Die musikalische Sonne: Materiebögen schwingen wie Gitarrensaiten
Rhythmische Auf- und Abbewegungen der Sonnenphotosphäre (des scheinbaren Sonnenrandes) sind seit etwa vier Jahrzehnten nachgewiesen. Jetzt stellten Wissenschaftler fest, dass auch in der Sonnenkorona – der Atmosphäre der Sonne – Schwingungen messbar sind.
Das Problem der Aufheizung der Sonnenkorona und die damit verbundenen Fragen nach Ursachen und Auswirkungen heftiger solarer Stürme, die aus dieser Region stammen, gehören zu den derzeit interessantesten und schwierigsten Arbeitsgebieten der Sonnenphysik. Die Sonne ist, wie wir heute wissen, nicht etwa eine ruhig vor sich hin glimmende Kugel, sondern eine brodelnde Masse glühenden Plasmas, auf deren Oberfläche sich immer wieder neue Strukturen bilden. Die in der Konvektionszone der Sonne aufsteigenden Gasblasen stören das Gas, durch das sie fließen – es werden Turbulenzen und gleichzeitig Schallwellen erzeugt, deren bekannteste Vertreter mit einer Periode von etwa 5 Minuten und einer Geschwindigkeitsamplitude von 500 m/s vertikal schwingen. Die Sonne schwingt millionenfach in unglaublich vielen Grund- und Obertönen, und man vergleicht sie gern mit einer riesigen Glocke, die dem ungeordneten Geprassel von Regen- oder Graupelschauern ausgesetzt ist
.
Zu den unterschiedlichen imposanten Erscheinungen auf der Sonnenoberfläche gehören auch die extrem heißen „loops“, gewaltige, aus ionisierten Gasen bestehende Bögen, die sich von der Sonnenoberfläche aus an magnetischen Feldlinien entlang weit hinaus ins All wölben und hunderttausende Kilometer lang sein können. Die Sonnenkorona ist durchsetzt mit vielen Millionen unterschiedlich großen und unterschiedlich heißen Loops; einige erreichen Temperaturen von mehreren Millionen Grad. Unter diesen Umständen sind leichte Elemente wie Wasserstoff oder Kohlenstoff vollständig ionisiert, jedoch strahlen Eisenionen in diesen Loops ultraviolettes Licht ab, das von dem Instrument SUMER (Solar Ultraviolet Measurements of Emitted Radiation) auf der Sonde SOHO (Solar and Heliospheric Observatory) gemessen werden kann. Die Wellenlänge dieses Lichtes schwankt geringfügig, wenn die Loops hin- und herschwingen. Mit SUMER wurden jetzt Geschwindigkeitsoszillationen in den Loops von bis zu 100 km/s nachgewiesen. Die Schwingungen sind stark gedämpft und kommen nach 2-3 Perioden zur Ruhe; außerdem kühlt das Gas sehr schnell ab. Dr. Werner Curdt vom Max-Planck-Institut für Aeronomie (MPAE), der verantwortliche Wissenschaftler für das SUMER-Instrument, stellte diese Ergebnisse am 13. Juni auf einer Fachtagung auf der griechischen Insel Santorin (Thira) vor. Er wählte wiederum ein Bild aus der Musik, um den Vorgang zu veranschaulichen, und verglich das Schwingen der Gasbögen mit dem langsamen Schwingen von tief gestimmten Gitarrensaiten. Der an der Saite zupfende Finger – der das Schwingen der Bögen verursacht – ist vermutlich ein Ausbruch energiereicher Teilchen in der unteren Sonnenkorona. Curdt nimmt an, dass die vibrierenden Loops eine Schlüsselrolle zum Verständnis der Sonnenkorona spielen.
Weitere Auskünfte:
Dr. Werner Curdt, Telefon 05556 / 979 420; E-Mail: curdt@linmpi.mpg.de
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