Gebärdensprache – viel mehr als eine Handbewegung
Ist von Gebärdensprache die Rede, so wird damit häufig das Bild von den „fliegenden Händen“ verbunden. Tatsächlich spielen die Hände bei der Gebärdensprache eine große Rolle, aber genauso wichtig sind die sogenannten nichtmanuellen Komponenten.
„Augen, Mund, Augenbrauen, die ganze Mimik, die Blickrichtung und der Oberkörper übernehmen in der Gebärdensprache wichtige grammatische Funktionen, die teilweise mit der Betonung in Lautsprachen verglichen werden können“, erklärt Dr. Markus Steinbach vom Deutschen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Am 4. und 5. April befasst sich ein internationaler Workshop in Frankfurt mit der Form und Funktion nichtmanueller Komponenten in verschiedenen Gebärdensprachen.
Etwa 80.000 Menschen in Deutschland sind gehörlos, rund eine Million Menschen gelten als hochgradig schwerhörig. Ein Verständigungsmittel, das in seiner Ausdrucksfähigkeit und auch in seiner Schnelligkeit der Lautsprache in nichts nachsteht, ist die Gebärdensprache, die hierzulande von etwa 100.000 Menschen beherrscht wird. Neben der Deutschen Gebärdensprache werden in unserem Sprachraum die Deutschschweizer Gebärdensprache und die Österreichische Gebärdensprache verwendet sowie zahlreiche Dialekte. Alle Gebärdensprachler weltweit drücken sich nicht nur durch Handbewegungen aus, sondern verändern die Blickrichtung, die Neigung des Oberkörpers, die Stellung der Augenbrauen oder die Gesichtsmimik insgesamt, um sich mitzuteilen. „Hierzulande wird der Unterschied zwischen einem Frage- und einem Aussagesatz beispielsweise durch die Augenbrauen markiert“, erläutert Steinbach. „Überhaupt wird bei Fragen in europäischen Gebärdensprachen mehr mit der Mimik gemacht, in Asien dagegen mehr mit den Händen.“ Steinbach erforscht als Linguist seit 10 Jahren die Deutsche Gebärdensprache und hat zusammen mit Wissenschaftlern der Johann Wolfgang Goethe-Universität den Frankfurter Workshop organisiert.
Zu der Veranstaltung wurden renommierte Experten aus dem In- und Ausland eingeladen, die beispielsweise über nichtmanuelle Komponenten in der Gebärdensprache auf Mauritius oder in Hongkong referieren. Ein Vortrag stellt die besondere Rolle vor, die das Kopfschütteln, die Kopfneigung und Nicken bei Fragesätzen in der türkischen Gebärdensprache hat. Die Referenten sind teilweise selbst Gebärdensprachler, wie der angesehene Hamburger Wissenschaftler Christian Rathmann. Für eine breite Verständigung sorgen Gebärdensprachdolmetscher, die die Vorträge in die Deutsche und Amerikanische Gebärdensprache übersetzen.
Die rund 100 Teilnehmer werden den Workshop nicht nur zum wissenschaftlichen Austausch nutzen, sondern auch um bestehende Netzwerke zu intensivieren und neue zu knüpfen oder gemeinsame Projekte anzustoßen. Zusammen mit Kollegen aus den Niederlanden und Großbritannien wird Steinbach nächstes Jahr ein Handbuch zur Gebärdensprache herausgeben, das erstmals alle wesentlichen Informationen über das Thema enthält. Ein weiteres Projekt wird in Kooperation mit Neurolinguisten der Uni Mainz die Gehirnaktivität von Gebärdensprachlern untersuchen. „Hinzu kommt, dass zahlreiche Gebärdensprachen kaum untersucht sind, so dass es auf diesem Gebiet noch eine Menge Feldforschung zu betreiben gibt“, so Steinbach. Um künftigen Projekten einen Rahmen zu geben, wird daher in Zusammenarbeit mit den Universitäten in Frankfurt, Köln und Hamburg die Einrichtung einer DFG-Forschergruppe angestrebt. Aber nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der Lehre spielt die Gebärdensprache eine immer wichtigere Rolle: Seminare zur Gebärdensprache jedenfalls stoßen bei den Studierenden laut Steinbach auf „sehr große Nachfrage.“
Kontakt und Informationen:
Dr. Markus Steinbach
Deutsches Institut
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. 06131 39-25512
E-Mail: steinbac@uni-mainz.de
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