Die Tuning-Ladies: Schminke für's Auto so wichtig wie das eigene Make-up

Die 28-jährige Marketing-Assistentin Michaela Reichardt aus Viersen gehört dieser kleinen, aber exklusiven weiblichen Minderheit unter den deutschen Freizeit-Autotunern an, die mit optischen und technischen Veränderungen ihrer Freude am individuell gestalteten Fahrzeug Ausdruck verleihen.

Mit zehn von ihnen hat sich die 27-jährige Andrea Tepferdt im Auftrag des Kompetenzzentrums Frau und Auto der Hochschule Niederrhein unterhalten. Dessen Leiterin, Professorin Dr. Doris Kortus-Schultes, wollte mehr über die Wünsche, Einstellungen und Denkweisen von Frauen wissen, die ein besonderes Faible für die Aufpeppung ihres fahrbaren Untersatzes haben. Ziel ist der Aufbau einer Internetplattform für Tuner-Ladies. Studentin Andrea Tepferdt, die selbst kein Auto besitzt, hat inzwischen ihr Studium der Wirtschaftswissenschaften in Mönchengladbach abgeschlossen, bei dem die Befragung ein Teil der Abschlussarbeit war.

Ihr Fazit: „In einer Zeit, in der sich Marken und Modelle technisch und optisch immer ähnlicher werden, eröffnet Auto-Tuning die Option der Abgrenzung von der Masse“. Die Ergebnisse erschienen, schön bebildert, als Band 3 der Schriftenreihe des Kompetenzzentrums im Göttinger Verlag Cuvillier.

Bei Michaelas BMW 323 i sorgen für Unverwechselbarkeit ein Effekt-Lack, Flügeltüren, ein auf 3 Liter mit 268 PS Leistung aufgebohrter Motor und all die vielen Dinge, die ein Auto zum „Hingucker“ machen. Bei den Leder-Sattlerarbeiten und dem Einbau der Musikanlage, bei der der Kofferraum ausschließlich die Lautsprecher aufnimmt, hat sie selbst Hand angelegt. „Wer mein Auto sieht, denkt, dass es einem Mann gehört“, freut sich die Tunerin, deren Schmuckstück bei der Europa Tuning Sieger Show in Dortmund zum drittschönsten BMW Europas gekürt wurde. 254 Pokale türmen sich inzwischen in der Garage. Und auch, wenn sie sich demnächst wegen der Familienplanung einen Kombi zulegt, wird sie sich von ihrem BMW nicht trennen. Einen Mann hat sie für ihn immerhin schon „in die Wüste geschickt“.

Michaelas PS-Protz zum Trotz – für die Freude am Tuning ist die Motorleistung bei Frauen weniger ausschlaggebend als bei Männern. Unter den Teilnehmerinnen der Fokusgruppe fahren vier einen Opel Corsa B. Die meisten sind zwischen 18 und 30 Jahren alt, liiert oder verheiratet. Alle sind berufstätig. Die Höhe des Einkommens ist jedoch bei der Entscheidung für Investitionen ins Auto nicht entscheidend. Sieben von zehn sind bereit, sich dafür bei Urlaub, Möbeln oder Eigentum einzuschränken. Zum Teil werden sie finanziell durch Partner, die Familie oder sogar Tuning-Teile-Hersteller gesponsert.

Bei Michaela entflammte die Liebe zum Tuning bei einem BMW-Treffen auf dem Parkplatz eines Kölner Möbelhauses, zu dem sie ein Freund mitgenommen hatte. Bei sechs weiteren Frauen aus der Fokusgruppe war es genau so. Bei allen entsprang der Wunsch, ihr Auto zu verschönern, aus sich selbst heraus, oft als Keim gelegt in der frühen Kindheit. So wie Michaela machen die Veränderungen und die damit verbundene erhöhte Wertschätzung, die Aufmerksamkeit und das Lob ihrer Umwelt die Tuning-Ladies stolz. „Wenn ich nicht wollte, dass man mein Auto und mich verstärkt beachtet, würde ich es nicht machen“, sagt Michaela. Denn häufig genug muss sie bei einer Siegerehrung selbst zum Mikrophon greifen.

Und besonders gern halten sich die Tunerinnen unter Gleichgesinnten auf. Acht von zehn gehören einem Club an, wo sie Anregungen und Anerkennung erfahren. Michaela selbst schätzt bei den Treffen mehr die männlichen Kollegen als Gesprächspartner, „denn die Frauen sind manchmal ziemlich zickig“. Dennoch ist der Austausch generell freundschaftlich und positiv, bei gleichzeitig hoher Konkurrenz. Freundschaften mit anderen Tunern gehören zu den besten Erfahrungen ihres Hobbys, berichten viele. Entgegen der Vermutung werden die Treffen weitaus seltener als praktische Informationsbörse fürs Tuning genutzt als das Internet sowie Hersteller und Händler.

Die Ein- und Umbauten werden in der Mehrzahl mit Hilfe des Partners oder von Freunden durchgeführt. Oft lassen sich die Frauen Kniffe und Tricks von erfahrenen Tunern zeigen und versuchen es dann selbst. „Die Mehrzahl der Frauen befindet sich in einem Lernprozess, der durch speziell auf ihr Wissen angepasste Informationen gefördert werden könnte“, stellt Doris Kortus-Schultes fest. Ein großer Teil plant in den nächsten zwei Jahren weitere Veränderungen an ihrem Vehikel. Und alle sind sicher, dass sie auch in fünf, zehn und sogar zwanzig Jahren immer noch individuell angepasste Autos fahren werden. Auch wenn es, sagen sie, vermutlich immer schwerer werden wird, mit seinem „Schätzchen“ im Straßenbild aufzufallen.

Kontakt: Prof. Dr. Doris Kortus-Schultes, Tel. 0212-331800 und 02161-1866327, Andrea Tepferdt, Email: a.tepferdt@gmx.net

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Rudolf Haupt idw

Weitere Informationen:

http://www.hs-niederrhein.de/

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