verwalden. „Dadurch nimmt die Biomasse zu und das Feuerrisiko steigt“, erklärt Neff.
„Dass die Feuer auf zündelnde Spekulanten zurückzuführen sind, wie dies in den Medien immer wieder behauptet wird, kann wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden“, versichert Neff. Achtzig Prozent der Feuer gehen auf Unachtsamkeit der Natur- und Waldnutzer zurück. Hitze und Trockenheit sind für das sommerliche Mittelmeerklima typisch und begünstigen die Brennbarkeit der in Bodennähe angesammelten Biomasse. In gebirgsnahen Gegenden kommen als natürliche Auslöser auch Stein- und Blitzschlag in Frage. Der Ökosystem-Forscher verweist darauf, dass diese Entwicklung vorhersehbar war. Der Wissenschaftler vom Geographischen Institut der Universität Mannheim beruft sich hierbei unter anderem auf die Erkenntnisse aus Computersimualationsexperimenten mit MEDGROW, die am Lehrstuhl für Physische Geographie und Länderkunde durchgeführt worden sind. Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Frankenberg – Rektor der Universität – ist Inhaber dieses Lehrstuhls und hat die Feuerökologie am Geographischen Institut als Forschungsgebiet etabliert.
Im Rahmen seiner Promotion erforschte Dr. Christophe Neff Veränderungsprozesse im südeuropäischen, mediterranen Kulturlandschaftsraum und hat dafür ein computergestütztes Simulationsmodell entwickelt. MEDGROW simuliert Wachstums- und sogenannte Perturbationsprozesse. Als Perturbationen bezeichnet man Formen der „ökologischen Ruhestörung“ wie sie zum Beispiel durch Holzeinschlag, Schädlingsfraß, Ackerbau und Feuer entstehen.
Mit dem Feuermodul von MEDGROW lässt sich nachvollziehen, wie Wälder durch Feuer zerstört werden und sich anschließend wieder regenerieren. In realitätsnahen Feuersimulationen kann so die Verfügbarkeit an brennbarer Biomasse – das sogenannte „fuel-loading“- und damit die Feuerintensität exakt bestimmt bzw. vorhergesagt werden. Mit MEDGROW können Tausende Hektar Land rund ums Mittelmeer den virtuellen Flammen geopfert werden, ohne dass die reale Landschaft Schaden nimmt. Der virtuelle Feuerfraß und andere mögliche Simulationsexperimente gewähren den Wissenschaftlern wertvolle Einblicke in die Zusammenhänge zwischen Klimafaktoren, Standortbedingungen, Vegetation und Störfaktoren. Der Landschaftswandel unterliegt bestimmten Gesetzmäßigkeiten, die im herkömmlichen naturwissenschaftlichen Experiment nur sehr schwer getestet werden können. Im Simulationsmodell können derartige Ökosystemanalysen ohne langjährige Freilandversuche durchgeführt werden.
Wie bedrohlich ist die Zunahme an Wald- und Buschbränden in Südeuropa? „Nicht jedes Feuer bedeutet gleich eine ökologische Katastrophe“, wehrt sich der Wissenschaftler gegen eine pauschale Bewertung von Bränden. „Unter ökologischen Gesichtspunkten sind bestimmte Vegetationsfeuer sogar wünschenswert“, stellt Neff klar. Im Mittelmeerraum bedrohe nicht etwa das Feuer die Artenvielfalt. Vielmehr gefährdeten Verbuschung und Verwaldung die Biodiversität.
Für die Naturparks der USA sieht dies jedoch ganz anders aus. Dort haben die verheerenden Brände gezeigt, dass der Mensch der Natur wieder mehr freie Hand lassen sollte, erklärt Neff. Regelmäßige, durch Blitzschlag ausgelöste Waldbrände sind dort Teil eines intakten natürlichen Ökosystems. Sie dünnen das trockene Unterholz aus und rauben einem potentiellen Großfeuer einen Großteil der Nahrung. Diese natürlichen Feuer wurden in den vergangenen Jahren regelmäßig im Keim erstickt. So sammelt sich mit dem Tot- und Unterholz enorme Mengen an feuergefährlicher Biomasse an. „Und brennt der Wald dann, brennt er richtig“, so Neffs Einschätzung.
In den mediterranen Kulturlandschaftsräumen fehle dagegen die pflegende Hand des Menschen. Die Kulturlandschaften Südeuropas hat der Mensch durch Rodung, Beweidung und Ackerbau geschaffen. Heute bestimmen in vielen peripheren und gebirgsnahen Gebieten aussterbende Dörfer, überwucherte Olivenhaine und verbuschte Korkeichenwälder das Landschaftsbild. Was sich der Mensch und sein Vieh nicht mehr
genommen hat, raubt sich nun die Natur. Neff: „Das Feuer war vor dem Menschen und es wird nach ihm sein“. Es endgültig zu verbannen, hält der Mannheimer Geograph für eine Illusion.
Andrea Weber
Kontakt:
Dr. Christophe Neff ist Wissenschaftlicher Assistent
am Lehrstuhl Physische Geographie und Länderkunde
Tel.: 0621 / 181 – 1968
e-mai: neff@rumms.uni-mannheim.de
Die Studie von Christophe Neff: „MEDGROW – Vegetationsdynamik und Kulturlandschaftswandel im Mittelmeerraum“ erscheint als Band 52 in der Reihe Mannheimer Geographische Arbeiten und ist zu beziehen bei Dr. Sebastian Lentz im Geographischen Institut der Universität Mannheim (Tel: 0621 / 181 – 1959)
http://www.geographie.uni-mannheim.de bzw. slentz@rumms.uni-annheim.de
Im regulären Buchhandel:
Christophe Neff: „MEDGROW – Vegetationsdynamik und Kulturlandschaftswandel im Mittelmeerraum“ (Mannheimer Geographische Arbeiten; 52) ISBN 3 – 923750 – 80- 3
Weitere Informationen finden Sie im WWW:
Media Contact
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