Nachhaltigkeit im Einzelhandel
Kunden sehen Umweltschutz nur als Sahnehäubchen
Beim täglichen Einkauf der Bundesbürger spielen Umweltaspekte offenbar nur eine untergeordnete Rolle. Eine repräsentative Umfrage zur Wahl der Einkaufsstätten durch das Institut für Markt-Umwelt-Gesellschaft(imug) hat ergeben, dass nur für elf Prozent der Käufer ökologische Motive bei der Wahl des Geschäftes sehr wichtig sind. Bedeutsamer sind dagegen die hohe Qualität der Produkte (62 Prozent), ein niedriges Preisniveau (54 Prozent), die gute Erreichbarkeit des Ladens (54 Prozent) und ein breites Sortiment (54 Prozent). Auch freundliches Personal (31 Prozent) und kompetente Beratung (18 Prozent) wurden von den Kunden als „sehr wichtig“ erachtet.
Diese Ergebnisse hat Ingo Schönheit vom imug-Institut am Dienstag anlässlich der Veranstaltung „Umweltschutz im Spannungsfeld von Angebot und Nachfrage“ der Akademie für Technikfolgenabschätzungin Baden-Württemberg (TA-Akademie) präsentiert. Die Veranstaltung im Haus der Architekten in Stuttgart, bei der sich rund 70 Vertreter aus Handel, Wissenschaft und Verbänden trafen, bildete den Abschluss eines dreijährigen Projektes zum Thema „Nachhaltigkeit im Einzelhandel, das die TA-Akademie zusammen mit imug und der Zentralstelle für Berufsbildung im Einzelhandel (zbb) bearbeitet hat. Das Projekt wurde durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert und vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) unterstützt und hat sich zum Ziel gesetzt, Handlungs-Möglichkeiten für eine nachhaltige Wirtschaftsweise in den Branchen Bürowirtschaft, Lebensmittelhandel und Bau- und Heimwerkermärkte zu erarbeiten.
„In den kleinen Betrieben fehlen häufig schlicht die Informationen“, berichtet Birgit Blättel-Mink, zuständige Mitarbeiterin der TA-Akademie. Gerade kleine und mittelständische Betriebe stünden angesichts des enormen Preiskampfes im Handel viel zu sehr unter Druck, um sich über die Herkunft und Zusammensetzung ihrer Waren oder alternative Produkte informieren zu können. „Viele Hersteller sind außerdem äußerst zögerlich, über die Inhaltsstoffe ihrer Produkte detailliert Auskunft zu geben“, soBlättel-Mink. Große Hersteller kontaktierten die Kunden über die Werbung zunehmend direkt, so dass die Macht der Händler, auf besonders umweltschädliche Produkte ganz zu verzichten, immer mehr schrumpfe, weil die Nachfrage nach ihnen bestehe. Zwar hätten mittlerweile die meisten Einzelhändlerauch Bioprodukte im Angebot, doch deren Nachfrage schwanke je nach Berichterstattung in den Medien enorm. „Regional erzeugtes Fleisch aus artgerechter Haltung verkauft sich gut, weil die Verbraucher hier durch den BSE-Skandal besonders sensibilisiert sind“, berichtetBlättel-Mink. Biologisch erzeugte Molkereiprodukte dagegen liefen nur mäßig, weil viele Verbraucher einen höheren Preis nicht akzeptierten.
Um den Mitarbeitern im Einzelhandel künftig einen schnellen Zugriff auf zuverlässige Informationen zu ermöglichen, hat die Zentralstelle für Berufsbildung im Einzelhandel (zbb) gemeinsam mit den Projekt-Partnernein Schulungskonzept entwickelt. Die vorgestellte Kombination von Diskette und Online-Infopool(www.handelumweltinfo.de) will Mittelständler motivieren, das Internet systematisch für Mitarbeiterqualifizierungund Informationsrecherche zu nutzen. Zusätzlich können die Betriebe selbst im Sinne einer best-practice-Datenbank auch ihre konkreten Projekte und Ideen dokumentieren.
Holger Wenzel, Hauptgeschäftsführer des HDE, hofft, dass gerade kleinere Betriebe sich durch neue Ideen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Mitbewerbern verschaffen können. Immerhin hatten bei der imug-Umfrage ein Drittel aller Kunden konkrete Verbesserungsvorschläge zum Thema Ökologie gemacht. Vor allem eine breitere Auswahl an Bioprodukten wurde dabei gefordert. Wenzel kritisiertedie geplante Einführung eines Zwangspfandes für Dosen: „Die kleinen Einzelhändler im Nahversorgungsbereich nehmen bereits heute drei Mal mehr Pfandflaschen zurück, als sie verkaufen.“ Diesen Trend werde das Zwangspfand noch verstärken.
Ortwin Renn, Vorstandssprecher der TA-Akademie, hofft, dass am „Runden Tisch“ vielleicht noch eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. An diesem Gremium treffen sich im Rahmen des Projektes seit drei Jahren zweimal im Jahr Vertreter aus Bundesumweltministerium, Unternehmen und Verbänden, um überumweltpolitische, handelsrelevante Themen zu reden. Das Konzept der DBU für das Projekt Nachhaltigkeit im Einzelhandel sieht vor, dass die Fortführungdes „Runden Tisches“ ebenso gesichert ist, wie die Pflege der Internetseite und der Datenbank.
Ansprechpartnerinnen: Dr. Birgit Blättel-Mink, Tel.0711/9063-198.
E-Mail: birgit.blättel-mink@ta-akademie.de.
UtaUmpfenbach, Tel. 0711/9063-281.
E-Mail: uta.umpfenbach@ta-akademie.de
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