DFG richtet 14 weitere Graduiertenkollegs ein
Zur weiteren Stärkung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland richtet die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) 14 neue Graduiertenkollegs ein. Dies wurde vom zuständigen Bewilligungsausschuss der DFG jetzt in Bonn beschlossen. Die neuen Graduiertenkollegs bieten Doktorandinnen und Doktoranden die Chance, in einem strukturierten Forschungs- und Qualifizierungsprogramm auf hohem fachlichem Niveau und unter hervorragenden Bedingungen zu promovieren.
Die neuen Graduiertenkollegs befassen sich unter anderem mit innovativen Anwendungsmöglichkeiten von Fluor in der Chemie, dem institutionellen Wandel in Ostasien oder Spannungen zwischen religiöser Konformität und Nonkonformismus. Weitere Themen sind Frequenzeffekte in der Linguistik sowie bessere zivile Sicherheitssysteme und Datensicherheit. In einem der neuen Graduiertenkollegs zur Entwicklung neuer Unterrichtsprozesse an Schulen promovieren zudem erstmals praxiserfahrene Lehrkräfte und Absolventinnen und Absolventen der Erziehungswissenschaften und der Psychologie gemeinsam. Vier der neuen Einrichtungen sind Internationale Graduiertenkollegs, in denen die Geförderten eng mit ausländischen Universitäten zusammenarbeiten – erstmals nun auch mit Hochschulen in Estland, Mexiko und Neuseeland. Weitere Kooperationspartner sind schwedische und tschechische Universitäten.
Die neuen Promotionsprogramme werden in der ersten Förderperiode von viereinhalb Jahren von der DFG mit einer Summe von insgesamt rund 39,3 Euro gefördert. Zusätzlich zu den 14 Neueinrichtungen stimmte der Bewilligungsausschuss auch der Verlängerung von 23 Graduiertenkollegs für eine weitere Periode zu. Die DFG fördert zurzeit 229 Graduiertenkollegs, davon 58 Internationale Kollegs.
Des Weiteren wurde beschlossen, dass Graduiertenkollegs von nun an Mittel zur Anschubfinanzierung beantragen können. Damit sollen Promovierte unterstützt werden, direkt nach ihrer erfolgreich abgeschlossenen Promotion eigene Forschungsthemen zu definieren und zu erarbeiten, die als Grundlage eines eigenständigen Projektantrags dienen können. Diese Maßnahme zielt darauf, vielversprechende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach der Promotion zu einem Verbleib in der Forschung zu ermutigen.
Die neuen Graduiertenkollegs im Einzelnen (in alphabetischer Reihenfolge der Sprecherhochschulen):
Das Internationale Graduiertenkolleg „Zwischen Räumen – Bewegungen, Akteure und Repräsentationen der Globalisierung“ der Freien Universität Berlin arbeitet in enger Zusammenarbeit mit drei mexikanischen Forschungseinrichtungen im Bereich der sozial- und kulturwissenschaftlichen Globalisierungsforschung. Ein besonderer Fokus liegt auf den Bewegungen zwischen unterschiedlichen Weltregionen und den dadurch entstehenden neuen Räumen in drei Phasen der Globalisierung, in der Kolonialzeit, im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert sowie in der Zeitgeschichte. (Sprecherhochschule: Freie Universität Berlin; Sprecher: Professor Dr. Stefan Rinke; Kooperationspartner: Centro de Investigaciones y Estudios Superiores en Antropología Social, Colegio de México, Universidad Nacional Autonoma de México)
Das Graduiertenkolleg „Fluor als Schlüsselelement. Durch neue Synthesekonzepte zu Verbindungen mit einzigartigen Eigenschaften“ der Freien Universität Berlin zusammen mit der Humboldt-Universität Berlin will die Synthese und Charakterisierung fluorierter Verbindungen und deren Anwendungen in der Katalyse, der Materialforschung sowie in der Pharmazie und der biologischen Chemie erforschen. Mit diesem Graduiertenkolleg bündelt die Hochschule das in Berlin vorhandene Know-how in der Fluorchemie, um die Lehre und Forschung auf diesem Gebiet in Deutschland generell zu stärken. (Sprecherhochschule: Freie Universität Berlin; Sprecher: Professor Dr. Konrad Seppelt)
An der Technischen Universität Berlin will das Graduiertenkolleg „Kollektive Dynamik im Nichtgleichgewicht in kondensierter Materie und biologischen Systemen“ interdisziplinär neue Sichtweisen auf die Forschungsfelder von Physik und Biologie ermöglichen. Die ausgewählten Forschungsthemen reichen vom Transport wechselwirkender Elektronen im Nichtgleichgewicht durch Halbleiter-Quantenpunkte über Nanostäbchen, die in wässriger Lösung schwimmen und durch Scherströmung angetrieben werden, bis hin zu Neuronen im Gehirn. Mit der Beschreibung der kollektiven Dynamik wechselwirkender Einheiten im Nichtgleichgewicht konzentriert sich das Graduiertenkolleg auf die Grundlagenforschung, wird aber auch durch mögliche Anwendungen in der Medizin oder in neuartigen, zum Beispiel photonischen oder mikrofluidischen Apparaturen motiviert. (Sprecherhochschule: Technische Universität Berlin; Sprecher: Professor Dr. Holger Stark)
Im inter- und intraregionalen Vergleich will das Graduiertenkolleg „Risk and East Asia“ mit einem innovativen Ansatz die Risiken betrachten, die Institutionen bei der Verlagerung von staatlichen zu marktbezogenen Steuerungsprozessen durchlaufen. Dazu erforscht das Graduiertenkolleg der Universität Duisburg-Essen den institutionellen Wandel in Ostasien mit besonderem Fokus auf China, Japan und Südkorea. Dort weisen die Risiken in ihrer Verteilung und ihren Verantwortlichkeiten deutliche Unterschiede im Vergleich mit Europa auf. Zudem soll so die theoriegeleitete und rein empirische Sozialwissenschaft mit sprach- und länderbezogener Regionalwissenschaft verbunden werden. Hierzu kooperiert das Kolleg eng mit dem White Rose East Asia Centre der Universitäten Leeds und Sheffield. (Sprecherhochschule: Universität Duisburg-Essen; Sprecherin: Professor Dr. Karen A. Shire)
Das Internationale Graduiertenkolleg „INTERCOAST – Integrierte Küsten- und Schelfmeerforschung“ bündelt die Expertise der Universitäten von Waikato und Bremen, die auf eine langjährige bewährte Kooperation aufbauen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und Neuseeland wollen erforschen, wie man Veränderungen in der natürlichen Umwelt und damit zusammenhängend in der Gesellschaft analysieren, verstehen, vorhersagen und – wenn nötig – abmildern kann. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit hat einen Schwerpunkt in den Naturwissenschaften, daneben sollen assoziierte Fragestellungen aus den Sozial- und Rechtswissenschaften behandelt werden. (Sprecherhochschule: Universität Bremen; Sprecherin: Professor Dr. Katrin Huhn, Kooperationspartner: University of Waikato)
Wie häufig kommen bestimmte sprachliche Strukturen in einer Sprache vor und welche Auswirkungen hat dieses linguistische Phänomen auf die mentale Repräsentation von Sprache? Diesen Fragen geht das Graduiertenkolleg „Frequenz als Faktor in gebrauchsbasierten Modellierungen von Sprachwandel, Sprachverarbeitung und Spracherwerb“ der Universität Freiburg nach. In verschiedenen europäischen Sprachen und ihren Varietäten untersucht das Forschungsteam dabei Frequenzeffekte mit empirisch fassbaren Methoden der Linguistik und der Kognitionswissenschaft. (Sprecherhochschule: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; Sprecher: Professor Dr. Stefan Pfänder)
Das Internationale Graduiertenkolleg „Grenzräume in der Ostseeregion: Der Wandel kultureller und mentaler Grenzen im Ostseeraum“ der Universität Greifswald untersucht erstmals gezielt die Wahrnehmung dieses Wandels vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Wie entstanden und veränderten sich historische Grenzräume? Welche kulturellen Zusammenhänge hatten Grenzüberschreitungen? Aus welchen Gründen wurden Grenzen ökonomisch durchlässig? Solche und andere Fragen wollen deutsche, schwedische und estnische Forscherinnen und Forscher der Sozial-, Sprach- und Geschichtswissenschaften in enger Zusammenarbeit beantworten. (Sprecherhochschule: Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald; Sprecher: Professor Dr. Michael North; Kooperationspartner: Lund University, University of Tartu)
Die Messung von Strömungsgeschwindigkeiten in heißen und aggressiven Metall- und Glasschmelzen und die Detektion von tief liegenden Materialdefekten in Festkörpern sind die Herausforderungen, denen sich das Graduiertenkolleg „Elektromagnetische Strömungsmessung und Wirbelstromprüfung mittels Lorentzkraft“ der Technischen Universität Ilmenau widmen wird. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen mithilfe zweier an der eigenen Hochschule entwickelter Methoden diesbezügliche Grundlagenaspekte untersuchen und damit den Weg für innovative Anwendungen bereiten. (Sprecherhochschule: Technische Universität Ilmenau; Sprecher: Professor Dr. André Thess)
Impulse für die interdisziplinäre Lehr-Lern-Forschung will das Graduiertenkolleg „Unterrichtsprozesse“ der Universität Koblenz-Landau geben. Eine Verschränkung von Fachdidaktiken, empirischer Pädagogik und Psychologie soll in der innovativen Verbindung von ergebnis- und prozessorientierten Forschungsperspektiven auf den Unterricht realisiert werden. Im Graduiertenkolleg werden erstmals in der Schulpraxis erfahrene und an der Forschung interessierte Lehrkräfte mit Absolventinnen und Absolventen aus der Erziehungswissenschaft und der Psychologie gemeinsam promovieren. (Sprecherhochschule: Universität Koblenz-Landau; Sprecher: Professor Dr. Wolfgang Schnotz)
Das Graduiertenkolleg „Religiöser Nonkonformismus und kulturelle Dynamik“ der Universität Leipzig erforscht Formen religiösen Verhaltens und Glaubens, die von den in einer Gesellschaft dominanten Formen von Religion abweichen und in der Regel bestraft werden. Dieses Phänomen kommt in Form von Propheten, Häresien, Sekten oder diskriminierten religiösen Minderheiten in allen komplexen Gesellschaften vor. Forscherinnen und Forscher untersuchen interdisziplinär Spannungen zwischen religiöser Konformität und Nonkonformismus, innovatives und transformatives Potenzial in den religiös nonkonformen Milieus und deren Mediendarstellung in unterschiedlichen geografischen und zeitlichen Räumen. (Sprecherhochschule: Universität Leipzig; Sprecher: Professor Dr. Hubert Seiwert)
Im Bereich der theoretischen und experimentellen Physik erforscht das Graduiertenkolleg „Symmetriebrechung in fundamentalen Wechselwirkungen“ der Universität Mainz Symmetrien und ihre Verletzung. Eine Besonderheit und gleichzeitig eine Herausforderung ist die komplementäre Herangehensweise unter Nutzung von Experimenten und Methoden der Kern- und Teilchenphysik in verschiedenen Energiebereichen. Neben der Arbeit mit Teilchenbeschleunigern stehen vor allem Präzisionsmessungen im Mittelpunkt, die den Schlüssel zum Verständnis fundamentaler Symmetrien bilden. Den Ursprung der Masse und Struktur von Materie zu erforschen, ist dabei ebenso Teil der wissenschaftlichen Zielsetzung wie Fragen der Erweiterung des bisherigen Standardmodells. (Sprecherhochschule: Johannes Gutenberg-Universität Mainz; Sprecher: Professor Dr. Matthias Neubert)
Einen grundlegenden Beitrag zur historischen, religionswissenschaftlichen und theologischen Klärung des Verhältnisses von Religion und Moderne will das Internationale Graduiertenkolleg „Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts“ der Ludwig-Maximilians-Universität München leisten. Deutsche und tschechische Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler wollen gemeinsam die Beziehungen und Verflechtungen religiöser Kulturen mit säkularen Ordnungen seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert untersuchen. (Sprecherhochschule: Ludwig-Maximilians-Universität München; Sprecher: Professor Dr. Martin Schulze Wessel; Kooperationspartner: Karlsuniversität Prag)
„Elektronische Eigenschaften von Nanostrukturen auf Kohlenstoff-Basis“ und deren Kontrolle und Manipulation will das Graduiertenkolleg der Universität Regensburg theoretisch wie experimentell erforschen. Dabei helfen Erfahrungen bei der Erforschung von Spin-Elektronik, Quanteninformation und Molekularer Elektronik. Von besonderem Interesse sind Systeme auf der Basis von Graphen, Nanoröhren aus Kohlenstoff sowie aromatische Moleküle. (Sprecherhochschule: Universität Regensburg; Sprecherin: Professor Dr. Milena Grifoni)
Wie kann man das Zusammenspiel von Elektrotechnik und Informatik verfeinern, um zivile Sicherheitssysteme zu verbessern? Das Graduiertenkolleg „Bildgebung und -verarbeitung neuer Modalitäten – Multimodale Bild-Akquisition und Analyse für Anwendungen in der Zivilen Sicherheit“ der Universität Siegen nutzt die Synergie beider Forschungsbereiche, um neue bildgebende Verfahren durch verbesserte Sensorik und Bilddatenverarbeitung zu ermöglichen. Dazu wollen Forscherinnen und Forscher beispielsweise eine wirksamere elektronische Personenerkennung und Szenenüberwachung entwickeln sowie Modelle für die Datensicherheit multimodaler Datenströme im Bereich der zivilen Sicherheit verbessern. (Sprecherhochschule: Universität Siegen; Sprecher: Professor Dr. Andreas Kolb)
Ansprechpartnerin in der DFG-Geschäftsstelle:
Dr. Annette Schmidtmann, Leiterin der Gruppe Graduiertenkollegs, Graduiertenschulen, Nachwuchsförderung, Tel. +49 228 885-2424, Annette.Schmidtmann@dfg.de
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