Neues Gen im Auge: An Erkrankungen der Netzhaut beteiligt?

Humangenetiker von der Uni Würzburg haben ein neues Gen entdeckt, das ausschließlich in der Netzhaut des Auges aktiv ist. Es enthält den Bauplan für ein Protein, dessen Aktivitäten bislang ebenfalls völlig unbekannt sind. Jetzt wollen die Wissenschaftler dieses Protein genauer unter die Lupe nehmen, denn aller Voraussicht nach spielt es bei genetischen Erkrankungen der Netzhaut eine Rolle. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Projekt.

Mit den Augen nimmt der Mensch einen wesentlichen Teil der Informationen aus seiner Umwelt auf. Darum wird kaum eine Erkrankung als so bedrohlich empfunden wie das Schwinden des Augenlichts. Das Auge gehört zu den Organen, die sehr häufig von genetisch bedingten Leiden betroffen sind. So kennt man mehr als 100 erbliche Syndrome, die mit Störungen der Netzhautfunktion einhergehen. In Deutschland werden pro Jahr 130.000 Erblindungen registriert, und rund ein Zehntel davon geht auf eine vererbte Degeneration der Netzhaut zurück.

Beim Sehvorgang wandeln die hoch empfindlichen Sinneszellen der Netzhaut Licht in elektrische Impulse um und leiten diese über die Sehnerven zum Gehirn. Dort werden die Reize zu einem Bild verarbeitet, das als Ausschnitt der Umwelt bewusst erlebt wird. Diesen komplexen Prozess steuern zahlreiche Gene, die beispielsweise für die Signalübertragung, den Stoffwechsel oder die Unversehrtheit der Netzhaut wichtig sind.

Am Würzburger Institut für Humangenetik wird an der systematischen Identifizierung und Charakterisierung von Genen gearbeitet, die ausschließlich oder überwiegend in der Netzhaut aktiv sind. Die Forscher gehen davon aus, dass all diese Gene eine wichtige Rolle beim Sehvorgang spielen und daher auch ursächlich an der Entstehung von Degenerationen der Netzhaut beteiligt sein könnten. Diese Annahme wird laut Dr. Heidi Stöhr durch eine Tatsache unterstützt: Viele der bekannten Gene, die Netzhauterkrankungen verursachen, sind nur in der Netzhaut aktiv.

Das neue Gen, das die Würzburger Wissenschaftler gefunden haben, erhielt den Namen “palmitoyliertes Membranprotein-4” (MPP4). Es gehört zur Proteinfamilie der so genannten Membranassoziierten Guanylatkinasen, kurz MAGUKs. Dr. Stöhr: “Diesen Proteinen wird eine große Bedeutung als koordinatorische Gerüstproteine an der Innenseite der Zellmembran von Zellkontaktstellen zugesprochen. Dort spielen sie bei vielen verschiedenen Zelltypen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Zellkontakte sowie der Polarität.”

Des weiteren vermitteln die Mitglieder dieser Proteinfamilie die Antwort einer Zelle auf eine veränderte Umgebung: Sie rufen Signalproteine auf den Plan und organisieren diese so, dass die Signale hoch effizient und spezifisch weitergeleitet werden. Außerdem beeinflussen die MAGUK-Proteine die Architektur einer Zelle.

Noch sind die Aktivitäten des neuen Proteins MPP4 in der Netzhaut völlig unbekannt. Ziel des Würzburger Projekts sei es daher, seine Funktion im Säugerauge zu untersuchen, wie Dr. Stöhr erklärt. Zunächst wolle man herausfinden, wo genau sich das Protein in den verschiedenen Zelltypen der Netzhaut befindet. Dann sollen Moleküle identifiziert und charakterisiert werden, die mit MPP4 eine Bindung eingehen. Mit diesem Wissen können die Forscher schließlich daran gehen, die möglichen Komponenten von Proteinnetzwerken zu definieren und deren Beteiligung am Sehvorgang aufzuklären.

Weitere Informationen: Dr. Heidi Stöhr, T (0931) 888-4090, Fax (0931) 888-4069, E-Mail: 
heidi.stoehr@mail.uni-wuerzburg.de

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Robert Emmerich idw

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