Das Duale System fit machen für die Dienstleistungsgesellschaft


IAT-Arbeitsmarktforscher Prof. Dr. Gerhard Bosch: Aufstiegsfortbildung verbessern – Finanzierungsfrage muss neu gestellt werden

Auf die Berufsbildungspolitik kommen in den nächsten Jahren wichtige Zukunftsaufgaben zu. Zum einen wird der Bedarf an Ausbildungsplätzen bis zum Jahr 2006 noch weiter auf 771 000 zunehmen, so dass weitere politische Kraftakte zur Lösung des Ausbildungsproblems notwendig sind. Zum anderen entstehen auf dem Weg in die Dienstleistungsgesellschaft neue Berufe, die geordnet und in das Bildungssystem eingebunden werden müssen. „Dabei muss auch die Finanzierungsfrage neu gestellt werden“, so der Arbeitsmarktforscher Prof. Dr. Gerhard Bosch, Vizepräsident des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen). „Es geht nicht an, dass Hochschulausbildung kostenfrei und Aufstiegsfortbildung kostenpflichtig ist!“

Der Reformstau bei der Modernisierung und Neuschaffung von Berufen ist zum großen Teil abgearbeitet. Seit 1996 wurden 33 neue Berufe entwickelt und 109 alte modernisiert bzw. erweitert. In den acht neuen IT- und Medienberufen sind bereits 40.000 Auszubildende eingestellt. „Um das Duale System weiterhin attraktiv auch für die hoch qualifizierten und aufstiegsorientierten Jugendlichen zu halten, muss aber die Durchlässigkeit nach oben verbessert werden“ fordert Bosch. Immer mehr Jugendliche studieren, in 20 Jahren werden es wahrscheinlich mehr als ein Drittel aller Jugendlichen sein. Mit veränderten Rekrutierungsstrategien der Unternehmen werden die traditionellen Aufstiegspositionen vielfach von oben besetzt – es besteht die Gefahr, dass die Absolventen des Dualen Systems in Sackgassen enden.

Eine Lösung des Problems sieht Bosch in den nach langer Stagnation endlich entwickelten bundesweiten Regelungen für Fortbildungsberufe, etwa bei den Bank-, Versicherungs- und Handelsfachwirten. Diese Fortbildungen zu Fachwirten sollen zu Führungs- und Leitungsaufgaben befähigen und erfreuen sich einer enormen Nachfrage. Für die IT-Berufe wird gegenwärtig in Kooperation der Sozialpartner die bislang unübersichtliche Zahl privater Fortbildungsmaßnahmen – man spricht von mehr als 6000 unterschiedlichen Maßnahmen – geordnet und es sollen Aufstiegsmöglichkeiten bis hin zu Hochschulabschlüssen geschaffen werden. Mit dieser Durchlässigkeit nach oben kann das Duale System seine Attraktivität auch gegenüber anderen Bildungsgängen wahren.

Seine Leistungsfähigkeit bei der Integration der nachwachsenden Generation hat das Duale System in den letzten Jahren immer wieder bewiesen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist im Verhältnis zur allgemeinen Arbeitslosigkeit nirgendwo so niedrig wie in Deutschland. Der größte Pluspunkt ist dabei der schnelle und direkte Zugang in das Beschäftigungssystem. „Der Zugang ist allerdings heute holpriger geworden, da er oft nur über Phasen befristeter Beschäftigung mit hoher Unsicherheit erfolgt“, so Bosch. Die Beschäftigungschancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt verbessern sich, bereits in den nächsten Jahren steuern wir auf einen Arbeitskräftemangel zu, der nur gemildert werden kann, wenn das Arbeitspotential der nachwachsenden Generation erschlossen wird. Wenn sich Unternehmen über Innovationen am Markt behaupten wollen, sind sie auf qualifiziertes Personal angewiesen und die berufliche Ausbildung ist dann eine gute Alternative zur kostenträchtigen Einstellung von Hochschulabsolventen. Deren Gehälter liegen über denen der Absolventen des Dualen Systems. Zudem brauchen sie nach ihrem langen theoretischen Lernen erst ein oder zwei Einarbeitungsjahre in den Unternehmen, bevor sie produktiv sind.

Trotz der guten Gesamtbilanz der beruflichen Bildung gibt es Probleme insbesondere bei ungelernten und ausländischen Jugendlichen. 61,5 Prozent der jugendlichen Arbeitslosen in Westdeutschland und 46,5 Prozent in Ostdeutschland haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Bosch hält deshalb in der Arbeitsmarktpolitik für benachteiligte Jugendliche einen grundlegenden Wandel der Philosophie für notwendig, wie sie auch mit dem NRW-Programm „Jugend in Arbeit“ umgesetzt wird. Im einzelnen sollten für alle jugendlichen Langzeitarbeitslosen individuelle Entwicklungspläne aufgestellt werden. Lernschwache Jugendliche ab der 8. Klasse müssen intensiver zwischen Schule und Betrieb wechseln. Die beruflichen Vorbereitungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sollen künftig mit betrieblichen Praktika verknüpft werden. Wenn Jugendliche eine Maßnahme abbrechen, muss interveniert werden und eventuell eine andere Möglichkeit vereinbart werden. Für Jugendliche, die nach Abbruch keine neue Ausbildung anfangen, sollen die erlernten Ausbildungsbestandteile zertifiziert werden, um die Arbeitsmarktchancen zu verbessern.

Für weitere Fragen steht Ihnen zur Verfügung:

Prof. Dr. Gerhard Bosch
Tel.: 0209/1707-226

Claudia Braczko
Tel.: 0209/1707-176

Media Contact

Claudia Braczko idw

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