Computerberechnungen: radförmige Verbindungen mit hyperkoordinierten Kohlenstoffatomen
Zwei Jahrhunderte Organischer Chemie mit über 14 Millionen charakterisierter Verbindungen des Kohlenstoffs liegen hinter uns. Nun steht vielleicht eine echte Revolution ins Haus, die den Weg zu einer neuen, erweiterten Kohlenstoffchemie weisen könnte: Bisher war man von einem maximal vierbindigen Kohlenstoff ausgegangen, dessen vier „Bindungsarme“ tetraederförmig angeordnet sind. Damit, so scheint es jetzt, ist die Bindungsfähigkeit dieses Schlüssel-Elementes noch lange nicht ausgeschöpft. Computerberechnungen zu Folge sollte es nicht nur möglich sein, Kohlenstoff mit fünf bis sechs Bindungspartnern zu umgeben, die planar angeordnet sind, durch Zusammenfügen zweier dieser flachen Ringe soll die Bindungszahl der zentralen Kohlenstoffatome noch weiter erhöht werden können.
Paul von Ragué Schleyer und Zhi-Xiang Wang sagen die Existenz von radförmigen Verbindungen mit solchen so genannten hyperkoordinierten Kohlenstoffatomen voraus: Die „Lauffläche“ des „Rades“ besteht aus zwei parallel angeordneten, untereinander verbundenen, planaren Ringen aus fünf beziehungsweise sechs Boratomen. Die „Radachse“ wird von zwei miteinander verknüpften Kohlenstoffatomen gebildet, die jeweils im Zentrum der Ringe angeordnet sind. Die Bindungen der zentralen Kohlenstoffatome zu den umgebenden Boratomen kann man in diesem Bild als einen doppelten Satz „Speichen“ beschreiben.
Daneben wird ein verwandter Verbindungstyp vorausgesagt, bei dem die Kohlenstoffatome nicht miteinander verbunden sind: Der „Bruch“ der „Radachse“ führt zu einem sphärischen Gebilde mit je einem einzelnen freien Elektron pro Kohlenstoffatom – einem Biradikal.
Die „virtuelle“ Molekülfamilie hat mitnichten rein akademischen Charakter: „Unsere hypothetischen Biradikale scheinen ein ausgesprochen interessantes pharmakologisches Potenzial zu bergen“, erklärt Schleyer. „Eine sehr ähnliche biradikalische Elektronen-Konfiguration spielt eine wichtige Rolle bei der Antitumor-Wirkung der so genannten Endiin-Antibiotika, zu denen z.B. Dynemycin und Neocarcinostatin zählen.“ Im Organismus des Patienten werden sie zu besagten Biradikalen umgesetzt, die die DNA zerstören und damit den Zelltod der Krebszellen auslösen.
Die vorhergesagten Biradikale könnten in der Krebstherapie sogar eine Zweitstrategie erlauben: Sie enthalten Boratome, die bei einer bestimmten Form der Strahlentherapie zuvor in den Tumor eingeschleust werden müssen. Hier fangen sie die Strahlung ein und wandeln sie vor Ort in eine andere, DNA-schädigende Strahlungsart um.
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Prof. Dr. P. v. R. Schleyer
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