Service statt Warteschlange: CRM in der öffentlichen Verwaltung
Accenture-Studie untersucht die Potenziale von Kundenbindungsmodellen (CRM) in Behörden – Erhebungen in 11 Ländern weltweit, darunter Deutschland
Service statt Warteschlange, maßgeschneiderte Angebote statt anonymer Formular-Stapel – wie kundenorientiert sind Behörden eigentlich? Öffentliche Verwaltungen beginnen nur langsam, die Vorteile des Customer Relationship Managements (CRM) für sich zu entdecken. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Accenture-Studie „Customer Relationship Management: Ein Konzept für den öffentlichen Sektor“. Zwar nimmt weltweit die Bereitschaft der Behörden zu, die Beziehungen zu ihren „Kunden“, also den Bürgern, zunehmend systematisch zu koordinieren und damit ihr Dienstleistungsangebot zu verbessern und effizienter zu gestalten. Dennoch werden die Möglichkeiten, die gezielt eingesetztes CRM bietet, bei weitem nicht ausgeschöpft.
Stefan Schneider, für den Bereich Post & Public Services zuständiger Partner des internationalen Management- und IT-Dienstleisters Accenture: „Die Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger ist aufgrund der zunehmenden Kundenorientierung der Privatwirtschaft auch gegenüber der Verwaltung gestiegen. Customer Relationship Management wird daher auch für den öffentlichen Sektor relevant.“
In der vorliegenden Studie hat Accenture deshalb untersucht, welchen Stellenwert CRM in öffentlichen Verwaltungen besitzt und welche Hindernisse einer konsequenten Umsetzung im Wege stehen. Zu diesem Zweck wurden leitende Mitarbeiter der mittleren und oberen Verwaltungsebene nach ihren Einstellungen und Arbeitsweisen befragt. Die Erhebung wurde in elf Ländern weltweit durchgeführt: Australien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Kanada, Singapur, Spanien und den USA. Genauer unter die Lupe genommen wurden dabei verschiedene Behördentypen, die laut Accenture die wichtigsten Verwaltungsbereiche für Bürger und Unternehmen im Kontakt mit der Behörde repräsentieren: Finanzämter, Sozialverwaltungen und Genehmigungsbehörden sowie Angebote wie beispielsweise das Behördenportal „bund-online“, die Informationen und Serviceleistungen mehrerer Verwaltungsbehörden in Form einer zentralen „Zugangspforte“ bündeln.
Finanzämter am weitesten fortgeschritten
Die Studie berücksichtigt in diesem Kontext fünf Schlüsselbereiche des CRM: Das Wissen über Kunden (Customer Insights – Erfassung und Auswertung von Informationen), maßgeschneiderte Kundenangebote (Customer Offerings – Serviceleistungen, die den Erwartungen der Bürger entsprechen), die Interaktion mit Kunden (Customer Interactions – alles, was ein Bürger „erlebt“, wenn er mit der Behörde Kontakt hat), die Kundenorientierung der Behörden (Organization Performance – Auswahl der richtigen Mitarbeiter für kundenorientierte Aufgaben) und die Vernetzung (Networks – strategische Allianzen zur Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit). Der letztgenannte Bereich, so ein Ergebnis der Studie, ist bereits weitgehend im Blickfeld der öffentlichen Verwaltung. Stefan Schneider: „Im Allgemeinen haben die öffentlichen Verwaltungen das Potenzial von Partnerschaften mit anderen Behörden und der freien Wirtschaft erkannt.“ In Zahlen: 89 Prozent der Befragten befürworten solche Allianzen. Ein weiteres Ergebnis: Beim CRM insgesamt sind die Finanzämter mit ihren vergleichsweise hohen Investitionen für Kundenorientiertheit am weitesten fortgeschritten.
Das Potenzial der Kundenbindungsmodelle wird bisher jedoch nur zu einem Bruchteil ausgeschöpft. „Unsere Untersuchung zeigt, dass eine wesentliche Hürde für viele Behörden in der Schwierigkeit liegt, ein geeignetes Investitionsmodell zu definieren, wie es in der Privatwirtschaft beispielsweise durch Kundenbindung und Ertragssteigerung charakterisiert wird“, so Stefan Schneider. „Hinzu kommen weitere Hindernisse wie die fehlende technische Ausstattung, aber auch Skepsis und die traditionellen Behördenstrukturen sowie eine Arbeitskultur, die durch eine strikte Gliederung in Abteilungen statt übergreifende Bereitstellung von Service-Angeboten gekennzeichnet ist.
Kundensegmentierung als Voraussetzung für Erfolg
Nachholbedarf in der Praxis gibt es nach der Studie insbesondere im Hinblick auf die Kundensegmentierung. Zwar messen alle Behörden der Ermittlung von Kundenbedürfnissen und der entsprechenden Anpassung ihrer Angebote hohe Priorität bei. Die Bedeutung der Kundensegmentierung für diese Bereiche wird aber unterschätzt. Sie rangiert unter den Fähigkeiten, die die Verwaltungen für die Erfüllung ihrer Aufgaben als wichtig ansehen, mit 40 Prozent an letzter Stelle. Nur sieben Prozent der Befragten erachten es für notwendig, diesen Bereich stärker auszubauen – in Anbetracht der bevorstehenden Herausforderungen für die Behörden ein alarmierendes Ergebnis. Denn: Die richtige Segmentierung des Kundenstamms ist letzten Endes die wesentliche Grundlage für effizientes CRM. Nur, wenn die auf vielfältige Weise erhobenen Daten entsprechend Zielgruppen-orientiert ausgewertet und aufbereitet werden, können den Bürgern maßgeschneiderte Angebote offeriert werden. Das wiederum ist gleichzeitig die notwendige Voraussetzung, um für den Bürger tatsächlichen Mehrwert zu schaffen und somit Akzeptanz für die E-Government-Angebote der Verwaltung zu erzielen.
Ein stärkerer Akzent sollte laut Accenture neben der Verbesserung des Service insbesondere auf die Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit gesetzt werden. Die eigenen Mitarbeiter werden für die Leistungsfähigkeit der jeweiligen Organisation zwar als wichtig angesehen, technische Aspekte genießen heute aber noch eindeutigen Vorrang. Schneider: „Gerade ihr relativ stabiler Mitarbeiterstamm eröffnet den Behörden große Chancen für eine stärkere Kundenorientierung, also mehr Bürgernähe.“
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