Verantwortlichkeit Deutschlands für die Erhaltung von Arten ermittelt

Wissenschaftler von BfN und UFZ legen Studie zu Amphibien und Reptilien vor

 Nach Einschätzung des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) und des Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle (UFZ) ist der weltweite Erhalt der Biologischen Vielfalt, deren Rückgang auch zehn Jahre nach dem Erdgipfel in Rio de Janeiro unvermindert voranschreitet, eines der drängendsten globalen Umweltprobleme geblieben.

Will man zu weltweit tragfähigen Schutzkonzepten kommen, muss sich jede Nation neben der Beachtung nationaler Gefährdungssituationen und internationaler Verpflichtungen die Frage stellen, für welche Arten ihr aus globaler Perspektive betrachtet eine besondere Verantwortung zukommt, wenn es darum geht, den Weltbestand einer Art und deren genetische Vielfalt zu sichern. In Deutschland wurde nun ein bereits für Pflanzen eingeführter Kategorien- und Kriterienschlüssel der Verantwortlichkeit für Tierarten erweitert und in einer Studie modellhaft erprobt. Das Ergebnis ist eine von Wissenschaftlern des Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Naturschutz erarbeitete Veröffentlichung, in der die Verantwortlichkeit Deutschlands für Amphibien- und Reptilienarten dargestellt wird.

Nationale Verantwortlichkeit /Rote Liste
Jeder Staat trägt eine besondere Verantwortung für jene Tierpopulationen, deren Erhaltung im Bezugsraum für das weltweite Überleben dieser Art von großer Bedeutung ist. Dies betrifft in erster Linie Arten, von denen bedeutende Arealanteile oder isolierte Vorposten mit genetischen Besonderheiten in dem jeweiligen Staat liegen. Aber auch für die Erhaltung einzelner Populationen von Arten, die weltweit gefährdet sind, besteht eine besondere Verantwortlichkeit.

Die Wissenschaftler unterscheiden drei Kategorien erhöhter Verantwortlichkeit:

  1. in besonderem Maße verantwortlich – sie wird z.B. Arten zugewiesen, bei denen mehr als ein Drittel des Gesamtareals und wesentliche Teile des Arealzentrums in Deutschland liegen oder die mindestens in zwei Dritteln ihres Weltareals nachweislich vom Aussterben bedroht sind.
  2. stark verantwortlich – unter diese Kategorie fallen z.B. Arten, von deren weltweiten Vorkommen ein Zehntel bis ein Drittel in Deutschland zu finden ist und bei denen Deutschland sich im Arealzentrum befindet.
  3. in besonderem Maße für Vorposten verantwortlich – hier wird die Bedeutung von Populationen, die dauerhaft vom Hauptverbreitungsgebiet isoliert sind oder eigenständige Evolutionseinheiten darstellen, berücksichtigt, denn solche Populationen können für die genetische Vielfalt von Arten eine besonders wichtige Rolle spielen.

Nicht für alle Arten, für die eine nationale Verantwortlichkeit aufgrund der arealkundlichen Analyse festgestellt wird, besteht jedoch sofortiger Handlungsbedarf, da auch ungefährdete Arten darunter fallen können, die also nicht auf der Roten Liste stehen (wie z.B. der Bergmolch). Dies verdeutlicht, dass die Roten-Listen und die Verantwortlichkeitseinstufung unabhängige Bewertungssysteme darstellen, die sich zwar gegenseitig ergänzen, denen jedoch unterschiedliche Philosophien zugrunde liegen.
Rote Listen als Verzeichnisse ausgestorbener, verschollener und gefährdeter Arten haben sich bewährt und bleiben äußerst wichtige und unverzichtbare Bewertungsinstrumente für den Naturschutz. Angesichts der für Artenschutzzwecke nur begrenzt zur Verfügung stehenden Mittel kann jedoch die ergänzende Einschätzung der Verantwortlichkeit ein wichtiges Kriterium für die Prioritätenfindung auf Bundesebene sein.

Projektbeispiel Amphibien und Reptilien
Die deutsche Herpetofauna stellt mit 21 Amphibien- und 14 Reptilienarten eine Tiergruppe von übersichtlicher Größe dar, die allerdings besondere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit genießt. Sie ist daher prädestiniert, neue Konzepte des Naturschutzes modellhaft zu erproben.
Die Amphibien und Reptilien gehören zu den in Deutschland am stärksten gefährdeten Tiergruppen. Insgesamt 71,4 % aller in der Bundesrepublik vorkommenden Arten sind als gefährdet oder extrem selten in der Roten Liste eingestuft.

Eine starke Verantwortlichkeit Deutschlands besteht für insgesamt fünf Amphibienarten, so beispielsweise den Bergmolch, den Kammmolch und die Gelbbauchunke. Für isolierte Vorpostenpopulationen trägt die Bundesrepublik eine besondere Verantwortung beim Springfrosch in Nordost-Deutschland und bei insgesamt fünf Reptilienarten, darunter auch die beiden besonders prachtvollen Smaragdeidechsen oder die Äskulapnatter.

Fazit
Bei der Prioritätensetzung für Naturschutzmaßnahmen wäre es wünschenswert, dass sowohl die nationale Verantwortlichkeit als auch die Gefährdungssituation (Rote Liste) neben den rechtsverbindlichen internationalen Verpflichtungen berücksichtigt werden. Es ist daher anzustreben, auch für weitere Tiergruppen die Ermittlung der Verantwortlichkeit Deutschlands in Angriff zu nehmen.


Hinweis: 
Steinicke, H., Henle, K. & Gruttke, H. (2002): Bewertung der Verantwortlichkeit Deutschlands für die Erhaltung von Amphibien- und Reptilienarten. – Landwirtschaftsverlag, Münster-Hiltrup, 96 S. Die Studie kann über den Buchhandel oder direkt beim BfN-Schriftenvertrieb im Landwirtschaftsverlag, 48084 Münster, Telefon 02501/801-300, Fax 02501/ 801-351 oder über Internet unter www.lv-h.de/bfn

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Susanne Hufe idw

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