Wann sind wir alt?
Die historische Alterspyramide gibt es nicht mehr – aus ihr ist längst ein Pilz geworden. Für das Jahr 2050 prognostiziert das Statistische Bundesamt, dass ein Drittel der Deutschen älter als 60 Jahre sein wird. Umgekehrt nimmt der Anteil der jungen Menschen weiter ab. Der Altersaufbau wird sich dann innerhalb von hundert Jahren umgekehrt haben: 2050 wird es mehr als doppelt so viele ältere wie junge Menschen geben.
„Wenn über Altersstrukturen diskutiert wird, ist es notwendig zu klären, was 'Alter' überhaupt für den Einzelnen bedeutet“, erklärt Prof. Dr. Stephan Lessenich von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Dies wird der Jenaer Professor für Vergleichende Gesellschafts- und Kulturanalyse in dem jetzt bewilligten Forschungsprojekt „Zonen des Übergangs.
Dimensionen und Deutungsmuster des Alterns bei jungen, älteren und alten Menschen“ gemeinsam mit Forschern aus der Erziehungswissenschaft, Psychologie und Psychosozialen Medizin in Angriff nehmen. Dabei will das interdisziplinäre Forscherteam in den kommenden drei Jahren nach Alternativen zur gängigen Grenzziehung durch starre Altersgrenzen suchen. Die Untersuchung geht von der subjektiven Wahrnehmung von Altersübergängen aus. Statt klarer Altersgrenzen erwartet das Forschungsteam „Zonen des Übergangs“ zu finden.
„Die Entscheidung, in welcher Altersphase sich ein Mensch befindet, ist von vielen Faktoren abhängig und sehr stark individuell geprägt“, erklärt Lessenichs Kollegin Dr. Silke van Dyk. „Aber auch soziale Strukturen, etwa der Bildungsstand oder die Einbindung in soziale Netzwerke, spielen eine wichtige Rolle bei der Selbstwahrnehmung des Alters.“ Über diese individuellen und sozialstrukturellen Prägungen der Altersübergänge soll die Befragung junger, älterer und alter Menschen Aufschluss geben.
Zur Erhebung der Daten werden mit 100 Probanden Interviews geführt und zum anderen standardisierte Instrumente zur Ermittlung von Altersstereotypen und Einflussfaktoren der Widerstandsfähigkeit eingesetzt. Gerade die Erfahrungsberichte der Probanden werden ein wichtiges Instrument für die Studie sein. „Wie stellen sich junge Menschen das 'hohe Alter' vor? Wie haben es die Alten tatsächlich erlebt? Das sind spannende Gegenüberstellungen für unsere Arbeit“, so van Dyk.
Durchgeführt wird das Forschungsprojekt, das von der VolkswagenStiftung mit 460.000 Euro gefördert wird, durch eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe, die soziologische, psychologische, psychosoziale und sozialpädagogische Altersforscher in sich vereint. „Die Zusammensetzung der Projektgruppe erlaubt es, empirisch ein breites Feld der subjektiven Alterserfahrung zu berücksichtigen und aufeinander zu beziehen“, ist sich Prof. Lessenich sicher.
„Durch die angekündigten Umbrüche und den resultierenden Umbau des Sozialstaates beginnt eine Neuverhandlung über die Rolle der Alten in der Gesellschaft“, weiß der Experte von der Universität Jena. Vor allem für die zukünftige politisch-soziale Gestaltung des Alters und Alterns sollen die Ergebnisse eine Grundlage bilden. „Wir möchten Anknüpfungspunkte liefern, eine gelungene Lebensführung im höheren und hohen Alter aufzubauen, vielleicht sogar politisches Handeln anzuleiten und uns damit der demografischen Herausforderung stellen“, so der Jenaer Soziologe.
Kontakt:
Prof. Dr. Stephan Lessenich
Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Carl-Zeiß-Str. 2, 07743 Jena
Tel.: 03641/945571
E-Mail: stephan.lessenich[at]uni-jena.de
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Weitere Informationen:
http://www.uni-jena.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Gesellschaftswissenschaften
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