Die ersten Cowboys kamen aus Afrika

ILRI, Rind 2: Dave Elsworth

Internationale Agrarforscher zeichnen in Zusammenarbeit mit Archäologen und anderen Wissenschaftlern ein neues Bild von der frühen Kulturgeschichte Afrikas. Die Erkenntnisse geben der Ernährungssicherung auf dem Kontinent neue Impulse.

Einem Rätsel, das Kulturhistoriker und Archäologen schon lange beschäftigt, sind internationale Agrarforscher kürzlich auf die Spur gekommen. Wie das amerikanische Magazin „Science“ in seiner jüngsten Ausgabe berichtet, ist es einem Forscherteam am International Livestock Research Institute (ILRI) im kenianischen Nairobi nach siebenjähriger Arbeit gelungen, die Abstammungslinien traditioneller afrikanischer Rinderrassen zu bestimmen. Danach sind die Rinder auf dem Kontinent lokal domestiziert worden – lange, bevor die heute verbreiteten Rinderrassen aus Asien und dem Nahen Osten nach Afrika gelangten. Den jetzt veröffentlichten Erkenntnissen zufolge, an denen auch eine Reihe nationaler afrikanischer Forschungseinrichtungen mitarbeiteten, entwickelten sich die Vorläufer dieser Rinder (Bos taurus) parallel zu neuen Wirtschaftsweisen der örtlichen Bevölkerung vor ca. 7.000 bis 9.000 Jahren. Mit Hilfe von DNA-Analysen haben die Forscher nun ausreichend Belege dafür gefunden, dass die Domestikation der Tiere im Grenzgebiet zwischen dem heutigen Ägypten und dem Sudan erfolgte. Anders als in anderen sogenannten Domestikationszentren entwickelte sich die Viehhaltung in Afrika unabhängig vom Ackerbau. Noch heute leben Gesellschaften wie die Massai zu annähernd 100 Prozent von der Rinderhaltung.

Die Forschungsergebnisse widerlegen die lange geglaubte Auffassung, wonach die frühesten Rinderpopulationen in Afrika aus dem Nahen Osten eingeführt wurden. „Die afrikanischen Rinderrassen sind eindeutig lokalen Ursprungs“, so Olivier Hanotte vom ILRI, der gemeinsam mit dem ILRI-Mitarbeiter J. Edward O. Rege die Leitung bei diesem Forschungsprojekt hat. Ihre Gene weisen spürbar andere und vielseitigere Merkmale auf, als man sie von den später importierten Rinderrassen her kennt. Sie haben sich über Jahrtausende hinweg an die klimatischen Bedingungen der afrikanischen Savannen anpassen können. Die Forschungen von Hanotte und seinen Kollegen zeigen auch, dass die größte genetische Variation bei Rinderpopulationen im heutigen Äthiopien liegt.

Das neue Bild vom Ursprung afrikanischer Rinderrassen verschiebt nicht nur die Koordinaten der Archäologen. Viehhaltung spielt in der Ernährungssicherung und der ländlichen Wirtschaft in Afrika eine große Rolle, die angesichts weiter steigender

Bevölkerungszahlen in Zukunft noch zunehmen wird. Die neuen Erkenntnisse lassen die Hoffnungen der Agrarforscher am ILRI keimen. Denn die einheimischen Rinderrassen sind aufgrund ihrer idealen Anpassung an die afrikanischen Naturräume widerstandsfähiger gegenüber tropischen Krankheiten, die den asiatischen und europäischen eingeführten Beständen schwer zusetzen. Außerdem sind sie genügsamer: Sie kommen in der Regel mit weniger Futtergras und weniger Wasser aus. „Schon jetzt breitet sich die Sahara immer weiter nach Süden aus. Das wird durch die Klimaveränderung noch kritischer werden. Dann sind Viehbestände, die an härteste Bedingungen angepasst sind, für Millionen Menschen überlebenswichtig“, sagt Stephan Krall, bei der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH zuständig für internationale Agrarforschung.

Die nun entdeckte genetische Vielfalt der alten Rinderrassen kommt den Agrarforschern gerade recht. Je größer diese Vielfalt ist, desto leichter lassen sich Rinder heutzutage nach solchen Züchtungszielen wie hohe Produktivität und Widerstandsfähigkeit erreichen. Vor diesem Hintergrund erweist sich als dramatisch, dass einige der einheimischen Rassen schon in kurzer Zeit verschwinden könnten. Notwendig sind daher Programme zum Schutz der alten Rinderrassen. Ein Betätigungsfeld, auf dem insbesondere die Agrarforscher und andere beteiligte Wissenschaftler ihr Know-how einbringen müssen, um Viehhaltern und Bauern in Afrika Zukunftschancen zu geben. „Deutschland unterstützt das ILRI deshalb seit vielen Jahren in seinen Bemühungen um die Erhaltung tiergenetischer Ressourcen“, so Krall.

Das Institut:
ILRI – International Livestock Research Institute (www.cgiar.org/ilri)
Hauptsitz: Nairobi, Kenia; Addis Abeba, Äthiopien
Regionale Büros: Nigeria, Peru, Kolumbien, Niger, Indien, Burkina Faso, Philippinen, China
Zielsetzung: Das International Livestock Research Institute (ILRI)wurde 1994 gegründet. Die Forschungsarbeiten an diesem internationalen Institut, das u.a. von der Bundesregierung über das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert wird, konzentrieren sich auf die Entwicklung produktiver und nachhaltiger Tierhaltungssysteme, die an die Bedingungen der Savannengebiete Afrikas, Asiens und Lateinamerikas angepasst sind. Die Schwerpunkte der Forschung liegen im Bereich der Tierzüchtung, der Tiergesundheit, der Tierernährung sowie der Förderung von landwirtschaftlichen Gemischtbetrieben.

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Wenn Sie mehr über die Forschung am ILRI, den Zusammenhang zwischen Agrarforschung und Entwicklungszusammenarbeit und den deutschen Beitrag hierzu erfahren möchten, fragen Sie uns. Wir informieren Sie gerne.

Die Beratungsgruppe Entwicklungsorientierte Agrarforschung (BEAF) berät das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und ist Koordinierungs- und Informationsstelle für Fragen der entwicklungsbezogenen Agrarforschung. Die BEAF ist ein Projekt der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH, einem bundeseigenen Unternehmen, das Projekte der Entwicklungszusammenarbeit im Auftrag der Bundesregierung durchführt.

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Oliver Hanschke idw

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