Kult oder Bestattung? Kopfüber vergrabenes Skelett gefunden

Alles andere als routinemäßig ist eine Ausgrabung unter der Regie des Lehrstuhls für Vor- und Frühgeschichte der Uni Würzburg verlaufen: In der Kreisgrabenanlage von Ippesheim (Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim) kamen die Überreste eines Menschen zutage, der vor ungefähr 6.700 Jahren kopfüber eingegraben wurde.

„Wir haben den Schädel und die Hände gefunden. Der Rest des Skeletts ist durch die Jahrhunderte lange Beackerung und die damit verbundene Erosion verloren gegangen“, so Prof. Dr. Wolfram Schier, der die Grabung mit seiner Assistentin Dr. Gabriele Albers und 18 Studierenden durchgeführt hat.

Ein Mensch, der in grauer Vorzeit mit dem Kopf nach unten in eine enge Grube gesteckt wurde – das regt die Phantasie doch ungemein an: Wurde der Mann – oder die Frau – auf diese Weise einfach nur bestattet? Oder handelte es sich um ein kultisches Opfer? Wurde der Mensch vielleicht sogar bei lebendigem Leibe vergraben?

Professor Schier bremst alle vorschnellen Spekulationen: „Sicher ist bislang nur, dass dieser Mensch etwa 4600 oder 4700 Jahre vor Christi Geburt eingegraben wurde. Das können wir schon jetzt so genau sagen, weil bei dem Skelett ein Tongefäß lag, das sich zeitlich einordnen lässt.“ Auffällig sei allerdings, dass sich das Skelett genau in der Mitte der Kreisgrabenanlage befand – das könnte man als Hinweis auf eine Kulthandlung deuten.

Die Kreisgrabenanlage von Ippesheim, an der die Würzburger Vor- und Frühgeschichtler seit einigen Jahren arbeiten, datiert auf die Zeit um 4800 vor Christus und hat einen Durchmesser von 65 Metern. Weitere Anlagen dieser Art existieren im Südosten Mitteleuropas, die Ippesheimer ist die am weitesten westlich gelegene.

Die Kreisgrabenanlagen bestanden aus bis zu drei konzentrisch angeordneten kreisförmigen Gräben mit jeweils nach Norden, Osten, Süden und Westen ausgerichteten Erdbrücken. Bei manchen dieser Anlagen, so auch bei der Ippesheimer, waren zusätzlich zu den Gräben Palisaden aus senkrecht stehenden Holzpfosten errichtet.

„Bis heute ist unklar, ob es sich um Kult- oder Verteidigungsanlagen handelte“, sagt Schier. Vielleicht bringt hier ja das Skelett von Ippesheim neue Erkenntnisse: Es wurde nach seiner Bergung ins Nürnberger Landesamt für Denkmalpflege gebracht. Nun soll ein Anthropologe eingeschaltet werden. Dieser Spezialist kann laut Prof. Schier zum Beispiel klären, ob der Mensch bereits tot war, als er in die Grube gelegt wurde. Die Untersuchungen werden mehrere Wochen dauern.

Weitere Informationen: Prof. Dr. Wolfram Schier, T (0931) 31-2800, Fax (0931) 888-7051, E-Mail: 
wolfram.schier@mail.uni-wuerzburg.de

Media Contact

Robert Emmerich idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Spitzenforschung in der Bioprozesstechnik

Das IMC Krems University of Applied Sciences (IMC Krems) hat sich im Bereich Bioprocess Engineering (Bioprozess- oder Prozesstechnik) als Institution mit herausragender Expertise im Bereich Fermentationstechnologie etabliert. Unter der Leitung…

Datensammler am Meeresgrund

Neuer Messknoten vor Boknis Eck wurde heute installiert. In der Eckernförder Bucht, knapp zwei Kilometer vor der Küste, befindet sich eine der ältesten marinen Zeitserienstationen weltweit: Boknis Eck. Seit 1957…

Rotorblätter für Mega-Windkraftanlagen optimiert

Ein internationales Forschungsteam an der Fachhochschule (FH) Kiel hat die aerodynamischen Profile von Rotorblättern von Mega-Windkraftanlagen optimiert. Hierfür analysierte das Team den Übergangsbereich von Rotorblättern direkt an der Rotornabe, der…