Der Wald als Warenlager- wie Forstwirtschaft und Holzindustrie effizienter zueinander finden

Forstwirtschaft und Holzindustrie sind keine Antagonisten, sie leben vom gleichen Produkt: Holz. Doch auch wenn sie aufeinander angewiesen sind, liegt doch eine entscheidende Hürde zwischen beiden Branchen. Wenig weiß der Forst über seine Bestände, viel muss die Holzindustrie wissen über ihren Rohstoff.

Sägewerke & Co. brauchen Auskünfte über Baumarten, über Sorten, Mengen und Qualitäten ebenso wie über Lieferfristen und Standortbedingungen.

Doch angesichts des vielfältigen natürlichen Spektrums des Forstes und der weitgehend kleinteiligen Struktur des Waldbesitzes ist es schwierig, all diese Einzelinformationen für einen Bestand in einer Gesamtinformation zusammenzuführen.

In der Folge nun liegt eine Hürde zwischen Forst- und Holzwirtschaft, die der reibungslosen Bereitstellung des Holzes im Wege steht.

Dieses Hindernis zu überwinden, war die Aufgabe, der sich der Forschungsverbund „MatchWood – vom Baum zum Produkt“ beim Start gestellt hat. Von Freiburg aus befassten sich insgesamt elf Partner aus Forschung und Industrie mit der Analyse, der Gestaltung und der Optimierung des Material- und Informationsflusses nach den Grundsätzen der Prozessorientierung mit dem Ziel einer höheren Wertschöpfung für alle Beteiligten. Dabei gehört der Forschungsverbund „MatchWood“ zu den 25 Verbünden, die unter dem Dach des Förderschwerpunktes „Nachhaltige Waldwirtschaft“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (2005 bis 2010) handlungsorientierte Nachhaltigkeitskonzepte für Gegenwart und Zukunft bereitstellen.

Nach mittlerweile drei Jahren intensiver Arbeit fällt die Antwort von „MatchWood“ jetzt eindeutig aus. „Wir können eine Entscheidungskette vom Baum zum Produkt vorlegen, die es erlaubt bestandesspezifische, nutzungsspezifische und kundenspezifische Informationen zu bündeln“, bilanziert Prof. Gero Becker. „Und auf diese Weise lassen sich die Prozesse vom Wald bis zum Verbraucher spürbar optimieren.“ Der Forstwissenschaftler von der Universität Freiburg hat die wissenschaftliche Leitung des Forschungsverbundes „MatchWood“ inne.

Tragende Idee von „MatchWood“ ist es, die Eigenschaften des Rohstoffes Holz mit den Anforderungen der Holzindustrie und des Verbrauchers zusammenzubringen. Dabei gliedert sich die Entscheidungskette zwischen dem Lieferanten Forstwirtschaft und dem Kunden Holzindustrie in verschiedene Stationen: Im Wald erfolgt die Erfassung der Ressource Holz und die Planung des Einschlags durch den Waldbesitzer: Das Fällen, Vorliefern, Rücken und Poltern der Stämme erfolgt i. d. R. durch Forstunternehmer, während Transport und Transportlogistik bei Spediteuren liegen. Beim Verbraucher (Papier-, Platten- und Sägeindustrie) schließlich liegt die Verarbeitung des Holzes. Bislang gibt es für jede dieser Stationen unterschiedliche Informationen: unterschiedlich in ihrer Aussagekraft und unterschiedlich in ihrer Passfähigkeit zur nächsten Station.

Um dieses „Wirrwarr“ aufzulösen, folgten die Freiburger Forstwissenschaftler mit ihren Praxispartnern dem Weg des Holzes: Anfänglich wandten sie sich der Ressource Holz auf der Ebene des Bestandes zu. Aus den bisher üblichen Verfahren – Betriebsinventur und Forsteinrichtung – lässt sich eine punktförmige Beschreibung, vor allem der Baumarten, auf betrieblicher Ebene gewinnen. Künftig können diese Informationen mittels Verknüpfung von Inventurdaten, terrestrischen Informationen, Laserscanning und Multispektralaufnahmen vom Punkt auf die Fläche erweitert werden. In der Folge ist jetzt eine numerische Beschreibung eines Bestandes möglich, es lässt sich der Vorrat und die Sortenstruktur von Baumartengruppen einschätzen und die Qualität von Baumschäften erfassen – kurzum das „Warenlager Wald“ kann differenziert nach Baumgruppen gekennzeichnet und beschrieben werden. Damit ist das Fundament gelegt, um das „Warenlager Wald“ richtig zu nutzen – das heißt, das richtige Holz dem richtigen Betrieb zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen. Dabei richtet sich der Fokus sowohl auf die Optimierung von Holzernte und Holztransport als auch auf den Abgleich zwischen natürlichen Holzeigenschaften und industriellen Holzanforderungen. Letztlich ist es am effektivsten, die einzuschlagenden Bäume im Wald nach genau jenen Rohholzmerkmalen auszuwählen, die für die Produktlinien im Werk relevant sind. Am Beispiel der Produktlinien Nadelstammholz und Nadelindustrieholz konnten die Forscher von „MatchWood“ zeigen, dass sich Zusammenhänge zwischen äußerer und innerer Holzqualität herstellen lassen und dass sich – für das Produkt Papier – das eingekaufte Rundholz je nach Herkunft spezifischen Papiersorten und Papierfabriken zuordnen lässt. In der Umkehrung kann wiederum der Einschlag von Holz entsprechend dieser qualitativen Kriterien geplant und realisiert werden.
Damit schließt sich der Kreis: Wenn der Kunde nicht nur irgendwelches Holz aus dem Wald bekommt, sondern Holz mit genau den äußeren und inneren Eigenschaften, die für das jeweilige Produkt benötigt werden, und dies genau zu dem Zeitpunkt, der im Ablauf des Verarbeitungsprozesses iegt, dann ist tatsächlich eine integrierte Holzabsatzkette gewachsen, dann kann tatsächlich von einer Lenkung der Stoffströme gesprochen werden. „Es geht uns nicht darum, alle Informationen und Verfahren neu aufzunehmen bzw. neu zu erfinden“, erläutert Prof. Gero Becker, „vielmehr wollen wir die bekannten Daten und Module so miteinander verbinden, dass ihre Gesamtheit mehr Aussagen bietet als ihre einfache Summe.“

Inzwischen zeichnen sich die Wege deutlich ab, mit denen die Abläufe und Prozesse zwischen einer naturnahen Forstwirtschaft und einer industriellen Holzverarbeitung optimiert werden können. Entscheidend ist es, die von „MatchWood“ entwickelten Tools auf die Handlungs- und Entscheidungsebene herunterzubrechen. Heißt: Die Daten und Module auf einer Kommunikationsplattform zusammenzuführen und zugänglich zu machen; und die beteiligten Akteure zu motivieren und zu aktivieren, den Datenaustausch zu betreiben und zu nutzen. Der Grund ist einfach: Für die Zukunft der differenzierten, kleinteiligen Forstwirtschaft und das Wachstum der Holzindustrie in Deutschland und in Mitteleuropa ist es entscheidend, inwieweit aus dem „Warenlager Wald“ die benötigten Holzmengen über zeitlich und räumlich präzise gesteuerte Nutzungen zum richtigen Zeitpunkt, in der erforderlichen Menge und mit der jeweils benötigten spezifischen Holzqualität nachhaltig und kostengünstig bereit gestellt werden können. Gelingt es, dieses Wertschöpfungspotential zu nutzen, lässt sich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Forstwirtschaft und der deutschen Holzindustrie auch im globalen Kontext gewährleisten. Die Freiburger Forstwissenschaftler um Prof. Gero Becker jedenfalls bleiben dran am Thema. Sie streben an, ihre Untersuchungen in Forschungsprogrammen wie KMU-innovativ (http://www.hightech-strategie.de/de/388.php) oder WoodWisdom (http://www.woodwisdom.net) fortzusetzen.

Der Forschungsverbund „MatchWood – Vom Baum zum Produkt:
Wertschöpfung durch Prozessoptimierung im Rahmen naturnaher Waldbewirtschaftung“ gehört als eines von 25 Verbundprojekten zum Förderschwerpunkt „Nachhaltige Waldwirtschaft“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Das BMBF finanziert den Förderschwerpunkt im Zeitraum 2005 bis 2010 mit rund 30 Millionen Euro. Am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ ist die Wissenschaftliche Begleitung und Koordinierung des Förderschwerpunktes angesiedelt. Aufgabe der Wissenschaftlichen Begleitung ist es, auf nationaler und europäischer Ebene ein Netzwerk für Wissenschaft und Praxis zu schaffen und zu koordinieren; von hier aus wird auch die Öffentlichkeitsarbeit für den Förderschwerpunkt gesteuert. In seiner Gesamtheit befasst sich der Förderschwerpunkt vor allem mit drei Fragestellungen: Wie kann die Wertschöpfungskette Forst-Holz sowohl gewinnorientiert als auch ökologisch verträglich und sozial gerecht optimiert werden? Wie können Waldlandschaften so genutzt werden, dass die Lebensqualität der Menschen verbessert wird und gleichzeitig die Ressourcen langfristig gewährleistet sind? Wie sieht der Wald der Zukunft aus?
Weitere Informationen:
Daniela Weber
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0341-235-1791
E-Mail: daniela.weber@ufz.de
Prof. Gero Becker
Institut für Forstbenutzung und Forstliche Arbeitswissenschaft
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Werthmannstraße 6 , 79085 Freiburg
E-Mail: fobawi@fobawi.uni-freiburg.de
Tel.: 0761/203 3764
oder über:
Doris Böhme / Tilo Arnhold
Pressestelle Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0341-235-1269
E-Mail: presse@ufz.de
Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 25.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,3 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).

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