Polarstern beendet Arbeiten in der Framstraße

Das deutsche Forschungsschiff Polarstern musste seine Eis brechenden Fähigkeiten in arktischen Gewässern beweisen, um Daten für zwei Langzeitforschungsreihen zu gewinnen.

Nach Arbeiten in Regionen bis 82° nördlicher Breite wird Polarstern, das vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in der Helmholtz-Gemeinschaft betrieben wird, am 10. August in Reykjavik (Island) einlaufen. „In diesem Jahr hatten wir es mit besonders viel Eis zu tun,“ so der Fahrtleiter Prof. Gerhard Kattner. Das Meereis zog sich von der Arktis bis fast zum 74. Breitengrad nach Süden.

Ständige Winde aus Nordwesten haben schon seit Sommerbeginn das Eis in den zentralen Bereich der Framstraße geschoben. In diesem Gebiet lagen die Schwerpunkte der Expedition: die Verankerungen entlang 78°50' Nord und der so genannte „AWI-Hausgarten.“ Die Messungen der jetzt abgeschlossenen Polarstern-Expedition sind Bestandteil regelmäßiger Studien. Durch solche Beobachtungsreihen können Aussagen über langfristige Entwicklungen im Klimasystem getroffen werden. Diese Forschungsarbeiten sind jedoch nur mit einem Eisbrecher wie Polarstern möglich. Mit einem anderen Forschungsschiff können Verankerungen im eisbedeckten Gebiet nicht aufgenommen werden.

Austausch von Verankerungen bei dichter Eisbedeckung

Die Langzeituntersuchungen zum Wassermassentransport in der Framstraße führt das Alfred-Wegener-Institut bereits seit 1997 durch. Die Framstraße liegt zwischen Spitzbergen und Grönland. Sie ist die wichtigste Region für den Austausch von atlantischen und polaren Wassermassen. Hier fließt wärmeres und salzhaltigeres atlantisches Wasser nach Norden, während kaltes, salzärmeres Wasser aus der Arktis nach Süden fließt. Dieses Meeresgebiet ist die einzige Tiefenwasserverbindung zwischen dem Nordatlantik und dem zentralen arktischen Ozean und somit eine Region, in der sich systemische Veränderungen besonders sensibel widerspiegeln.

Um solche Veränderungen beobachten und bewerten zu können, stehen über den gesamten Bereich verteilt 17 Verankerungen am Meeresboden, die bis zur Oberfläche die Temperatur, den Salzgehalt und die Strömungen messen. „Wir sind glücklich und zufrieden, dass wir bei diesen extremen Eisbedingungen alle Geräte bergen und austauschen konnten,“ so Dr. Agnieszka Beszczynska-Möller, Ozeanographin am Alfred-Wegener-Institut. Die Temperatur des atlantischen Wassers ist im Vergleich zu den erhöhten Temperaturen im Jahr 2006 wieder etwas niedriger geworden. Dies stellt die jährliche Variabilität dar. Insgesamt haben die Wissenschaftler festgestellt, dass die Temperatur in der Framstraße seit 1997 im Durchschnitt jährlich um etwa 0,1 °C zugenommen hat.

Premiere für den Seaglider

Eine Premiere für das Alfred-Wegener-Institut war der Einsatz eines „Seagliders“ von Polarstern. Dies ist ein autonomes Fahrzeug, das regelmäßig von der Wasseroberfläche bis zu 1000 Metern tief taucht, dabei Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoff, Trübung des Wassers und Druck misst, dann wieder auftaucht und seine Daten über Satelliten nach Bremerhaven schickt. Von dort aus kann der Seaglider auch jederzeit neue Befehle erhalten, wenn die Ergebnisse oder andere Bedingungen es erfordern. Der Seaglider wird bis Mitte September messen. Dann meldet er seinen Standort und wird voraussichtlich von norwegischen Kooperationspartnern mit dem Forschungsschiff KV Svalbard wieder aufgenommen.

Rückkehr des pazifischen Wassers vor Grönland?

Das polare Wasser vor Ostgrönland, das nach Süden entlang der grönländischen Küste in den Atlantik fließt, besteht aus Wassermassen unterschiedlicher Herkunft. So kommt ein Teil aus dem Pazifik, der den langen Weg von der Beringstraße durch den Arktischen Ozean zurücklegt. „Diese Wassermasse haben wir jahrelang vor Grönland dokumentiert.“ so Prof. Gerhard Kattner. „Seit 2004 war sie hier kaum mehr nachzuweisen.“ Das weist auf eine deutliche Veränderung im Strömungssystem der Arktis hin. Die jetzigen Untersuchungen zeigen wieder einen geringen Anteil von pazifischem Wasser. Ob sich dieser Trend fortsetzt, müssen Messungen in den nächsten Jahren zeigen.

Der AWI-Hausgarten ist für ein weiteres Jahr bestellt

Das AWI betreibt seit 1999 das weltweit einzige ökologisch ausgerichtete Tiefsee-Langzeitobservatorium in polaren Breiten, um zu untersuchen, wie sich die Tiefsee unter dem Einfluss eines stetigen Klimawandels verändert. Der AWI-Hausgarten umfasst ein fast 8000 Quadratkilometer großes Areal vor der Westküste Spitzbergens. In diesem Gebiet wird in Wassertiefen zwischen 1000 und 5500 Metern geforscht, um Funktion und Struktur des Lebens am Meeresboden der arktischen Tiefsee zu verstehen.

Dieses Umweltmonitoring schließt Untersuchungen zu Veränderungen der physikalischen Umwelt und des Nahrungseintrags zum Meeresboden ein. „Zu diesem Zweck mussten wir im vergangenen Jahr die am Meeresboden verankerten Geräte weiter nach Norden verlegen, um dem zurückweichenden Eis zu folgen und sicherzustellen, dass sie wenigstens zeitweilig im Einflussbereich des Eisrandes standen,“ berichtet Ingo Schewe, Biologe am Alfred-Wegener-Institut. Die Ergebnisse der vergangenen Jahre zeigten bereits, dass die Veränderungen der Eisbedeckung auch zu einem Rückgang einzelner am Boden der Tiefsee lebender Tiergruppen geführt haben. Der Eisrand ist eine biologisch sehr aktive Zone, in der Algen verstärkt wachsen, absterben, dann zu Boden sinken und dort als Nahrung dienen. Verschiebt sich der Eisrand, führt das auch zu Veränderungen in der Nahrungsverfügbarkeit im AWI-Hausgarten. Was die diesjährige starke Eisbedeckung zur Folge hat und ob auch die kleinen und größeren Tiere der Tiefsee dadurch beeinflusst werden, werden die anstehenden Auswertungen in Bremerhaven sowie weitere Expeditionen in den nächsten Jahren zeigen.

Am 12. August wird Polarstern Reykjavik mit dem Ziel Ostsibirische See wieder verlassen. Wenn die Eisverhältnisse es zulassen, wird Polarstern über die Nordwestpassage ins Arbeitsgebiet fahren. Dort stehen geowissenschaftliche Messungen im Fokus der Expeditionsteilnehmer. Sie möchten reflexionsseismische Daten erheben, um die tektonische Entwicklung der Schnittstelle zwischen dem Mendelejew-Rücken und dem Ostsibirischen Schelf besser zu verstehen. Zur selben Zeit werden auch amerikanische und kanadische Forscher mit ähnlichen Messprogrammen im Nordpolarmeer unterwegs sein, mit denen sich die Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts über die genauen Einsatzgebiete der jeweiligen Schiffe austauschen werden.

Hinweise für Redaktionen:
Ihre Ansprechpartner sind Prof. Gerhard Kattner (Gerhard.Kattner@awi.de) und Ingo Schewe (Ingo.Schewe@awi.de). Bitte wenden Sie sich wegen der Erreichbarkeit der Wissenschaftler an Ihre Ansprechpartnerin in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Alfred-Wegener-Instituts, Folke Mehrtens (Tel. 0471 4831-2007; E-Mail: Folke.Mehrtens@awi.de). Druckbare Bilder finden Sie unter: http://www.awi.de

Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der fünfzehn Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.

Media Contact

Margarete Pauls idw

Weitere Informationen:

http://www.awi.de

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