30 Jahre Informatik an deutschen Hochschulen
Symposium „Softwaretechnik Aus- und Weiterbildung“ an der Technischen Universität Darmstadt am 30. April
„Die größte Gefahr droht der Softwaretechnik aus der Informatik.“ Mit dieser provokanten These von Prof. Jochen Ludewig, Universität Stuttgart, hatten sich die rund vierzig Teilnehmer des Symposiums „Softwaretechnik Aus- und Weiterbildung“ am 30. April in Darmstadt auseinanderzusetzen, mit dem die Technische Universität Darmstadt ihre Veranstaltungen zur Feier des 30jährigen Bestehens des Fachbereichs Informatik abschloss. Die Vorträge des Symposiums sind über die Website www.30jahreinformatik.de , Menüpunkt „Links“, zu erreichen.
Das Symposium, organisiert von Dr. Thomas Kühne und Prof. Mira Mezini, TU Darmstadt, versammelte mit Harry Sneed (Case Consult), Jochen Ludewig (Universität Stuttgart), Irmhild Rogalla (Fraunhofer ISST), Beate Kriegler (TU Darmstadt), Heiner Ensel (CSC Ploenzke Akademie) und Ulrik Schroeder (PH Ludwigsburg) Referenten, die aus unterschiedlichen Blickrichtungen zur Diskussion beitragen konnten.
Kühnes Fazit der Veranstaltung: „Der Aus- und Weiterbildungsbereich Softwaretechnik befindet sich im Umbruch. Im reinen Ausbildungsbereich gibt es Tendenzen, die ingenierswissenschaftliche (konstruktive) Softwaretechnik von der sonst oft strukturwissenschaftlichen (analytischen) geprägten Informatik abzuspalten, wie dies Ludewig vertritt. Die zu erwartenden Vorteile werden nicht zuletzt durch die Erfolge einer praxisnahen Softwaretechnikausbildung anhand authentischer Aufgabenstellungen z.B. von Schroeder angedeutet.“
In der Weiterbildung dagegen liegt es nun sowohl an den Kultusbehörden der Länder (der Beitrag von Rogalla), Wirtschaftsunternehmen (s. Ensel) und Hochschulen (vertreten durch die Position von Kriegler), ein attraktives Angebot zu definieren. „Durch die Vorträge wurde deutlich, daß hier noch einige Herausforderungen in der Definition von Berufsprofilen und der Verteilung von Weiterbildungskompetenzen liegen. Das komplexe Anforderungsprofil an Softwaretechniker, wie es Sneed formuliert, ist nur schwer oder gar nicht durch isolierte Hochschul- bzw. Wirtschaftsbemühungen herstellbar. Die Zukunft wird zeigen, in welcher Form die – auch intern – existierenden Interessenskonflikte mit einem durchschaubaren Angebot an Weiterbildungszertifikaten aufgelöst werden können.“
Ludewig übrigens begründet seine Eingangsthese mit der Erforderlichkeit die Softwaretechnik nicht als Thema innerhalb der Informatik sondern eigenständig, getrennt von ihr zu betrachten. Die jetzige Situation hält er für problematisch: „Ich sehe die Gefahr, dass zwei eng nebeneinander liegende Fächer, nämlich Informatik und Softwaretechnik, unvermeidlich zum Verkleben neigen, dass also die Profilierung verschwindet, weil sie zusätzliche Anstrengungen erfordert, nicht nur einmalig, sondern kontinuierlich. Wo keine Diversifikation der Studiengänge erreicht wurde, besteht dieses Problem nicht; aber das ist natürlich kein Vorteil. Ideal wäre eine Entwicklung, in der die Koexistenz der Studiengänge Bestand hätte.“ In Stuttgart habe man mit dem etablierten Studiengang Softwaretechnik bereits diese Trennung erreicht. Über die dortigen Projektarbeiten gibt es einen Bericht, der online auffindbar ist über www.informatik.uni-stuttgart.de/ifi/se/publications.
Mit Hinblick auf die Situation der Informatikfakultäten erklärt er den Ist-Zustand wie folgt: „Die Forderung nach speziellen Lehrveranstaltungen für die Softwaretechniker ist in einer voll ausgelasteten oder gar überlasteten Fakultät nicht populär. Bequemlichkeit und Sparzwänge (oft nicht unterscheidbar) sabotieren die Differenzierung.“
In Darmstadt gibt es zwar keinen eigenen Studiengang Softwaretechnik, faktisch erlaubt es die vorhandene Vorlesung mit zugehörigem Praktikum jedoch ein hohes Gewicht auf diesen Bereich zu legen. Die von Prof. Wolfgang Henhapl und seinen Mitarbeitern (FG Praktische Informatik) als eine der Hauptveranstaltungen im Hauptstudium der Informatik durchgeführte Lehrveranstaltung fließt mit insgesamt 8 Semesterwochenstunden in die Diplomprüfungsbereiche ein. Das entspricht 50 Prozent der in der Prüfungsordnung geforderten studienbegleitenden Leistungen plus 40 Prozent des Prüfungsanteils in einer der vier Diplomprüfungen der Informatik. Durch die Kooperation mit Industriepartnern und der dadurch verbundenen Bearbeitung von tatsächlichen Industrieprojekten erhalten Studenten die Möglichkeit einer besonders realitätsnahen Beschäftigung mit der Softwaretechnik.
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