"Manisch-depressive" Schwankungen der Finanzmärkte schädigen Wirtschaftsentwicklung
Die Kurse an den Finanz- und Rohstoffmärkten schwanken mit großen Ausschlägen um ihre realwirtschaftlich begründeten „Fundamentalwerte“, ohne diese dauerhaft zu erreichen.
Dadurch setzen die Märkte „systematisch falsche“ Preissignale und Anreize, die die Entwicklung der Realwirtschaft beeinträchtigen. Zu diesem Ergebnis kommt Dr. Stephan Schulmeister, Wissenschaftler am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) in Wien, in einem Beitrag in den WSI-Mitteilungen (Ausgabe 12/2007).
Der Wirtschaftsforscher untersucht die Mechanismen, nach denen sich die Kurse an den internationalen Märkten für Aktien, Devisen oder Rohstoffe bilden, seit den 80er Jahren. Schulmeister stützt sich auf umfassende Analysen historischer Kursdaten von unterschiedlichen Märkten.
Seine Beobachtung ständig über- und unterschießender Kurse steht im Gegensatz zu den Annahmen der ökonomischen Theorie, die davon ausgeht, dass Marktpreise sich wie ein Pendel oder Mobile verhalten, also mit immer kleiner werdenden Ausschlägen auf ihr Gleichgewicht zusteuern.
Schulmeister charakterisiert die realen Entwicklungen an den Märkten dagegen als „manisch-depressive Schwankungen“. Einen wesentlichen Grund sieht der Wirtschaftsforscher im Verhalten der Mehrheit der Börsenhändler: Kurzfristig orientierte Trader legten ihren Kauf- und Verkaufsentscheidungen keine Fundamentalanalysen zur Bestimmung wirtschaftlich gerechtfertigter Kursniveaus zugrunde. Stattdessen achteten sie nur darauf, ob sich Kurse tendenziell nach oben oder unten bewegen. Dieses „trending“ destabilisiere die Kurse permanent, statt sie in Richtung Gleichgewicht zu bewegen.
Die „manisch-depressiven Schwankungen“ von Wechselkursen, Aktien- und Rohstoffpreisen führen nach Schulmeisters Analyse regelmäßig zu starken Finanz-Turbulenzen. Diese seien eine „wichtige Ursachen für Rezessionen“. Als Beispiele nennt der Forscher die Jahre 2000 bis 2003, als der Verfall der Aktienkurse und der Anstieg von Ölpreis und Eurokurs wesentlich zum Wirtschaftsabschwung in Europa beitrugen.
Die Tendenz zu irrational starken Kursausschlägen an den Märkten schwäche die Realwirtschaft auch noch aus einem zweiten Grund, so Schulmeister: In der Hoffnung auf höhere Renditen verzichteten Unternehmen zunehmend auf Investitionen in ihre realwirtschaftlichen Aktivitäten, um Geld an den Finanzmärkten anzulegen. Dieser „Megatrend“ sei in Deutschland besonders ausgeprägt.
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Mehr im Böckler Impuls 2/2008
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WSI-Mitteilungen 12/2007
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Mit den Veränderungen der Finanzsysteme sowie den Hintergründen der Finanzkrise beschäftigt sich auch eine neue Studie des IMK. Mehr im Böckler Impuls 1/2008:
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