1,5 Milliarden Jahre altes Erbstück in der Pflanze

Protein „Artemis“ in einem Zellbestandteil verweist auf dessen bakterielle Vorfahren

Chloroplasten sind wichtige Zellbestandteile grüner Pflanzen. Sie erzeugen durch Photosynthese Kohlenhydrate und Sauerstoff. Chloroplasten sind hervorgegangen aus freilebenden Bakterien, die von Einzellern vor etwa 1,5 Milliarden Jahren aufgenommen und anschließend als dauerhafte Bestandteile in die Zellen integriert wurden. Ein paar „Erbstücke“ der bakteriellen Vorfahren lassen sich noch heute in den Chloroplasten finden. Artemis heißt ein neu entdecktes Protein, das für die Teilung der Chloroplasten nötig ist. (PNAS, Bd. 99, S.11501-11506, 2002) Ein strukturell sehr ähnliches Protein fand das Team aus Forschern der Universität Kiel unter der Leitung von Professor Jürgen Soll vom Botanischen Institut der LMU in einem Bakterium. Dort ist es an der Zellteilung beteiligt. „Die Ähnlichkeit zwischen beiden Proteinen ist sogar sehr groß“, berichtet Soll. „Ist das bakterielle Protein zerstört, kann es vollständig durch sein pflanzliches Gegenstück ersetzt werden.“

Überlebenskampf vor 1,5 Milliarden Jahren nach der Endosymbiontentheorie: Einige Einzeller kamen auf den Trick, Cyanobakterien zu verschlingen und als festen Zellbestandteil zu behalten. Die neuen „Untermieter“ konnten Photosynthese betreiben, also Kohlenhydrate und Sauerstoff produzieren. Im Laufe der gemeinsamen Evolution haben die ehemaligen Bakterien ihren autonomen Status allerdings weitgehend verloren und den größten Teil ihres genetischen Materials an den Zellkern abgegeben. Die meisten Gene, die für Chloroplasten-Proteine codieren, liegen also im Zellkern. Die Proteine werden dann im Zellplasma gebaut und in die Chloroplasten importiert. „Wie genau das genetische Material des Bakteriums in den Zellkern gelangte, ist allerdings noch unklar“, so Soll.

Artemis ist ein Beispiel für Chloroplasten-Proteine, die im Zellkern codiert sind. In den Chloroplasten liegt es in der inneren Membran und ist an deren Teilung beteiligt. Bei einer Zellteilung werden die alten Chloroplasten verdoppelt und auf die beiden neuen Zellen verteilt. Ohne Artemis ist der letzte Schritt der Chloroplastenteilung, die Abschnürung, nicht mehr möglich. Beteiligt an diesem Prozess sind viele bakterielle, aber auch einige Komponenten der Wirtszelle. Zudem muss die Chloroplastenteilung eng mit der Zellteilung verzahnt sein und sollte daher unter der Kontrolle des Zellkerns liegen. „Mit Artemis haben wir meines Erachtens ein erstes Bindeglied zwischen den bakteriellen Teilungskomponenten und den Gegenstücken auf Seiten der Wirtszelle gefunden“, meint Soll.

Ein zu Artemis verwandtes Protein fanden die Wissenschaftler im Cyanobakterium Synechocystis. Ohne das Protein können sich bei einer Teilung die Mutter- und Tocherzelle nicht voneinander abschnüren, so dass nach einiger Zeit Zellhaufen von vier oder mehr aneinander hängenden Bakterien zu beobachten sind. Dieser Effekt ließ sich verhindern, wenn die Bakterien das Artemis-Protein aus den Chloroplasten der Acker-schmalwand Arabidopsis thaliana produzieren – was die Ähnlichkeit der beiden Proteine unterstreicht.
„Als nächstes wollen wir die genaue Funktion von Artemis bestimmen“, berichtet Soll. „Außerdem werden wir versuchen, die Signale, die von diesem Protein erkannt und umgesetzt werden, zu identifizieren. Sehr spannend ist auch die Untersuchung der Bindeglieder zwischen Artemis und den bereits bekannten Komponenten der Chloroplastenteilung.“

Glossar:

Chloroplasten sind die Photosynthese betreibenden Bestandteile von Pflanzenzellen. Sie enthalten den grünen Blattfarbstoff Chlorophyll in ihren Membranen. In photosynthetisch besonders aktivem Pflanzengewebe können mehrere hundert Chloroplasten je Zelle vorkommen.

Endosymbiontentheorie: Vor etwa 1,5 Milliarden Jahren wurden Bakterien von frei lebenden Einzellern aufgenommen und integriert. Aus ihnen haben sich feste Zellbestandteile entwickelt. Chloroplasten, die sich aus Cyanobakterien entwickelt haben, sind nur ein Beispiel für eine derartige Endosymbiose, also die Aufnahme eines Organismus durch einen anderen zum gegenseitigen Nutzen. Mitochondrien, die „Energiekraftwerke“ aller höheren Zellen, sind ein weiteres Beispiel.

Photosynthese betreiben Pflanzen und einige Bakterien, indem sie aus Kohlendioxid und Wasser bei Lichteinstrahlung und mit Hilfe des grünen Blattfarbstoffes Chlorophyll Kohlenhydrate und Sauerstoff produzieren.

Ansprechpartner:

Prof. Jürgen Soll, Department Biologie I, Botanik, der LMU München
Tel. +49-89- 17861-245,-244
E-Mail: soll@botanik.biologie.uni-muenchen.de

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Cornelia Glees-zur Bonsen idw

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