Hannover Messe 2002: "Plug & Plate" – Mobile Beschichtung vor Ort

Eine transportfähige Anlagentechnik ermöglicht die homogene, wirtschaftliche und kontaminationsfreie Beschichtung von Bauteilen im Einbauzustand. Umfangsreiches Prozesswissen und ein ausgeklügeltes Elektrolytsystem sorgen für einen minimalen
Chemieeinsatz und geringe Abwasserkosten. (Hannover Messe, Halle 27 B 14)

Galvanische Schichten schützen große Funktionsflächen in Maschinen gegen Verschleiß und Korrosion. Die derzeit vom Markt angebotenen Verfahren benützen die in der Galvanotechnik am meisten verbreiteten Tauchverfahren und eignen sich nicht für eine „Vor-Ort-Beschichtung“, wie sie für Reparatur- oder fertigungsintegrierte Beschichtungen benötigt wird. „Anlagenbetreiber erwarten von einer Vor-Ort-Beschichtung, dass die abgeschiedene Schicht maßgenau mit hoher Abscheidegeschwindigkeit, ortsunabhängig, wirtschaftlich und bei Bedarf im montierten Zustand des Bauteils aufgebracht werden kann“, erklärt Nikolaus Zell vom Fraunhofer IPA. Qualitativ müssen diese Schichten auch mit solchen vergleichbar sein, die im Tauchverfahren aufgebracht werden. Für dieses Anforderungsprofil haben Zell und sein Team am Fraunhofer IPA ein neues Anlagenkonzept entwickelt und umgesetzt. Die mobile Anlage kommt ohne Badbehälter aus und beschichtet die Teile im eingebauten Zustand.

Die mobile Beschichtungsanlage ist aus einer Medienstation und einem tropffrei arbeitenden Werkzeug aufgebaut und muss am Einsatzort nur zusammengesteckt werden („plug and plate“-Galvanik). Die Medienstation mit der Grundfläche einer Europalette besteht aus modularen, transportablen Einheiten. So kann sie leicht an verschiedene Betriebsumgebungen, Beschichtungsaufgaben und -prozesse angepasst werden. An Infrastruktur am Einsatzort benötigt die mobile Anlage nur Drehstrom, Wasser und Druckluft. Das Beschichtungswerkzeug, das mit der zu beschichtenden Bauteiloberfläche in Kontakt steht, transportiert die Prozessmedien und den Strom zur Bauteiloberfläche. Darüber hinaus nimmt es die verbrauchten Prozessmedien von der Oberfläche wieder auf und leitet sie zur Medienstation zurück, ohne dabei andere Maschinenbestandteile zu verschmutzen. Zwischen dem Beschichtungswerkzeug und der Medienstation gibt es nur vier Anschlüsse: Gleichstrom, Druckluft, Prozessmedienvor- und Prozessmedienrücklauf.

„Dies gewährleistet eine hohe Flexibilität während des Betriebs der Beschichtungsanlage“, sagt Zell. Ohne die Medienstation zu versetzen, kann so beispielsweise das Beschichtungswerkzeug an mehreren benachbarten Positionen eingesetzt werden. „Um den spezifischen Anforderungen der Maschine und des zu beschichtenden Bauteils gerecht zu werden, passen wir nicht nur das Werkzeug für jeden Einsatzfall an die jeweiligen Prozess- und Anwendungsbesonderheiten an“, erklärt der Ingenieur. „Im Bedarfsfall entwickeln wir es auch neu“, ergänzt er. So haben die Stuttgarter Beschichtungsexperten bereits Bauteile in einer Breite von über einem Meter und mit einem Durchmesser von rund einem halben Meter erfolgreich mit Zink überzogen. Der vollständige Prozess umfasst die Prozessschritte Entmetallisieren, Entfetten, Aktivieren und Beschichten mit den dazugehörigen Spülschritten. Die entsprechenden Prozessmedien werden in der Medienstation bevorratet und aufbereitet. Sie enthält auch alle notwendigen Pumpen, das Verteilersystem für die Prozessmedien, den Gleichrichter und die Steuereinheit.

Zur Sicherheit des Betriebspersonals und der Qualität des Prozesses werden alle wichtigen Komponenten der mobilen Beschichtungsanlage ständig überwacht. Ein System von Statuskontrollen und internen Verriegelungen gewährleistet zu jedem Betriebszeitpunkt einen sicheren Prozesszustand. Ein schematisches Verfahrensfließbild stellt den Beschichtungsprozess graphisch dar. Aus ihm kann der Anlagenbediener den jeweiligen Betriebszustand leicht ablesen und bei Bedarf schnell und zielgerichtet in den Prozess eingreifen. Wichtige Prozessdaten dokumentiert das System automatisch. Bei dem eingesetzten Steuersystem handelt es sich um eine kommerzielle Soft-SPS mit graphischer Benutzeroberfläche, das die Wissenschaftler des Fraunhofer IPA auf die Anforderungen einer mobilen Beschichtungsanlage zugeschnitten haben. Eigens entwickelt wird die Prozesschemie: spezifisch für jede Beschichtungsaufgabe mit sehr hoher Abscheidegeschwindigkeit und homogener Schichtqualität. „Wir legen dabei besonderen Wert auf eine einfache Prozessregelung und -steuerung“, sagt Nikolaus Zell. Das gesamte System ist sehr flexibel und kann an Hardware- oder Prozessänderungen leicht angepasst werden.


Ihre Ansprechpartner für weitere Informationen:
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung
Dipl.-Ing. Nikolaus Zell, Telefon: 0711/970-1607, Telefax: 0711/970-1004, E-Mail: nab@ipa.fhg.de
Dipl.-Ing. Thomas Bolch, Telefon: 0711/970-1758, Telefax: 0711/970-1004, E-Mail: tb@ipa.fhg.de

Media Contact

Dipl.-Ing. Michaela Neuner idw

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