Verbindliche Kriterien zur ethischen und rechtlichen Beurteilung der Präimplantationsdiagnostik und Stammzellenforschung

Interdisziplinäres Verbundprojekt will Konsens über den Umgang mit Embryonen für Forschungszwecke erreichen

In diesen Wochen startet an der Albert-Ludwigs-Universität ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, das den moralischen und rechtlichen Status des extrakoporalen Embryos, also des Embryos außerhalb des Mutterleibs, genauer klären will. An diesem Projekt sind insgesamt elf Abteilungen und Institute der Albert-Ludwigs-Universität und des Universitätsklinikums Freiburg sowie Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Max-Planck-Institute für Ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg bzw. für Ausländisches und Internationales Strafrecht in Freiburg sowie des Instituts für Ethik in den Biowissenschaften, Tübingen, beteiligt. Damit ergibt sich eine Bandbreite der Disziplinen, von der Medizin und Biologie über die Philosophie, Theologie und Rechtswissenschaften bis hin zu den Sozialwissenschaften und der Geschlechterforschung (Gender Studies). Möglich wurde dies, weil das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Berlin eine Fördersumme in Höhe von fast einer Million Euro bewilligt hat. Die Leitung und Koordination des Projektes liegt beim Freiburger Zentrum für Ethik und Recht in der Medizin (ZERM), unter der Federführung des Mediziethikers Privatdozent Dr. Giovanni Maio. Während der Projektlaufzeit wollen die Wissenschaftler auch praktische Regelungsvorschläge zum Umgang mit extrakorporalen Embryonen erarbeiten.

Bislang gibt es noch keinen Konsens, was die moralische Beurteilung der Präimplantationsdiagnostik und der Stammzel-lenforschung betrifft. Unklar ist bislang, welchen Status die Wissenschaft dem Embryon außerhalb des Mutterleibes beimessen soll. Sowohl Befürworter als auch Gegner der Präimplantationsdiagnostik oder der embryonalen Stammzellenforschung versuchen unter Verweis auf den Status des Embryos ihre jeweiligen Ansichten zu untermauern: Auf der einen Seite wird eine absolute Schutzwürdigkeit mit dem Argument postuliert, der Schutz des Individuums erstrecke sich bereits in vollem Umfang auf den extrakorporalen Embryo. Andere wiederum gehen von einer abgestuften Schutzwürdigkeit des Embryos aus, die es erlaubt, das Leben des Embryos in seinem frühesten Entwicklungsstadium gegen andere Güter und somit auch gegen den Nutzen von Präimplantationsdiagnostik und Stammzellenforschung abzuwägen. So besteht in dieser zentralen Frage des Embryonenstatus ein Dissens, von dem kaum zu erwarten ist, daß er restlos aufgehoben werden kann.

Dennoch muß der Umgang mit Embryonen praktisch geregelt werden. Deshalb ist es ein wesentliches Ziel des Freiburger Verbundprojektes, den Status des extrakorporalen Embryos aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten, um durch die inhaltliche Verschränkung mehrerer wissenschaftlicher Disziplinen neue Erkenntnisse über die unterschiedlichen Begründungsmuster der Bewertungen herauszuarbeiten.

Durch neuere naturwissenschaftliche Einsichten in die vielfältige Verwertbarkeit embryonalen Gewebes sowie durch Fortschritte im medizinisch-technischen Bereich erfolgt seit kurzem eine Erweiterung der Verwendungsoptionen von extrakorporalen Embryonen. Zudem führen neueste Erkenntnisse über die Bedeutung des mütterlichen Organismus für die embryonale Entwicklungsfähigkeit zur Problematisierung der traditionellen Vorstellung vom Embryo als eigenständiges Wesen, das bereits vom Zeitpunkt der Befruchtung an über die Anlage zur Ausbildung des gesamten späteren Organismus verfügt. In Anbetracht der sich immer weiter etablierenden Präimplantationsdiagnostik, der Forschungen an embryonalen Stammzellen und der Einführung neuer Klonierungsverfahren bedarf es im Lichte dieses biologischen Erkenntniszuwachses einer moralischen und rechtlichen Neuorientierung.

In einem weiteren Schritt möchte die Projektgruppe verbindliche Kriterien zur moralischen und rechtlichen Bewertung des extrakorporalen Embryos erarbeiten. So wird geprüft, ob traditionelle Kategorien bruchlos auf die neuen Phänomene anwendbar sind. Letztlich wird es möglich sein, konkrete Regelungsvorschläge zum Umgang mit dem extrakorporalen Embryo vorzubereiten. Die interdisziplinär erarbeiteten Kriterien sind Voraussetzung für konkrete Regelungsvorschläge zum Umgang mit dem extrakorporalen Embryo. Für dieses Projektziel bedarf es eines intensiven Austauschs sowohl mit den Erzeugern von extrakorporaler Embryonen als auch mit den Wissenschaftlern, die die Anwendung dieser Embryonen zumindest im Tierversuch erproben.

Eine weitere wesentliche Fragestellung in diesem Zusammenhang gilt der Frage, wie sich Molekularbiologen und Mediziner durch Ethik, Recht und Öffentlichkeit beeinflussen lassen und was ihre Empfehlungen an die Politik sind. Aus der Erhebung dieser Handlungsmuster kann man beispielhaft ablesen, welche Vorkehrungen notwendig sind, um das Recht durchsetzbar zu machen. Die Formulierung konkreter Handlungsempfehlungen bildet den Abschluß des Projekts.

Der Forschungsverbund soll aber auch über die dreijährige Projektphase hinaus Bestand haben und als Plattform interdisziplinärer Folgeprojekte dienen. Gerade das auf Interdisziplinarität ausgerichtete Zentrum für Ethik und Recht in der Medizin (ZERM) an der Universität Freiburg wird den Rahmen und die Infrastruktur für einen solchen längerfristig tragfähigen Forschungsverbund liefern, zumal ein Großteil der Antragsteller entweder dem Direktorium oder dem wissenschaftlichen Beirat des ZERM angehört. Darüber hinaus soll die Kooperation mit dem Max-Planck-Institut in Heidelberg und dem Interfakultären Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Universität Tübingen intensiviert werden.

Kontakt:

Zentrum für Ethik und Recht in der Medizin
PD Dr. Giovanni Maio
Elsässer Straße 2m, 1a
79110 Freiburg
Telefon: 0761/270-7267
Telefax: 0761/270-7268
E-mail:

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Rudolf-Werner Dreier idw

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