Hochwasserereignisse – wissenschaftliche Kompetenz zum Flussgebietsmanagement

Seit Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler – unter anderem aus dem Umweltforschungszentrum Leipzig – mit Fragen des Flussgebietsmanagements.
In diesen Tagen der Flutkatastrophe wird die Frage laut „Was tut Wissenschaft und Forschung ?“ Diese Frage soll mit diesem Papier für das UFZ beantwortet werden. Gleichzeitig betonen die Wissenschaftler noch einmal ihre schon seit langem angemahnten und aus ihrer Sicht als absolut vordringlich anzusehenden Maßnahmen zur Verhinderung solcher Ereignisse, über deren Umsetzung sie selbst letztlich keine Entscheidungsgewalt haben!

Im UFZ werden derzeit umfangreiche Forschungsanstrengungen zum Management von Flusseinzugsgebieten durchgeführt und in einem größeren Forschungsverbund gebündelt.
Die Arbeiten konzentrieren sich auf die Quantifizierung des Wasser- und Stoffhaushalts, der ökologischen Funktionsfähigkeit sowie der sozioökonomischen Bewertung von Flussgebieten und der darauf aufbauenden Entwicklung von übertragbaren Managementstrategien zur nachhaltigen Entwicklung der Flusslandschaften. Im Mittelpunkt stehen Steuerung der Wasser-, Sediment- und Nährstoffflüsse sowie die ökologisch-öknomische Analyse und Bewertung von Auenfunktionen in Flussgebieten. Um Szenarien zu analysieren und zukünftige Managementmaßnahmen zu empfehlen, werden mathematisch-hydrologische Modellierungswerkzeuge und Entscheidungshilfesysteme entwickelt und getestet. Neben naturwissenschaftlichen Aspekten werden sozioökonomische Faktoren mit einbezogen, wie beispielsweise die Kosteneffizienz auch von Maßnahmen des Hochwasserschutzes oder der volkswirtschaftliche Nutzen von natürlichen Überflutungsflächen.

In kleinen Experimentaleinzugsgebieten (Parthe, Einzugsgebiet bei Leipzig, Weida Zeulenroda (Oberlauf der Weißen Elster), Schäferbach (Hochwasserentstehungsgebiet im Harz)) werden detaillierte Untersuchungen zum Wasserhaushalt und zur Entstehung von Oberflächenabflüssen und Hochwassern durchgeführt. Beispielsweise wird der Einfluss von unterschiedlichen Faktoren wie Landnutzung, Bodenbearbeitung, Topografie oder auch speziell von Schneeabtauprozessen auf die Hochwasserentstehung und den hiermit verbundenen Sediment- und Schadstofftransport untersucht. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden in regionalen Flussgebietsanalysen, die am Beispiel der Saale und ihrer Zuflüsse durchgeführt werden, auf größere Einzugsgebiete extrapoliert. Mit diesen Forschungsarbeiten werden Managementkonzepte für die Verminderung von Oberflächenabfluss und den hiermit verbundenen Sediment- und Schadstofftransporten erarbeitet, beispielsweise werden Empfehlungen für eine gezielte Änderung der Landnutzung erarbeitet oder auch Prognosen zur Abflussentstehung bei veränderten meteorologischen Rahmenbedingungen erstellt.

Mit den Hochwassern werden stets auch extreme Sediment- und Schlammmengen transportiert, die durch Erosion insbesondere auf landwirtschaftlich genutzten Flächen als auch im Gewässerbett in das Gewässersystem gelangen. Die Bodenabträge führen zum einen zum Verlust wertvoller Ackerkrume und einer Minderung des landwirtschaftlichen Ertragspotentials als auch zur Belastung der Gewässersysteme und der Randmeere. Bei extremen Überflutungen besiedelter Bereiche führen nicht zuletzt die Schlammmassen zu einer Erhöhung des Schadenspotentials. Im UFZ werden speziell Untersuchungen zur Verminderung dieser Sedimenttransporte bei Hochwassern durchgeführt und Managementmaßnahmen entwickelt. Aus den Projekten können allgemeine Handlungsempfehlungen für die Verminderung des Hochwasserabflusses und möglicher Kontaminierungsprobleme aus diffusen Quellen (Altlasten) abgeleitet werden. Für die jeweiligen Flussgebiete sind jedoch in jedem Fall spezifische Modellanwendungen erforderlich. Gerade für extreme Niederschlagsereignisse sind die Abflussvorhersagen immer noch mit großen Unsicherheiten behaftet.

Im Bereich der Gewässergüte wurden und werden der Transport von Sedimenten und der an diesen gebundene Schadstoffe bei Hochwasser in der Elbe als auch derzeit im Flussgebiet der Saale untersucht. An der Elbe wurde die Belastung von Auen durch Schadstoffeinträge in Hochwassersituationen analysiert und die räumliche Verteilung beispielsweise von Cadmiumeinträgen in die Auen abgebildet. In den hoch belasteten Auenbereichen ist Cadmium immer noch ein Kontaminierungsproblem, da Grenzwerte überschritten werden. Hierauf aufbauend wurden Empfehlungen für die landwirtschaftliche Nutzung der Überflutungsflächen erarbeitet. Die derzeitigen Einträge stammen z.T. aus rezenten industriellen Einleitungen (insbesondere aus Tschechien). Der Anteil aus Altlasten, d.h. aus alten Schadstoffablagerungen im Gewässersystem ist jedoch beträchtlich. Im Saalegebiet laufen derzeit Untersuchungen zur möglichen Remobilisierung von Schwermetallen und organischen Schadstoffen in den Staubereichen der unteren Saale. Gerade bei extremen Hochwassern können diese Schadstoffe evtl. wieder freigesetzt werden und flussabwärts insbesondere Überflutungsauen kontaminieren. Derzeit ist unklar, bei welchen Strömungsgeschwindigkeiten und physiko-chemischen Bedingungen die Schadstoffe remobilisiert werden. Die Rücklösung der Schadstoffe aus Auenböden wurde und wird im Einzugsgebiet der Elbe und der Saale untersucht.

Durch die Überflutung der Mulde wurde der Goitschesee binnen kürzester Zeit auf ca. 74,5 mNN gefüllt und hat einen massiven Eintrag an Nährstoffen erfahren. Die Erkenntnisse aus der Fließgewässerforschung zur Wassergüte von Flüssen bei Hochwasser und die Ergebnisse der durch BMBF- und LMBV-Förderung mitgetragenen Forschung zur Entwicklung der Wassergüte im Goitschesee während der planmäßigen Flutung lassen jedoch erwarten, dass kurzfristig keine Eutrophierungsgefahr für den See besteht. Die eingetragenen Nährstoffe sind vermutlich weitgehend partikulär gebunden und sollten daher sedimentieren. Genaue Aussagen wird das UFZ nach Abklingen der derzeitigen Ereignisse machen können, denn dann ist der Vergleich mit den im Rahmen zahlreicher Forschungsarbeiten erhobenen Daten vor der Flutkatastrophe möglich.
Das mittel- und langfristige Verhalten insbesondere der Phosphorverbindungen im Sediment ist jedoch unklar. Sie können mit Zeitverzögerung zu einer Eutrophierung führen, wenn die chemischen Bindungen im Sediment durch anoxisches Milieu aufgehoben werden. Diese Fragestellung ist für die besonderen Bedingungen in Sedimenten ehemals saurer Bergbauseen mit ihrem sehr spezifischen chemischen Milieu bisher nicht hinreichend erforscht und ist Gegenstand derzeit in Beantragung befindlicher Projekte.

Aus Sicht der hydrologischen, sozioökonomischen und ökologischen Umweltforschung mit Bezug zur Hochwasserproblematik sind folgende Maßnahmen als absolut vordringlich anzusehen:

  • Stopp der Bebauung und weiteren Siedlungs-, Verkehrs- und Infrastrukturentwicklung in den natürlichen Überschwemmungsgebieten. Neue Bebauung schafft immer auch potenzielle Hochwasserschäden in der Zukunft und verstärkt gleichzeitig die Hochwassergefahr in flussabwärts gelegenen Gebieten.
  • Verbesserte Sicherung vorhandener Gefahrenquellen, wie beispielsweise Chemiepark Bitterfeld, und vordringliche Altlastenberäumung in Auen (Beispiel Neratovice bei Prag).
  • Wiederherstellung natürlicher Überschwemmungsflächen beispielsweise durch Deichrückverlegungen. Auf diese Weise wird die Retention und damit der Hochwasserrückhalt verbessert sowie ein zeitliches „Auseinanderziehen“ und Abflachen der Abflussspitzen erreicht.
  • Vermeidung technischen Gewässerausbaus und Förderung des Gewässerrückbaus. Dadurch verringern sich Fließgeschwindigkeiten und Abflussspitzen.
  • Standortgerechte land- und forstwirtschaftliche Nutzung im Einzugsgebiet zur Reduzierung von Oberflächenabflüssen und zum Wasserrückhalt in der Landschaft. Dadurch wird eine zeitliche Verzögerung der Abflussspende in die Fließgewässer erreicht.
  • Reduzierung der Neuversiegelung von Flächen entsprechend der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung und Förderung von Entsiegelungsmaßnahmen, dezentraler Regenwasserentsorgung, etc.
  • Entwicklung von Steuerungsinstrumenten einer effizienten Hochwasservorsorge in Flusseinzugsgebieten (z.B. zur Durchsetzung von Vorsagemaßnahmen nicht nur auf programmatischer Ebene, sondern bis hin zur Schaffung von Restriktionen und Anreizen zur Förderung von Retentionsräumen gerade auch auf kommunaler Ebene)

Dies sind seit vielen Jahren allgemein anerkannte Forderungen nicht nur der Wissenschaft, sondern auch vieler Entscheidungsträger in Wasserwirtschaft, Naturschutz, Landwirtschaft und Raumplanung sowie von verantwortlichen in politischen, administrativen und gesellschaftlichen Institutionen. Für viele dieser Maßnahmen liegen gesicherte Erkenntnisse aus der Forschung vor. Auch der politische Wille zur Umsetzung ist oft vorhanden, es fehlen jedoch verbindliche Konzepte und Instrumente zur Umsetzung.

Extremereignisse wie dieses Hochwasser haben immer auch klimatisch und witterungsbedingte Ursachen. Die vom Menschen verursachten Veränderungen der Flussläufe, der Auen und der Landschaft verstärken die Wirkung solcher Ereignisse und die dramatischen Folgen für die Betroffenen.


Laufende Forschungsarbeiten (ausgewählte relevante Forschungsvorhaben):

  • Integriertes Flussgebietsmanagement am Beispiel der Saale – UFZ Verbundprojekt (Forschungs- und Entwicklungsprogramm des UFZ 2001/2002)
  • Biologische und chemische Entwicklung von Bergbaurestseen (Forschungs- und Entwicklungsprogramm des UFZ 2001/2002)
  • Entscheidungshilfen für ein integriertes Flussgebietsmanagement-Konfliktbewertung und Lösungsansätze am Beispiel der Weißen Elster (gefördert durch das BMBF)
  •  Quantifizierung erosiver Nährstoffeinträge aus Gewässereinzugsgebieten und Entwicklung nachhaltiger Landnutzungskonzepte, Deutsch Russisches Kooperationsprojekt (Gefördert durch das BMBF)
  • Harmonisation of Representative River Basin Data and Procedures for Integrated Water Resources Management (HarmoniRiB), (Gefördert durch die EU)
  • Evaluwet – European Valuation and Assessment tooLs supporting Wetland Ecosystem legislaTion (Gefördert durch die EU)
  • Gefahrenabschätzung für Grundwasser und Nutzpflanzen bei erhöhten Gehalten von Cadmium, Zink, Kupfer, Chrom, Nickel, Blei, Quecksilber und Arsen in Auenböden der Elbe (gefördert durch das Land Sachsen Anhalt)
  • Entwicklung von Tagebaurestseen bei der Flusswasserflutung am Beispiel des Goitschesees bei Bitterfeld (gefördert durch BMBF und LMBV)

Media Contact

Susanne Hufe

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