Neue Haut aus alten Schalen
Nach drei Jahren intensiver Forschungsarbeit ist das europäische Forschungsprojekt „NanoBioSaccharides“, an dem Wissenschaftler aus sieben Ländern beteiligt waren und das von der Universität Münster aus koordiniert wurde, erfolgreich zu Ende gegangen.
Ziel des Projekts war es, aus Krabbenschalen gewonnenes Chitin mit Hilfe von chemischen und biologischen Methoden in Chitosan zu verwandeln, das vor allem für medizinische Anwendungen eingesetzt wird. Chitosan gilt beinahe als ein „Wundermittel“, mit dem man zum Beispiel Pflanzen vor Krankheiten schützen kann oder aus dem Wundverbände hergestellt werden, unter denen selbst großflächige und schwierige Wunden ohne Narben verheilen können. Die Europäische Kommission hatte insgesamt rund 2,5 Millionen Euro für das Projekt zur Verfügung gestellt.
„Leider funktioniert die Wundheilung durch Chitosan nicht immer“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Bruno Moerschbacher vom Institut für Biochemie und Biotechnologie der Pflanzen der WWU. Diese mangelnde Zuverlässigkeit verhindert bisher den Einsatz von Chitosan für entsprechende Zwecke. „Das ist auch deswegen schade, weil Chitosan als natürliche Substanz, die in großen Mengen aus einem Abfallstoff gewonnen werden kann, geradezu einen idealen Rohstoff darstellt.“ Forscher um Prof. Moerschbacher wollen das Chitosan und seine Wechselwirkungen mit menschlichen Zellen und Geweben daher auf molekularer Ebene verstehen. Dieses Wissen soll in Zukunft dazu genutzt werden, um „Designer-Chitosane“ herzustellen, die eine genau bekannte und zuverlässig vorhersagbare Wirkung im menschlichen Körper entfalten.
In dem EU-Projekt haben die Forscher zum Beispiel untersucht, warum Chitosan, wenn man es in Wasser löst, spontan Nanopartikel formt, und wie diese von bestimmten Körperzellen aufgenommen werden. Dieses Wissen haben sie genutzt, um die Chitosan-Nanopartikel als Transportmittel zu verwenden, mit deren Hilfe beispielsweise Insulin direkt über die Nasenschleimhaut aufgenommen werden und wirken kann, ohne dass es mit einer Spritze injiziert werden muss. Ebenso haben sie untersucht, welche Enzyme in menschlichem Gewebe in der Lage sind, Chitosan abzubauen, und welche Wirkungen auf die Wundheilung die dabei entstehenden Bruchstücke haben. „Bei Säuglingen wurde mehrfach das ‚Wunder' beobachtet, dass sie mit großflächigen, eigentlich tödlichen Verbrennungen dritten Grades unter Chitosanverbänden nicht nur überlebten, sondern dass wieder eine vollständig neue und narbenfreie Haut nachwuchs“, so Prof. Moerschbacher. „Dank unserer neuen Erkenntnisse gelingt es künftig vielleicht, ein zuverlässig wirksames Produkt gegen Verbrennungen zu entwickeln, das man einfach in der Apotheke kaufen kann.“ Daher waren auch Firmen, die solche Anwendungen entwickeln können, von Anfang an Partner im Projekt, von Chitosan-Herstellern bis zu kleinen und großen Firmen aus der Pharmazie- und Lebensmittelbranche.
Zum Abschluss des Projekts, an dem Biologen, Chemiker und Mediziner aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Dänemark, Italien, Thailand und Indien beteiligt waren, haben sich die Wissenschaftler zu einer zweitägigen Konferenz in Hyderabad (Indien) getroffen. Dort arbeitet einer der internationalen Partner daran, aus Chitosan ein zuverlässig wirksames Pflanzenschutzmittel herzustellen. Mehr als 600 Tagungsteilnehmer – vom Studenten zum Professor – diskutierten und entwickelten neue Ideen. „Diese Ideen werden vielleicht schon bald im ersten deutsch-indischen Graduiertenkolleg der Universitäten Münster und Hyderabad, das kürzlich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewilligt wurde, umgesetzt“, so Moerschbacher. „Denn noch sind nicht alle Wunder des Chitosans enträtselt.“
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