Geformtes Licht steuert Photosynthese

Max-Planck-Forscher steuern Energieausbeute der Photosynthese mit „Melodien“ aus Laserlicht

Forscher am Garchinger Max-Planck-Institut für Quantenoptik ist es gelungen, mit speziell geformten ultrakurzen Lichtblitzen die Ausbeute der Photosynthese zu steuern. Mit einer melodienartigen Ordnung der Lichtfarben, die der internen Dynamik eines Moleküls der Photosynthese angepasst wurde, konnten sie den Weg der gesammelten Energie kontrollieren (nature, 30. Mai 2002). Damit weisen sie zudem nach, dass Quantenphänomene auch in biologischen Makromolekülen von Bedeutung sind.

Femtosekunden-Laserpulse sind extrem kurze Lichtblitze (1 fs = 10-15 Sekunden), mit denen man die sehr schnelle Vibration einzelner Moleküle, ihr inneres „Verbiegen und Wackeln“, in Echtzeit beobachten kann. Erst 1999 wurde für diese so genannte Femtochemie der Nobelpreis für Chemie verliehen. Verformt man nun zusätzlich die zeitliche Struktur der Laserpulse, so kann man die Dynamik dieser Moleküle gezielt steuern. Die Moleküle lassen sich damit so ‚anfassen’, wie man im Chemie-Unterricht das Plastikmodell eines Moleküls verbiegen kann. Doch ein Lichtfeld, das für eine solche Kontrolle geeignet ist, lässt sich nur für sehr einfache Systeme vorhersagen. Die Forscher am Max-Planck-Institut für Quantenoptik haben deshalb – gemeinsam mit Kollegen der Universität Lund, vom AMOLF in Amsterdam sowie von der Universität Glasgow – ein selbstlernendes Experiment konzipiert, mit dem das optimale Lichtfeld auch für komplexe Moleküle gesucht werden kann Damit ist es ihnen jetzt zum ersten Mal gelungen, einen ultraschnellen biologischen Prozess – die Lichternte, also den ersten Schritt der bakteriellen Photosynthese – erfolgreich zu kontrollieren.

In biologischen Lichternte- bzw. Lichtsammelkomplexen werden die verschiedenen Farben des Lichtspektrums von spezialisierten Molekülen absorbiert und zu einem gemeinsamen Ziel weitergeleitet. In Abb. 1 erfolgt das von den grün-blau absorbierenden länglichen Carotenoiden zum Ring der roten BacterioChlorophyll-Moleküle. Allerdings fließt bei diesem Prozess stets ein Teil der absorbierten Energie in Verlustkanäle (IC) und geht so für die Photosynthese verloren. Den Garchinger Wissenschaftlern ist es gelungen, genau diese Aufspaltung des Energieflusses in zwei Kanäle kohärent zu kontrollieren.

Abb. 1: Lichtsammel-Komplex: Die absorbierte Energie aus dem grün-blauen Spektrum fließt von den länglichen Carotenoiden zum Ring der roten BacterioChlorophyll-Moleküle (transfer) oder versickert im IC-Verlustkanal. Das Verhältnis der beiden Kanäle kann mit dem geformten Licht gesteuert werden.“
„Grafik: Max-Planck-Institut für Quantenoptik“

Doch was versteht man unter „kohärenter Kontrolle“? Während die Sonne das Licht ungeordnet, gewissermaßen wie Dauerlärm, anbietet und ein Laserpuls im Femtosekunden-Bereich wie ein Knall von weniger als einem Millionstel Teil einer Millionstel Sekunde wirkt, haben die Garchinger Wissenschaftler die Farben des Lichts in bestimmte Melodien (Pulsformen) geordnet. Mit einem speziellen Verfahren, dem evolutionären Algorithmus, haben sie dazu aus der Vielzahl vorstellbarer Melodien diejenigen herausgefiltert, die im Lichtsammelkomplex eine Resonanz bewirken: Die verschiedenen Melodien werden zuerst im Computer berechnet, dann mit einem Pulsformer hergestellt und an einem Lichtsammel-Molekül getestet. Nur die erfolgreichsten Melodien werden dann erneut zu einer weiteren Generation von Pulsformen kombiniert, die dann wieder am Lichtsammelkomplex getestet werden, usw.

Auf diese Weise fanden die Forscher Formen von Lichtpulsen, mit denen sie kontrollieren können, wohin die geerntete Energie in einem Molekül fließt. Dabei konnten sie zeigen, dass auch in biologischen Molekülkomplexen, die sich aus Zehntausenden von einzelnen Atomen zusammensetzen, Quantenphänomene wie die Kohärenz eine wichtige Rolle spielen. Denn nicht nur die zeitabhängige Struktur (Amplitude), sondern auch die Phase des Lichtfeldes sind entscheidend für die Kontrolle der inneren Vibration in den Molekülen.

Damit ist es erstmals gelungen, einen auf Licht beruhenden biologischen Vorgang auf der physikalischen Mikroebene gezielt zu beeinflussen. Bisher ist es den Wissenschaftler jedoch nur gelungen, den Anteil an Energie, der in den Verlustkanälen versickert, zu steigern. In weiteren Experimenten wollen sie nun umgekehrt versuchen, mit geformten Licht den Energieanteil, der in die Photosynthese fließt, zu steigern.

„Abb. 2: Evolutionärer Algorithmus: Ein Computer berechnet Lichtpulse (orangefarbene zackenförmige Struktur), die mit einem speziellen optischen Aufbau hergestellt werden (rechts unten): Die schimmernden Gitter und runden Linsen spalten die Farben des Lichts, die dann mit der schwarzen Flüssigkristall-Maske in die gewünschte melodienartige Form gebracht werden. Die geformten Pulse werden an einem Lichtsammel-Komplex getestet (s. Abb. 1). Die Ergebnisse aller getesteten Melodien (Pulsformen) werden im Computer verglichen und immer wieder eine nächste Generation von Pulsformen berechnet, bis eine Resonanz des Lichtsammel-Komplexes eintritt.“
„Grafik: Max-Planck-Institut für Quantenoptik“

Doch neben der Möglichkeit, biochemische Reaktionen steuern zu können, eröffnen sich mit dieser Art von Experimenten völlig neue Möglichkeiten, um hochkomplexe Moleküle zu untersuchen. Denn die spezielle Form des Lichtpulses, mit dem ein molekularer Prozess kontrolliert werden kann, ist gleichsam ein „Fingerabdruck“ des Moleküls, aus dem viele zusätzliche Informationen gewonnen werden können.

Media Contact

Dr. Bernd Wirsing Presseinformation

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…