Auf der Spur von Erdbeben und Tsunamis


Erdbeben verursachen in Mittelamerika immer wieder große Schäden. Auf einer internationalen Expedition mit dem Forschungsschiff „JOIDES Resolution“ soll in den kommenden zwei Monaten die Natur der Beben genauer untersucht werden. Co-Leiter der Forschungsfahrt, im Rahmen des „Ocean Drilling Program“, ist der Geophysiker Prof. Heinrich Villinger vom Fachbereich Geowissenschaften der Universität Bremen.

Zuletzt schlugen die Seismometer am 3. September 2002 aus. Sie registrierten ein Erdbeben der Stärke 4,2 (Richter-Skala), dessen Epizentrum vor der Westküste Nicaraguas in sieben Kilometern Tiefe lokalisiert wurde. In weit schlimmerer Erinnerung ist ein schweres Beben der Stärke 6,2, das sich vor fast genau drei Jahrzehnten in dem mittelamerikanischen Land ereignete. Die Katastrophenbilanz zu Weihnachten 1972: 10.000 Tote, drei Milliarden Dollar Schäden. Ausgelöst werden die mittelamerikanischen Erdbeben durch die Kollision mehrerer großer und kleiner Erdplatten. In der Region taucht die pazfische Cocos-Platte unter die leichtere karibische Platte ab. Dabei werden die Platten heftig gestaucht. Folglich bauen sich wenige Kilometer unter der Meeresoberfläche starke Spannungen auf. Bei plötzlicher Druckentlastung entstehen dann die beschriebenen Erdbeben. Hinzu kommt, dass die abtauchende Platte im Erdmantel teilweise aufgeschmolzen wird und die Magmakammern der mittelamerikanischen Vulkane auffüllt.

Was genau im Erdinneren vor sich geht, wie es zu den Erdbeben kommt und welche Stoffe an den Plattengrenzen transportiert werden, will eine internationale Gruppe von 18 Wissenschaftlern auf dem Bohrschiff „JOIDES Resolution“ bis Anfang November genauer ergründen. „Knapp 40 Seemeilen vor der Westküste Costa Ricas werden wir voraussichtlich vier, mehrere Hundert Meter tiefe Bohrungen in einer Wassertiefe von bis zu 4.400 Metern abteufen“, sagt Prof. Heinrich Villinger, der die Fahrt gemeinsam mit einem amerikanischen Kollegen leitet. Weiterhin nehmen zwei Wissenschaftler des Fachbereichs Geowissenschaften an dieser Forschungsfahrt teil.

Schon an Bord werden die erbohrten Meeressedimente eingehend untersucht. Im Mittelpunkt der Fahrt steht jedoch die technisch sehr schwierige Installation von Langzeitobservatorien an der Sohle der Bohrlöcher. Diese werden mit Rohren ausgekleidet und mit einem Korken, in dem etliche Messinstrumente untergebracht sind, verschlossen. So wird verhindert, dass Meerwasser in das Bohrloch eindringt. Dieses sehr erfolgreiche Konzept der sog. „CORKs“ hat Dr. E. Davis vom Geologischen Dienst Kanadas entwickelt, mit dem Prof. Vilinger seit vielen Jahren eng zusammen arbeitet.

Der wissenschaftliche Clou: mit der abtauchenden pazifischen Platte werden große Mengen Meerwasser in das Erdinnere verfrachtet und dort aufgeheizt. Dieses Wasser zirkuliert in den Poren des Gesteins und transportiert dabei gelöste Mineralien und Wärme. Daher bestehen die zu installierenden Observatorien zum einen aus Geräten, die regelmäßig Proben der im Bohrloch zirkulierenden Flüssigkeit entnehmen. Zum anderen sind Geräte im Einsatz, die die Fließgeschwindigkeit und den Druck im Porenraum messen. Welche Temperaturänderungen mit diesen Prozessen verbunden sind, registrieren neuartige, hochempfindliche Temperaturdatenlogger im Bohrloch. Sie wurden von Prof. Villinger gemeinsam mit der in Stuhr bei Bremen ansässigen Firma Antares entwickelt und vom MARUM finanziert. Bei Langzeiteinsätzen im Golf von Mexiko hat sich das neuartige Messgerät bereits hervorragend bewährt. „Wir gehen davon aus, dass es auch auf der jetzigen Forschungsfahrt gute Dienste leistet“, hofft Prof. Villinger.

In den kommenden zwei Jahren misst der Temperaturdatenlogger, der etwa so groß ist wie ein dicker Füllfederhalter, alle 17 Minuten die Temperatur mit einer Empfindlichkeit von einem Tausendstel Grad. In etwa zwei Jahren sollen alle Geräte und die darin gespeicherten Daten mit Hilfe eines Tauchboots geborgen werden. „Die Messungen im Bohrloch über einen langen Zeitraum geben uns einen Teil der Informationen, die wir benötigen, um die Entstehung von Erdbeben vor Mittelamerika besser zu verstehen. Wir entdecken damit aber auch, welchen zeitlichen Variationen der Stoffkreislauf an dieser Nahtstelle der Erdplatten unterliegt und welche Beziehungen zwischen Stofftransport und Erdbebentätigkeit möglicherweise bestehen“, sagt Prof. Villinger.


Für Hörfunk- und Printkollegen steht der Bremer Geowissenschaftler ab dem 17. September an Bord für Interviews zur Verfügung. Terminabsprache bitte vorab per E-Mail (siehe unten).


Kontakt:
MARUM-Öffentlichkeitsarbeit
Kirsten Achenbach
Tel. 0421 – 218-9000
E-Mail: achenbach@marum.de

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Albert Gerdes idw

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