Anzeichen für biologische Globalisierung
Kölner Institut untersucht neue Pflanzenarten im Rheinland
Pflanzenarten, die in den letzten 500 Jahren neu eingewandert sind, sogenannte Neophyten, stoßen in der Fachwissenschaft, aber auch in der Biologiedidaktik und in der Öffentlichkeit auf zunehmendes Interesse. Durch Printmedien, Rundfunk und Fernsehen bekannt wurde das spektakuläre Beispiele der Herkulesstaude aus dem Kaukasus. Die imposante Pflanze ist in Deutschland schon weit verbreitet und kann unter bestimmten Umständen Hautverbrennungen hervorrufen. Aber wissenschaftlich besonders interessant sind gerade die Arten, die selbst Botanikern noch kaum bekannt sind und deren Ausbreitung möglicherweise bevorsteht. Interessante Arten sind auch in Köln aufgetaucht – diese neuesten Neulinge werden im einem von Professor Dr. Klaus Adolphi geleiteten Projekt am Institut für Biologie und ihre Didaktik der Universität zu Köln untersucht.
Schon früh im Jahr, lange bevor botanische Geländeuntersuchungen üblicherweise beginnen, kann ein Fall besonders rasanter Ausbreitung registriert werden: der Elfen-Krokus hat, ausgehend von Anpflanzungen, innerhalb weniger Jahre aus eigener Kraft zahlreiche Zierrasen erobert. Die Art, die den wissenschaftlichen Namen Crocus tommasinianus trägt und aus Südosteuropa stammt, wurde bei herkömmlichen botanischen Erhebungsprogrammen bislang nicht erfasst.
Keine Gefahr durch „Neukölner“ Elfenkrokus
Denn einerseits endet ihre Blütezeit in vielen Jahren bereits im Februar, und die danach bis April noch vorhandenen Blätter sind zwischen Gras sehr schwer zu finden. Andererseits notieren viele Botaniker solche Zierpflanzen nicht, da sie irrtümlich alle Vorkommen für angepflanzt halten. Außerdem sind solche neuesten Neulinge nicht in den einschlägigen Büchern verzeichnet, so dass ihre exakte Bestimmung besondere Schwierigkeiten bereitet. Die Untersuchungen von Professor Adolphi und seinem Mitarbeiter Dr. Gerwin Kasperek zeigen nun, dass der Elfen-Krokus in Kölner Grünflächen vollkommen eingebürgert ist – das heißt, er würde auch bei einem hypothetischen Aufhören von Anpflanzung und gezielter Pflege nicht wieder verschwinden, sondern sich als „Neubürger“ aus eigener Kraft bei uns halten. In der „Flora“, dem Botanischen Garten Kölns, müsste er wegen seiner starken Ausbreitung fast schon als „Unkraut“ bezeichnet werden. Diese Art stellt jedoch in ökologischer Hinsicht keinerlei Gefahr dar. Wichtig für solche Untersuchungen an „Kulturflüchtlingen“ ist neben der gründlichen Kenntnis der Pflanzenarten eine sorgfältige Unterscheidung von kultivierten und wildwachsenden Vorkommen. Denn nur die wildwachsenden, nicht auf direkte Hilfe des Menschen angewiesenen Pflanzenarten können eine größere ökologische Bedeutung erlangen, und eventuell zu einem Problem für den Menschen oder die Natur werden. Zwar ist bei Arten wie dem Elfen-Krokus nicht jedes gefundene Exemplar hinsichtlich seines Status sicher einzustufen – aber aufmerksamen Beobachtern erschließen sich doch genügend Fälle, in denen klar wird, ob es sich um „Wildvorkommen“ handelt oder nicht. Recht einfach ist die Beurteilung zum Beispiel beim Kölner Vorkommen des ostasiatischen Zierapfels Malus toringo, der in den Fugen von Ufermauern des Rheins gefunden wurde – hier ist eine bewusste Anpflanzung ausgeschlossen, vielmehr wird solcher Bewuchs regelmäßig bekämpft, da seine Wurzeln das Mauerwerk zu zerstören drohen. Leicht nachvollziehbar ist die Herkunft neuer Pflanzenarten auch dann, wenn sie in der Nähe von Blumentöpfen oder Pflanzkübeln, in denen sie kultiviert wurden, spontan Pflasterritzen besiedeln. Jüngste Beispiele aus dem Kölner Stadtgebiet sind Bacopa (Sutera cordata, Erstentdecker Professor Dr.. Horst Bannwarth) und Commeline (Commelina communis). Ob für die genannten Arten der Mauerritzen und Pflasterfugen der steinige Weg ebenfalls zu einer dauerhaften Einbürgerung führt, das soll das Kölner Projekt Neophyten klären.
Kurioses aus den Tropen
Die meisten im Rheinland neuen Pflanzenarten stammen aus klimatisch ähnlichen Gebieten in Ostasien und Nordamerika. Aber es gibt auch Überraschungen aus tropischen Gegenden: in Köln wurde bereits an zwei Stellen unter freiem Himmel die in Südamerika beheimatete Rio-Tradescantie (Tradescantia fluminensis) wildwachsend aufgefunden. In anderen Erdteilen wird diese Art bereits als Problemunkraut betrachtet. Ein weiteres aktuelles Phänomen in vielen Teilen des Rheinlandes ist die auffällige Ausbreitung immergrüner Gehölze. Auch diese Arten sind meistens aus der Kultur in Gärten und Parks entwichen, nachdem sie durch den Menschen aus anderen Teilen der Erde importiert worden waren. Daß gerade Arten aus klimatisch wärmeren Gebieten Tendenzen zur Ausbreitung zeigen, fiel auch in anderen Teilen Deutschlands bereits auf. In Fachkreisen wird seit einigen Jahren kontrovers diskutiert, inwiefern diese Phänomene mit einer Klimaänderung in Zusammenhang stehen. Die gründliche Erfassung der neuen Pflanzenarten im Rheinland, die mit dem Projekt „Neophyten“ am Institut für Biologie und ihre Didaktik angelaufen ist, wird sicher weitere Überraschungen im Zuge dieser „biologischen Globalisierung“ bieten. Das Projekt leistet weiterhin Beiträge zu der aktuellen Diskussion, ob die Neueinwanderer eine Gefahr für die heimische Natur darstellen – denn nur umfassende Untersuchungen draußen in der Natur, und gerade in der städtischen Natur erbringen fundierte Kenntnisse über die Kulturflüchtlinge, über zugrunde liegende Prozesse und deren Folgen.
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