Kaltwasserkorallen – bedrohte Juwelen der Tiefe
Erst vor wenigen Jahren sind die Kaltwasserkorallen in den Blickpunkt der Wissenschaft geraten, denn ihr Lebensraum in der Tiefe ist nur durch aufwendige Technik wie Tauchboote und ferngesteuerte Roboter erschließbar. Forscher, die zum Meeresboden tauchten, staunten über ausgedehnte Korallenriffe in kalten Gewässern. Wie ihre tropischen Verwandten bilden auch die Kaltwasserkorallen eindrucksvolle Riffe, die sich kilometerweit erstrecken. Die Meeresbiologen Prof. Ulf Riebesell und Armin Form vom IFM-GEOMAR sind mit dem Forschungstauchboot JAGO im März dieses Jahres vor der Küste Norwegens getaucht, um Exemplare für die Forschung in Kiel zu sammeln.
Diese besonderen Ökosysteme sind bereits seit Jahren durch Schleppnetzfischerei, Kabel und Öl-Pipelines gefährdet. Seit kurzem schlagen Forscher Alarm, denn die Kalk bildenden Organismen sind auch durch die zunehmende Versauerung der Ozeane bedroht. Durch fortschreitende Kohlendioxid-Emissionen wird das Meerwasser zunehmend saurer und die Bildung der Kalkskelette vieler Lebewesen im Meer, darunter auch die der Korallen, stark beeinträchtigt. In weiten Gebieten des Ozeans werden sie sich sogar ganz auflösen. Da die Riffe als Lebensraum für unzählige Arten dienen, sind nicht nur die Korallen selbst betroffen, sondern mit ihnen auch eines der artenreichsten Ökosysteme der Tiefsee. Mit jeder weiteren Expedition wird den Forschern deutlich, dass die betroffenen Regionen sehr groß sind. Vor der Westküste Europas befindet sich beispielsweise ein über 4500 km langer „Gürtel“ von Lophelia-Riffen. Diese Riffsequenz beginnt vor Westafrika im Süden und erstreckt sich bis nach Nordnorwegen.
Nach Studien in ihrem natürlichen Lebensraum beschreiten die Kieler Meeresforscher nun neue Wege, indem sie weltweit erstmalig Kaltwasserkorallen in speziell dafür entwickelten Aquariensystemen experimentell untersuchen. Hier liegt eine Stärke der Kieler Wissenschaftler, die über langjährige Erfahrung in der Haltung von sensiblen Lebewesen aus dem Meer verfügen. Dr. Uwe Waller, wissenschaftlicher Leiter des Aquariums, zu der neuen Herausforderung: „Ein abgetrennter Wasserkreislauf mit entsprechend kälteren Temperaturen sowie die Haltung unter besonderen Licht- und Nährstoffverhältnissen zeigten sehr gute Ergebnisse in den Experimenten. Das ermutigte uns, die Kaltwasserkorallen auch den Besuchern unseres Aquariums zu präsentieren.“ Mit der einmaligen Ausstellung wollen die Kieler Meeresforscher die Problematik der Ozeanversauerung und deren Erforschung durch Wissenschaftler des IFM-GEOMAR der Öffentlichkeit nahe bringen.
Ansprechpartner:
Dr. Uwe Waller (Aquariumhaltung) – Tel. 0431/ 600 1630
Prof. Ulf Riebesell (Ozeanversauerung) – Tel. 0431/600 4581
Armin Form (Projekt Korallenforschung) – Tel. 0431/ 600 4510
Mona Botros (Öffentlichkeitsarbeit) – Tel. 0431/ 600 2807,
mbotros@ifm-geomar.de
Fakten zu Lophelia pertusa
Die Koralle verfügt über keine symbiontischen Algen (Zooxanthellen) und ist daher nicht auf Licht angewiesen. Sie ernährt sich rein heterotroph (d.h. ausschließlich durch Filtration) und hat daher sehr große Polypen mit vielen Tentakeln. Diese sind mit bloßem Auge sichtbar. Tiefenzone: 39 m bis 3383 m. Zum Vergleich: tropische Verwandte leben zwischen 0 und 100 m Tiefe. Temperaturbereich: 4 – 12 °C. Die tropischen Korallen leben in 20 – 29 °C. Relativ langsames Wachstum: ca. 10 mm/Jahr, folglich sind Korallenriffe meist viele tausend Jahre alt. Die tropischen Verwandten wachsen deutlich schneller, nämlich bis zu 150 mm/Jahr. Verbreitung von Kaltwasserkorallen: weltweit außer an den Polen. Die tropischen Korallen sind zwischen den Breitengraden 30 °N und 30 °S zu finden. Größter Riffkomplex: Røst-Riff, Norwegen: ca. 100 km2
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