Die Choreografie von Elektronen und Protonen im Protein

Max-Planck-Wissenschaftlern gelingt mit raffinierter Messtechnik neuer Einblick in das Kraftwerk der Zelle und in wichtige Details der zellulären Energieerzeugung

Zellen, die Bausteine des Lebens, nutzen den universellen Energieträger Adenosintriphosphat (ATP), um ihre vielfältigen Aufgaben zu erfüllen. Bei der Synthese dieser zellulären ’Energiewährung’ spielt die Aufnahme und der Transport von Elektronen und Protonen durch bioenergetische Proteine eine große Rolle. Seit vielen Jahren versuchen Forscher zu ergründen, über welchen molekularen Mechanismus die Energieerzeugung so effektiv verläuft. Mit neuen Kenntnissen über die Struktur der Cytochrom c Oxidase, dem Arbeitspferd im Kraftwerk der Zelle, vor allem aber dank hochempfindlicher Meßmethoden haben jetzt Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt/Main herausgefunden, wie sich Elektronen und Protonen geordnet in diesem Protein bewegen (Nature, 2. Mai 2002).

Die Cytochrom c Oxidase ist das Arbeitspferd im Kraftwerk der Zelle. Sie wandelt die Energie, die durch den Abbau zugeführter Nährstoffe erzeugt wird, in eine Spannung und einen Protonen-Konzentrationsgradienten über der Membran um. Spannung und Gradient werden zur Erzeugung von Adenosintriphosphat (ATP), der universellen Energiewährung aller Organismen, genutzt. Dazu nimmt die Cytochrom c Oxidase Elektronen von einem Trägermolekül, dem Cytochrom c, auf. Sie oxidiert, wie ihr Name sagt, Cytochrom c und überträgt die Elektronen auf zwei Sauerstoff-Atome, wobei Wasser gebildet wird. Bei dieser Übertragung wird Energie gewonnen, mit der zusätzliche Protonen über die Membran transportiert werden.

„Abb. 1: Aufnahme von Elektronen und Sauerstoff (O2) im Reaktionszyklus der Cytochrom c Oxidase, die mit Protonen Wasser bilden. Gleichzeitig werden Protonen über die Membran transportiert. Struktur der Cytochrom c Oxidase mit Darstellung der Wege der Elektronen und Protonen im Protein. „
„Foto: Max-Planck-Institut für Biophysik“

Bei der Untersuchung dieser Transportprozesse spielen elektrophysiologische Meßmethoden eine wichtige Rolle: Sie sind sehr empfindlich und erlauben eine hohe Zeitauflösung, was es gestattet, die einzelne Transportschritte aufzuklären, die im Bereich von Mikrosekunden bis zu mehreren hundert Millisekunden ablaufen. Doch die dabei eintretenden Ladungsverschiebungen sind im einzelnen Protein extrem klein. Im Gegensatz zu den Ionenkanälen, die in die Zellmembran eingebettet sind und die pro Sekunde von bis zu einer Million Ionen durchquert werden, transportieren Transportproteine typischerweise nur etwa zehn Ladungen pro Sekunde. Daher kann man bei Ionenkanälen einzelne Moleküle beobachten, während man bei Transportproteinen immer darauf angewiesen ist, die kollektive Ladungsverschiebung von circa 100.000 Einzelmolekülen zur Messung heranzuziehen. Doch auch dann ist die Bestimmung dieser Ladungsbewegungen eine Herausforderung an die Messtechnik – elektrische Spannungen müssen im Bereich unterhalb von einem tausendstel Volt mit einer Zeitauflösung von einer Mikrosekunde gemessen werden, das entspricht einer Million Messungen pro Sekunde. Diese Herausforderung überwanden die Max-Planck-Wissenschaftler mit einem Trick – sie betteten Moleküle der Cytochrom c Oxidase in eine künstliche Modellmembran ein (S. Abb. 2). Nach Aktivierung der Proteine kann dann über Elektroden eine Spannung über der Modellmembran gemessen werden, welche die Ladungsverschiebungen in den Proteinen widerspiegelt.

„Abb. 2: Experimenteller Aufbau zur Messung der durch die Cytochrom c Oxidase erzeugten Spannung. Der Probenbehälter (weiß, in der unteren Bildmitte) enthält zwei runde flüssigkeitsgefüllte Kammern, die durch die Modellmembran voneinander getrennt sind. Die linke Kammer ist gelb gefärbt von der Farbe des Ruthenium-Komplexes, der als Elektronen-Spender fungiert. Der Elektronen-Spender wird von einem Laserstrahl angeregt. Das rote Rechteck im oberen Teil des Bildes ist der Spannungsverstärker. Der ganze Aufbau ist in einem gasdichten Behälter installiert , in dem eine kontrollierte Atmosphäre eingestellt werden kann. „
„Foto: Max-Planck-Institut für Biophysik“

Da bei Transportproteinen immer eine große Anzahl von Molekülen gleichzeitig beobachtet werden muss, musste noch ein weiteres Problem gelöst werden- das der Synchronisation. Der Transportprozess muss in allen Molekülen gleichzeitig gestartet werden, üblicherweise durch schnelle Bereitstellung der transportierten Moleküle. Dazu arbeiteten die Forscher am Max-Planck-Institut für Biophysik mit einer spezielle Methode – sie nutzen einen lichtgetriebenen Elektronen-Spender. Dieser Ruthenium-Komplex mit dem Kurznamen „Rubpy“ erlaubt es innerhalb von weniger als einer Mikrosekunde ein Elektron in das Cytochrom c Oxidase-Molekül zu injizieren und so den Transportprozess synchron zu starten.

Da Elektron und Proton jeweils eine Ladung tragen, führt ihre Bewegung zu einem elektrischen Signal. Eine Analyse der gemessenen Ladungsverschiebungen gibt daher Informationen über die Bewegung der Elektronen und Protonen in der Cytochrom c Oxidase und erlaubt es, Einzelschritte dieses Transportmechanismus zu identifizieren. So wurde beispielsweise lange Zeit angenommen, dass im so genannten reduktiven Teil des Reaktionszyklus (s. Abb. 1) der Cytochrom c Oxidase keine Protonen über die Membran gepumpt werden. Die am Max-Planck-Institut durchgeführten Experimente zeigen nun, dass diese Annahme nicht richtig war und dass tatsächlich Protonen beim Übergang vom E- in den R-Zustand (s Abb. 1) gepumpt werden.

Diese Forschungsergebnisse sind von sehr grundsätzlicher Bedeutung, betreffen sie doch mit der Zellatmung einen der wesentlichsten Lebensprozesse. Zusammen mit den Kenntnissen über die Struktur der Cytochrom c Oxidase, die bereits zuvor am Max-Planck-Institut für Biophysik aufgeklärt wurde, führen diese neuen Ergebnisse zu einem detaillierteren Verständnis der Prinzipien und Mechanismen, wie Zellen aus Nährstoffen Energie zur Herstellung von ATP gewinnen.

Media Contact

Dr. Bernd Wirsin Presseinformationen

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de/

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