Pannenhelfer für die Antibiotika-Produktion entschlüsselt
Die meisten Antibiotika werden von Mikroorganismen produziert, die sich in der Natur mithilfe dieses Gifts gegen Konkurrenten durchsetzen.
Auf der Suche nach neuen Antibiotika versuchen Forscher die Synthesewege in Mikroorganismen zu nutzen und dabei so zu verändern, dass maßgeschneiderte Wirkstoffe entstehen. „Die zunehmende Resistenz vieler für den Menschen gefährlicher Bakterien gegen fast alle zugelassenen Antibiotika macht diese Suche dringender denn je“, erklärt Prof. Volker Dötsch vom Exzellenzcluster Makromolekulare Komplexe der Goethe-Universität.
Theoretisch genügt es, in dem modular aufgebauten Syntheseweg ein Modul gegen ein anderes auszutauschen, um einen neuen Wirkstoff zu erhalten. In der Praxis war dieser Ansatz aber bisher wenig erfolgreich, weil das Zusammenspiel der einzelnen Module kaum erforscht ist. Dötsch's Gruppe, die am Institut für Biophysikalische Chemie seit Jahren Bausteine dieses Puzzles zusammenträgt, ist es jetzt gelungen, einen Pannenservice zu entschlüsseln, der eingreift, wenn die Antibiotika-Produktion ins Stocken gerät.
Vor zwei Jahren hatte das Team bereits einen „Shuttle-Dienst“ entdeckt, mit dessen Hilfe das Antibiotikummolekül während der Synthese von einem Modul zum anderen weitergereicht wird. Kleine, zwischen die Synthesemodule geschaltete Transporteiweiße (Peptidyl-Carrier-Proteine, PCP) befördern das entstehende Molekül von einem Modul zum anderen.
Doch wie bei allen linearen Syntheseprozessen besteht auch hier die Gefahr, dass der Ausfall nur eines Moduls die gesamte Produktionskette lahm legt. Besonders anfällig für Störungen sind dabei die Transporteiweiße. Um die kontinuierliche Produktion der für die Mikroorganismen wichtigen Substanzen zu garantieren, hat die Natur daher einen Reparaturservice eingerichtet, der wie ein Pannenservice auf der Autobahn nach defekten Modulen Ausschau hält und wieder instand setzt.
Über die molekularen Details dieses wichtigen Reparaturservices, ohne den die Produktion von Antibiotika in den Mikroorganismen um etwa 80 Prozent reduziert wäre, berichtet ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Dötsch in der am 14. August erscheinenden Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature“.
Mihilfe der Magnetischen Kernspinresonanz (NMR) konnten die Forscher die Struktur und Funktionsweise des Reparatureiweißes Thioesterase II sowie eines Komplexes dieses Proteins mit einem Transporteiweiß aufklären. „Pannen“ entstehen, wenn die „Andockstelle“ des Transporteiweißes, ein bestimmter Kofaktor, von Molekülen blockiert wird, die nichts mit der Antibiotikasynthese zu tun haben. Doch wie unterscheidet der Pannenhelfer Thioesterase II zwischen einem falsch angedockten Molekül und der wachsenden Antibiotikumkette? Diese Frage konnten die Forscher beantworten, nachdem sie die Struktur der Thioesterase II aufgeklärt hatten.
Der Pannenhelfer ist ein großes Eiweißmolekül, dessen aktives Zentrum, in dem die „Reparaturen“ stattfinden, sich in einer flachen Mulde befindet. Diese ist gerade groß genug, um den Ko-Faktor, modifiziert mit einem kleinen Molekül aufzunehmen. Größere Moleküle, wie die gerade entstehende Antibiotikumkette, passen in diese mobile Reparaturwerkstatt nicht hinein und werden daher auch nicht angetastet.
Informationen: Prof. Volker Dötsch, Institut für Biophysikalische Chemie, Exzellenzcluster Makromolekulare Komplexe, Campus Riedberg, Tel.: (069)-798-29631, vdoetsch@em.uni-frankfurt.de.
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