Zielstruktur für maßgeschneiderte Fungizide

Frankfurter Max-Planck-Wissenschaftler enthüllen molekulare Architektur und Wirkungsweise einer für Pilze und Hefen typischen Protonenpumpe

Proteine, die Ionen und andere Stoffe durch die Außenmembran der Zelle transportieren, gehören zur Grundausstattung aller Organismen. Durch Vergleich mit der Struktur einer Kalzium-Pumpe haben Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt die Struktur und den Regulationsmechanismus der Protonenpumpe in einer Hefe aufgeklärt Science Express, 8. August 2002). Der Regulationsmechanismus bildet einen potentiellen Angriffspunkt für neue Fungizide.

Die in allen Hefe- und Pflanzenzellen vorkommenden Protonen-ATPasen pumpen Protonen durch die Plasma-Membran und kontrollieren so den pH-Wert in der Zelle. Das resultierende elektrochemische Membranpotential ist für den aktiven Transport von Nährstoffen, Ionen und Stoffwechselprodukten lebensnotwendig. Prof. Werner Kühlbrandt und seine Mitarbeiter vom Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt haben jetzt ein Modell der Hefe-Protonenpumpe und den Regulationsmechanismus dieses wichtigen Membranproteins veröffentlicht.

Die Hefe-Protonenpumpe gehört zur Familie der so genannten P-Typ-ATPasen. Es handelt sich um große Membranproteine, die Adenosin-Triphosphat (ATP) als Energiequelle verwenden und über einen gemeinsamen Reaktionszyklus zentrale Funktionen in allen Organismen wahrnehmen. Zur dieser Familie gehören die Natrium-Kalium-ATPase, die den Herzrhythmus reguliert, die Protonen-Kalium-ATPase, die die Magensäure erzeugt, und die Kalzium-ATPase, die die Kontraktion der Skelettmuskulatur bewirkt.

Die genaue Kenntnis der räumlichen Struktur eines Proteins ist die Grundvoraussetzung für das Verständnis seiner Funktion. Als erste und bisher einzige atomare Struktur einer Ionenpumpe wurde vor zwei Jahren die der Kalzium-ATPase von einer Forschergruppe an der Tokyo-Universität röntgenkristallographisch bestimmt. Von der Protonen-ATPase gab es bisher nur eine weniger genaue Struktur, die 1998 von den Wissenschaftlern um Prof. Kühlbrandt am Max-Planck-Institut für Biophysik mit Hilfe der Elektronen-Kryomikroskopie zweidimensionaler Kristalle aufgeklärt wurde (vgl. PRI 1998 „Struktur einer Protonenpumpe gibt erste Hinweise auf molekulare Mechanismen des Ionentransports durch die Zellmembran„).

Abb. 1: Homologie-Modell der Protonenpumpe (farbiges Band) nach Einpassen in die elektronenmikroskopisch bestimmte Dichtekarte (blaues Netz).
Bild: Max-Planck-Institut für Biophysik“

Da die Struktur der beiden Makromoleküle wegen ihrer Verwandtschaft ähnlich ist, konnte die Frankfurter Gruppe auf der Grundlage der Kalzium-ATPase-Struktur ein Homologie-Modell der Protonenpumpe berechnen. Dieses Modell passten sie dann in die elektronenmikroskopisch bestimmte dreidimensionale Dichteverteilung ein (Abb.1). Dabei zeigte sich, dass einzelne Segmente des Moleküls überraschend große Bewegungen durchführen, die ein wichtiges Element des Pumpzyklus darstellen. So führt der Teil des Moleküls, der den Energieträger ATP einfängt, eine Scharnierbewegung von mehr als 70 Grad aus und ermöglicht so die Freisetzung der Energie, die dann über Strukturelemente, die allen Ionenpumpen dieses Typs gemeinsam sind, zur Protonenbindungsstelle in der Membran weitergeleitet wird. Dort bewirkt diese Energie eine Konformationsänderung, in deren Ergebnis dann das gebundene Proton auf der Außenseite der Zellmembran freigesetzt wird (Abb. 2).

Abb. 2: Schema des Protonen-Pumpzyklus. In der kristallisierten Form (links oben) bindet die regulatorische Einheit (R) an den Hauptteil des Proteins, wodurch die Pumpe inaktiviert wird. N, P, A und M bezeichnen die vier Hauptsegmente des Pumpe. Pi bezeichnet reversibel gebundene Phosphatgruppen, M1-M5 die energieübertragenden Strukturelemente des M-Segments.
Bild: Max-Planck-Institut für Biophysik“

Darüber hinaus zeigt das Modell, wie die Aktivität der Protonenpumpe in der Zelle reguliert wird. Die Forscher entdeckten, dass die letzten 38 der insgesamt 920 Aminosäuren, aus denen das Makromolekül besteht, eine separate Einheit bilden. Diese kleine Einheit bindet an den Hauptteil des Moleküls und hemmt dadurch offenbar die für den Pumpzyklus notwendige Scharnierbewegung der ATP-bindenden Einheit. So wird verhindert, dass die für den Protonentransport erforderliche Energie freigesetzt wird. Zum Beweis dieses Regulationsmechanismus konnte die Frankfurter Gruppe zeigen, dass ein synthetisches Peptid aus den 38 Aminosäuren die Aktivität der Protonenpumpe auf den zehnfachen Wert steigert, indem es diesen Hemmschuh aus seiner Bindungsstelle verdrängt.

Da die Hefen-Protonenpumpe in menschlichen und tierischen Zellen nicht vorkommt, bildet sie einen wichtigen Angriffspunkt für Medikamente, die gegen pathogene Hefen und Pilze wirksam sind. Wirkstoffe, die in den jetzt entdeckten Regulationsmechanismus der Protonenpumpe von Hefen und Pilzen eingreifen, bilden deshalb eine vielversprechende Grundlage für die Entwicklung neuer, dringend benötigter Fungizide.

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Prof. Werner Kuehlbrandt
Max-Planck-Institut für Biophysik
Heinrich-Hoffmann-Str. 7
D-60528 Frankfurt am Main Germany
Tel.: 0 69 – 9 67 69 – 3 99
Fax: 0 69 – 9 67 69 – 3 59
E- Mail: kuehlbrandt@mpibp-frankfurt.mpg.de

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Dr. Bernd Wirsing Max-Planck-Gesellschaft

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