Molekül-Sonde für eine präzise Krebsdiagnostik
Im Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD) wurde eine solche Molekül-Sonde auf der Basis einer Aminosäure entwickelt. Jüngste Ergebnisse, die in der Fachzeitschrift „The Journal of Nuclear Medicine“ veröffentlicht wurden, zeigen, dass diese Sonde für die Erkennung einiger Tumore besser geeignet ist als die üblicherweise verwendeten Zuckermoleküle.
Moderne Tumorforschung will die Ursachen und Zusammenhänge von Krebserkrankungen auf der Ebene von Molekülen und Zellen verstehen, um neue und bessere Ansatzpunkte für die Therapie der Volkskrankheit Krebs zu finden. Im Forschungszentrum Dresden-Rossendorf wird hierfür die Methode der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) eingesetzt, da diese exzellent dafür geeignet ist, biochemische Prozesse in krankem Gewebe im lebenden Körper sichtbar zu machen.
Heute wird bei den meisten PET-Untersuchungen ein radioaktiv markierter Zucker verabreicht. Der Einsatz dieses Zuckers findet bei den Tumoren seine Grenzen, die wenig oder keinen Zucker verbrauchen. Zudem spielt Zucker auch bei entzündlichen Prozessen eine Rolle, sodass sich der Arzt für die genaue Diagnose – Entzündung oder Tumor? – oft nicht allein auf den PET-Zucker verlassen kann.
Tumorzellen benötigen zum Wachsen viele essentielle Aminosäuren. Hierauf baut das Institut für Radiopharmazie im FZD bei der Entwicklung neuer Molekül-Sonden. Solch ein im Institut erforschtes und mittlerweile erhältliches radioaktives Arzneimittel befindet sich für Hirntumore schon heute im Einsatz. Es handelt sich um eine mit radioaktivem Fluor markierte Aminosäure (18F-OMFD), die sehr spezifisch an die Oberfläche von Zellen bestimmter Hirntumore andockt und sie mit Hilfe der PET-Methode sichtbar macht. Neue Untersuchungen an Tumorzellkulturen (in vitro) und erste Versuche am Tumormausmodel (in vivo) zeigten, dass die radioaktive Sonde des FZD auch für die Bildgebung eines weiteren Tumortyps geeignet ist. Es handelt sich hierbei um ein Plattenepithelkarzinom aus der Kopf-Hals-Region. Diese Tumorzellen nehmen im Experiment viel mehr von der Molekül-Sonde auf als andere Zellen, weshalb sie als mögliche neue Diagnosesubstanz für diesen Tumortyp geeignet scheint.
Die Biologin Dr. Cathleen Haase setzte die Substanz zudem für eine tumorbiologische Fragestellung ein. Sie interessierte sich dafür, wie genau Aminosäuren zu Krebszellen transportiert werden. Dafür untersuchte sie ein bestimmtes System, das so genannte L-Aminosäure-Transportsystem (LAT). Im Ergebnis ihrer molekularbiologischen Untersuchungen konnte sie zeigen, dass L-Aminosäure-Transporter an der Oberfläche von Krebszellen häufiger verankert sind als andere Aminosäure-Transporter. Ihre Experimente belegen ganz konkret, dass die Aminosäure-Transporter LAT-1 und LAT-4 für das Wachstum verschiedenster Tumore von besonderer Wichtigkeit sind und, darüber hinaus, dass die Rossendorfer Molekülsonde in den Tumorzellen über genau diese Transporter aufgenommen wird. Da man die Sonde anschließend von außen mit Hilfe der PET-Methode sichtbar machen kann, ist sie sehr gut dafür geeignet, die Rolle von Aminosäuren und ihren Transportsystemen für das Wachstum von Tumoren im lebenden Körper zu erforschen.
Dr. Cathleen Haase kommentiert: „Die Zellen des humanen Plattenepithelkarzinoms aus dem Kopf-Hals-Bereich sind schwach differenziert – im Gegensatz zu einem zweiten Tumortyp, den wir untersucht haben. Dieser Tumortyp, ein Adenokarzinom, wächst immer aus Drüsengewebe und ist deshalb stark differenziert. Allerdings haben wir hier noch Forschungsarbeit zu leisten. Da der Tumor der Kopf-Hals-Region sehr aggressiv ist, hoffen wir, dass wir mit unserer Sonde zur sicheren und frühzeitigen Diagnose beitragen können. Die Substanz hilft uns zugleich dabei, den Grundmechanismus von Krebszellen auf molekularer Ebene noch besser zu verstehen. Letztendlich ist es unser Ziel, für jeden Tumortyp eine spezifische Molekülsonde zu entwickeln“.
Kurz-Information zu Aminosäuren:
Aminosäuren sind für eine Vielzahl von Stoffwechselprozessen im menschlichen Körper unverzichtbar. Es handelt sich um eine Gruppe kleiner organischer Verbindungen mit mindestens einer Carboxylgruppe (-COOH) und mindestens einer Aminogruppe (-NH2). Eine Untergruppe, die proteinogenen Aminosäuren, bilden die Bausteine für Eiweißstoffe von Lebewesen. Von diesen biologisch wichtigen Aminosäuren sind 21 bekannt. Ein Teil der Aminosäuren muss vom Menschen mit der Nahrung aufgenommen werden – diese werden essentielle Aminosäuren genannt.
Hinter der Kurzbezeichnung 18F-OMFD verbirgt sich ein mit radioaktivem Fluor markiertes Phenylalanin-Aminosäure-Derivat.
Veröffentlichung:
Haase, C., Bergmann, R., Fuechtner, F., Hoepping, A.*, Pietzsch, J.:“L-Type Amino Acid Transporters LAT1 and LAT4 in Cancer: Uptake of 3-O-Methyl-6-18F-Fluoro-L-Dopa in Human Adenocarcinoma and Squamous Cell Carcinoma In Vitro and In Vivo“, in: The Journal of Nuclear Medicine, Vol. 48 (12), 2063-71 (2007).
* ABX Advanced Biochemical Compounds GmbH, Radeberg.
Weitere Informationen:
PD Dr. Jens Pietzsch / Dr. Cathleen Haase
Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD)
Institut für Radiopharmazie
Tel.: 0351 260 – 2622 / 2859
Email: j.pietzsch@fzd.de / c.haase@fzd.de
Pressekontakt:
Dr. Christine Bohnet
Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Bautzner Landstr. 128, 01328 Dresden
Tel.: 0351 260 – 2450 oder 0160 969 288 56
Email : c.bohnet@fzd.de
Information:
Das FZD leistet wesentliche Beiträge in der Grundlagen- und anwendungsorientierten Forschung auf folgenden Gebieten:
o Wie verhält sich Materie unter dem Einfluss hoher Felder und in winzigen Dimensionen?
o Wie können Tumorerkrankungen frühzeitig erkannt und wirksam behandelt werden?
o Wie schützt man Mensch und Umwelt vor technischen Risiken?
Das FZD engagiert sich für die Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse im Hinblick auf die zukünftige Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft. Es betreibt zu diesem Zweck 6 größere Forschungsanlagen, die auch externen Nutzern zur Verfügung stehen.
Das FZD ist mit ca. 700 Mitarbeitern das größte Institut der Leibniz-Gemeinschaft http://www.wgl.de und verfügt über ein jährliches Budget von rund 57 Mill. Euro (Stand: 12/2006). Hinzu kommen etwa 10 Mill. Euro aus nationalen und europäischen Förderprojekten sowie aus Verträgen mit der Industrie. Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören 83 außeruniversitäre Forschungsinstitute und Serviceeinrichtungen für die Forschung. Leibniz-Institute arbeiten interdisziplinär und verbinden Grundlagenforschung mit Anwendungsnähe. Jedes Leibniz-Institut hat eine Aufgabe von gesamtstaatlicher Bedeutung, weshalb sie von Bund und Ländern gemeinsam gefördert werden. Die Leibniz-Institute verfügen über ein Gesamtbudget von gut 1 Milliarde Euro und beschäftigen mehr als 13.000 Mitarbeiter.
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