Neuer Gender-Index: Daten zur Chancengleichheit von Frauen und Männern für alle kreisfreien Städte und alle Landkreise
Das Web-Portal http://www.gender-index.de liefert Zahlen und Grafiken, die für jeden deutschen Landkreis und jede kreisfreie Stadt zeigen, wo Frauen und Männer bei den Schlüsselthemen Beruf, Ausbildung und politische Partizipation stehen. Das neue Angebot hat die Hans-Böckler-Stiftung in Kooperation mit dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) aufgebaut.
Am heutigen Montag wird es in der schwedischen Botschaft in Berlin im Beisein von Botschafterin Ruth Jacobi vorgestellt. Die Veranstaltung steht unter der Schirmherrschaft von Karin Roth, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Michael Sommer, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes und des Vorstandes der Hans-Böckler-Stiftung, schaltet den neuen Index frei: „Der Gender-Index zeigt, dass jede Region gute Index-Werte erreichen kann, wenn sie will. Diese neue Vergleichbarkeit wird den politischen Wettbewerb um mehr Chancengleichheit verstärken“, so Sommer. „Wer den Alltag verbessern will, braucht lokale Informationen, leicht zugänglich und systematisch aufbereitet. Genau die liefert der Index“, sagt Nikolaus Simon, der Sprecher der Geschäftsführung der Hans-Böckler-Stiftung.
– 19 Indikatoren zu Bildung, Berufstätigkeit und politischer Teilhabe –
Kernstück des neuen Gender-Indexes ist eine Deutschlandkarte, über die sich mit wenigen Klicks für jeden Kreis und jede kreisfreie Stadt ermitteln lässt, ob die Berufs- und Bildungs-Situation von Frauen und Männern ähnlich ist, oder nicht. Dazu haben die Index-Expertinnen Katrin Meyer und Antonia Milbert vom BBR 19 Indikatoren aus verschiedenen amtlichen Statistiken geschlechtsspezifisch ausgewertet.
Der Index bezieht die Quote der Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher ebenso ein wie die der Abiturientinnen und Abiturienten und die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen. Die Chancenverteilung auf dem Arbeitsmarkt misst das Instrument unter anderem an den Erwerbs- und Arbeitslosenquoten von Frauen und Männern, an den durchschnittlichen Einkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie an den Zahlbeträgen, die Rentnerinnen und Rentner erhalten. Maßstab für die politischen Partizipationschancen ist im Index das zahlenmäßige Verhältnis von weiblichen und männlichen Ratsmitgliedern sowie von Frauen und Männern im Bürgermeisteramt. Als Ergänzung zum eigentlichen Gender-Index sind regionale Hintergrundinformationen in Karten und Tabellen zu finden. Sie informieren beispielsweise über die Altersstruktur der Bevölkerung nach Geschlecht oder über die Infrastruktur für die Betreuung von Kleinkindern und Pflegebedürftigen.
In Schweden hat man sehr gute Erfahrungen mit dieser Form der Transparenz gemacht. Für Kommunen, die einen guten Index-Wert erreichen, ist das ein Standortvorteil. Für die, die schlechter dastehen, ein Warnsignal und eine Hilfestellung, hat eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Vorstudie von Mechthild Kopel und Gerhard Engelbrech ermittelt. Diese Funktion soll der Index nun auch in der Bundesrepublik übernehmen. „Durch die Zusammenarbeit von BBR und Hans-Böckler-Stiftung sind wir schnell vorangekommen. Ein Jahr nach dem Erscheinen der Machbarkeitsstudie zum Index können wir jetzt das Webportal freigeben, in das viele Daten aus unserem aktuellen räumlichen Informationssystem einfließen“, sagt Dr. Hans-Peter Gatzweiler, Leiter der Forschungsabteilung des BBR. Und jedes Jahr, wenn der Index aktualisiert wird, können regionale Politikerinnen und Politiker verfolgen, ob sich ihr Einsatz für Chancengleichheit und „Gender Mainstreaming“ in der Statistik ausgewirkt hat.
– Geringe Unterschiede zwischen den Geschlechtern signalisieren nicht automatisch hohen Wohlstand –
Dabei zeigt ein Blick auf die aktuelle Rankingliste, in der Kreise und Städte nach niedrigem oder hohem Grad der Geschlechterungleichheit geordnet sind, dass nicht nur besonders prosperierende Regionen einen guten Wert im Gender-Index erreichen können. So finden sich auf vorderen Plätzen sehr unterschiedliche Kreise wie Bitterfeld, Starnberg, Leipziger Land, Ludwigslust, Teltow-Fläming, Parchim und Freiberg sowie Städte wie Rostock, Dresden, Freiburg im Breisgau und Berlin. „Niedrige Index-Werte, also relative Chancengleichheit, dürfen nicht automatisch mit guten regionalen Voraussetzungen, hohem Wohlstand oder besonders guter Strukturpolitik gleichgesetzt werden“, erklären die Index-Expertinnen Katrin Meyer und Antonia Milbert. „Im Extremfall kann Chancengleichheit auch bedeuten: Frauen und Männer haben gleich schlechte Chancen. Deshalb ist es immer wichtig, im Einzelfall zu klären, wie der Indexwert zustande gekommen ist.“
– Deutschland im Index: Erste räumliche Tendenzen –
Stark vereinfacht, lassen sich auf Basis des Indexes derzeit zwei zentrale Aussagen zu regionalen Ausprägungen treffen:
=> In ostdeutschen Regionen sind Frauen und Männer im Durchschnitt stärker gleichgestellt. Sie finden oft ein gut ausgebautes Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen vor. Das beeinflusst die Frauenerwerbstätigkeit positiv; die Erwerbsverläufe von Frauen und Männern sind sich hier ähnlicher. Dadurch sind die Renten vieler Frauen annäherungsweise so hoch wie die der Männer. Die höhere Arbeitslosigkeit und die geringeren Verdienste als in Westdeutschland treffen Frauen und Männer gleichermaßen. Nur in einigen ländlichen Regionen haben Frauen im Vergleich schlechtere Chancen, was den Indexwert dann verschlechtert.
=> In den westdeutschen Großstädten sind Frauen und Männer stärker gleichgestellt als im übrigen Gebiet Westdeutschlands. Die Erwerbsmöglichkeiten sind für beide Geschlechter höher und die Einkommensmöglichkeiten inklusive der Rentenzahlungen besser. Allerdings sind auch hier wie in Westdeutschland insgesamt die Unterschiede zwischen Frauen und Männern deutlicher spürbar als in ostdeutschen Regionen. Und nicht immer bedeutet Gleichheit gute Chancen: die Rate der Schulabbrecher, der Anteil der Jobs mit geringen Qualifikationsanforderungen und die Zahl der Minijobs ist in den Kernstädten unter beiden Geschlechtern jeweils höher als in anderen Kommunen.
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