Lernen und Erinnern haben biochemische Grenzen

Protein Phosphatase-1 führt zum Verlust bei Erlerntem

Zellbiologen der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) haben nachgewiesen, dass das so genannte Phosphatase-1-Protein (PP1) die Lernfähigkeit einschränkt und zum Verlust des Gelernten beiträgt. Wie die Forscher um Isabelle Mansuy im Fachmagazin Nature erklären, verbesserte sich bei Mäusen die Gedächtnisleistung, wenn die PP1-Wirkung gehemmt wurde. Ein solches Schutzsystem ist für das Gehirn wichtig, da dessen Kapazität beschränkt ist, heißt es weiter. Das Protein Phosphatase-1 gehört zu einer Gruppe von Molekülen, die bereits bei früheren Untersuchungen als Kontrollinstanz für Lernen und Erinnern vorgeschlagen wurden.

Die ETH-Forscher verwendeten gentechnisch veränderte Mäuse, bei denen PP1 ein- und ausgeschaltet werden konnte. Diese Tiere wurden verschiedenen Tests unterzogen. Bei einem wurden die Tiere in eine Kiste mit drei Gegenständen gesetzt und mussten diese „kennenlernen“. Dafür gab es drei Zeitpläne: Lernen ohne Unterbrechung, mit kurzen und mit längeren Unterbrechungen. Um zu prüfen, wie gut sich die Mäuse die Gegenstände gemerkt hatten, wurden sie wieder in die Kiste gesetzt. Ein Gegenstand wurde dabei ausgetauscht. Verharrten die Tiere bei dem neuen Gegenstand länger als bei den anderen, wurde dies als Indiz gewerte, dass sich die Mäuse an die bekannten Gegenstände erinnerten. Mäuse mit inaktivem PP1 erreichten bei kurzen Lernunterbrechungen eine vergleichbare Leistung wie Mäuse mit PP1 nur bei den längeren Unterbrechungen erzielten. Mit kurzen Pausen schnitten diese wesentlich schlechter ab. Die letzteren Ergebnisse interpretiert Mansuy: „PP1 stellt eine notwendige Kontrolle dar, damit wir nicht zu viele Informationen verarbeiten. Die Kapazität des Gehirns ist beschränkt, so dass es ein aktives Schutzsystem braucht.“

Um festzustellen, ob PP1 seine Wirkung allgemein beim Lernen entfaltet, wurde die Orientierung der Mäuse im Raum getestet. Die Mäuse mussten in einer Wanne eine für sie unsichtbare Plattform unter dem Wasserspiegel finden. Mäuse ohne PP1 brauchten weniger Trainingseinheiten bis sie gezielt zur Plattform schwammen. Wurden aber die einzelnen Trainingseinheiten intensiviert, erreichten auch die Tiere mit PP1 vergleichbare Ergebnisse. In der Folge wurde das Mäuse-Gedächtnis getestet. Bereits zwei Wochen nach dem Einstudieren fanden die Mäuse mit normaler PP1-Funktion die Plattform schlechter. Dagegen erinnerten sich die Mäuse, deren PP1-Funktion unterdrückt wurde, bis zu acht Wochen danach erstaunlich gut an die Lage der Plattform. Ein ähnliches Erinnerungsvermögen wiesen auch Tiere auf, bei denen PP1 erst nach dem Training unterdrückt worden war. Das spricht dafür, dass PP1 nicht nur das Lernen erschwert, sondern auch das Vergessen aktiv beschleunigt.

Dies zeigte sich auch bei alten Mäusen. Bei diesen lernten diejenigen ohne PP1 erneut geringfügig besser. Die Daten dabei legen nahe, dass eine PP1-Unterdrückung vor Gedächtniszerfall schützt. „Die Versuche mit den alten Mäusen zeigen, dass kognitive Fähigkeiten gerettet werden können“, kommentiert Mansuy. Besonders interessant sei dies auch, da man bereits vorher wusste, dass alte Mäuse über mehr PP1 verfügen. Die Befunde sprechen somit dafür, dass erschwertes Lernen und Gedächtniszerfall im Alter nicht unbedingt unabwendbare, irreversible Prozesse darstellen.

Media Contact

Sandra Standhartinger pte.online

Weitere Informationen:

http://www.ethz.ch http://www.nature.com

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