Die Legende von den Good Cops und Bad Cops

Korrupt, faul, ungebildet und zu feige für die Verbrecherjagd – das Image der Polizei in Südafrika ist vor allem im eigenen Land nicht gerade vorteilhaft. Was es mit diesen Vorstellungen und anderen Problemen des Südafrikanischen-Polizei-Service (SAPS) auf sich hat, untersuchten Darshan Vigneswaran und Julia Hornberger vom Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften in Göttingen. Sechs Monate lang begleiteten sie mit ihrem Team südafrikanische Polizisten und dokumentierten das Verhalten der Beamten in ihrem Dienst. Ihre Ergebnisse legen eine völlig neue Strategie im Kampf gegen polizeiliche Korruption am Kap nahe.

„Es gibt nicht einfach nur „bad cops“, die gegen Regeln verstoßen und die „good cops“, die vorschriftsmäßig ihren Dienst verrichten“, fasst Vigneswaran eines der wichtigsten Resultate der Reports zusammen, die er mit seinem Team über den Polizeidienst in Südafrika verfasst hat. Der gebürtige Australier ist Postdoktorand am Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften und Forschungsgruppenleiter in dem „Forced Migration Studies Programme“ an der Universität von Witwatersrand (WITS) in Johannesburg, wo auch das „Good Cop/ Bad Cop“-Projekt entstand. Ein halbes Jahr lang begleiteten sie die Beamten des SAPS im Außendienst in unterschiedlichen Vororten und Townships und interessierten sich vor allem für Situationen, in denen die Polizisten Geld, Lebensmittel oder Sonstiges zugesteckt bekamen oder einforderten. Ihr abschließender Bericht zeigt, dass Kleinkorruption im südafrikanischen Polizeidienst eben nicht die Ausnahme ist. Vielmehr gehört es zum Alltag vieler Polizeistationen und wird von den meisten Beteiligten auf beiden Seiten stillschweigend geduldet, so die Forscher.

Den Berichten zufolge gehört es zum Alltag der Beamten, ihre persönlichen Angelegenheiten während der Dienstzeit zu erledigen, Mittagessen zu gehen oder einzukaufen. Entsprechend vielfältig gestalten sich die Kontakte zu den Menschen in ihrem Revier – und die Möglichkeiten der Vorteilsnahme im Dienst. Wie die Forscher beobachteten, erhalten diese häufig von den Bewohnern der Townships Lebensmittel – etwa eine kühle Limo oder Obst, wenn sie bei ihren Streifen an einem Geschäft oder Straßenstand vorbeikommen. Diese Gaben seien nicht unbedingt direkt als Bestechung zu werten, relativieren die Forscher. Oft hätte dieser Austausch eher zwischenmenschlichen Charakter und diente quasi als sozialer Kitt vor allen Dingen dazu, das Verhältnis zwischen den Geschäftsleuten und Polizeibeamten zu festigen, sagt Vigneswarans Mitarbeiterin Sian Ófaoláin in ihrem Bericht, in dem sie die spezielle Dynamik der Beziehungen der Polizeibeamten in ihrem Revier untersucht hat. So wurde sie auch Zeugin einer Situation, in der der Eigner eines Bierladens extra über die Straße in ein anderes Geschäft ging, um dem Polizisten eine Banane zu kaufen. Diese Interaktion sei freundlich gewesen und habe auf den ersten Blick nicht den Eindruck erweckt, dass der freundliche Spender mit seinem Geschenk etwas als Gegenleistung von dem Beamten erwartet habe. „Andererseits erscheint diese Aktion in einer Region, in der Kriminalität häufig mit Alkoholkonsum verknüpft ist, möglicherweise doch mit einem Hintergedanken verbunden zu sein“, gibt sie zu bedenken.

Die Grenze zur Korruption

Deutlich grenzwertigere Züge beobachtete die junge Forscherin in einer anderen Situation. „Dabei fuhren die Beamten mit ihrem Wagen vor das Haus eines sichtbar wohlhabenden Mannes und hupten“, beginnt ihr Bericht. „Daraufhin holte ein Nachbar den Hausbesitzer heraus, der den Polizisten 40 von den 80 Rand aus seiner Geldbörse überreichte – für kalte Getränke.“ Während der Weiterfahrt hätten sich die Beamten darüber sichtlich gefreut. „Sie waren stolz darüber, dass der so mächtig scheinende Mann durch diese Spende ihre Rolle als Autoritäten im Viertel anerkannte“, so Ófaoláins Eindruck. Auch in dieser Situation sei wieder diese soziale Ambivalenz vorhanden. Einerseits fänden sich Anklänge von Korruption – diesmal sogar deutlicher als in dem anderen Beispiel. Doch ebenso diene sie auch dazu ein bestehendes soziales Verhältnis zwischen Polizisten und Bürger zu bestätigen, insbesondere, weil zu dem konkreten Zeitpunkt keinerlei Gefälligkeiten seitens des spendablen Mitbürgers erwartet wurden.

Ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Team berichten von einer Vielzahl ähnlicher Vorfälle, die zum Teil die Grenze zur Korruption jedoch deutlicher überschritten als die Spende für Limo oder die geschenkte Banane. Oft erfolgten sie in stillschweigendem Einvernehmen zwischen Polizei und Betroffenen – etwa als die Beamten den in der Öffentlichkeit verbotenen Alkohol von den Insassen eines Fahrzeuges einkassierten und im Gegenzug auf den Strafzettel verzichteten oder sich von fliegenden Raubkopien-Händlern eine Musik-CD schenken und die Verkäufer ungestraft ziehen ließen. Im Wesentlichen stießen Vigneswaran und seine Kollegen auf fast immer die gleichen Phänotypen der „kleinen Schwester“ der großen Korruption: Aufforderung zur Bestechung, Schmiergeldzahlungen, um Behördenprozesse zu beschleunigen, Vorteilsnahme gegen Straffreiheit und Erpressung.

Auch wenn solche Ereignisse zumeist in stillschweigendem Einvernehmen zwischen den Zivilsten und Beamten erfolgten, geraten sie dennoch häufig in die Öffentlichkeit. Auch erscheinen immer wieder Berichte über spektakuläre Fälle von Korruption in den Medien. Dem dadurch manifestierten negativen Image der Polizei hätten Behörden und Politik indes wenig entgegenzusetzen, sagt Vigneswaran. Zwar würden manche Beamte versuchen ihre Berufsehre zu verteidigen. Doch sei dies wenig effizient, weil sie der bösen Karikatur des „bad cop“ der Öffentlichkeit ein ebenso holzschnittartiges Bild vom hart arbeitenden, grundehrlichen, tapferen „good cop“ entgegenhalten. „Eine solche „good cop“ versus „bad cop“-Debatte bringt gar nichts“, so der Politikwissenschaftler. „Wenn wir irgendeine Hoffnung haben, ein Konzept für eine angemessene Politik und Programme für die SAPS entwickeln zu können, brauchen wir ein nuanciertes Bild und Verständnis der Polizeikultur und -praxis“, erklärt er den seiner Meinung nach einzig sinnvollen Ansatzpunkt für eine Neuausrichtung der Strategie. Das einfache „good cop – bad cop“-Klischee erklärt nach seiner Auffassung keineswegs, warum Polizeibeamte ethisch und moralisch fragwürdiges Verhalten an den Tag legen. Auch liefert es keinerlei Hinweise auf den breiteren Kontext, in dem die illegalen Grenzgänge stattfinden. Stattdessen verlagert es das Problem auf die individuelle Ebene.

Das bedeutet auch, dass die herkömmliche Politik, Prozeduren und Mechanismen weiter wie bisher angewendet werden, um solches Fehlverhalten zu eliminieren, anstatt die Organisation als solche zu prüfen. „Wenn wir davon ausgehen, dass Korruption oder anderes Fehlverhalten weniger von einem „schwarzen Schaf“ ausgeht, sondern mit den strukturellen Rahmenbedingungen, Kulturen und sozialen Dynamiken der Polizei in Südafrika als Solche zusammenhängt, kommen wir zwangsläufig zu dem Schluss, dass die gegenwärtige Politik sich nicht eignet, um das Problem in den Griff zu bekommen.“ Durch ihre Dokumentationen des realen Polizeialltags hoffen Vigneswaran und seine Kolleginnen und Kollegen solide Fakten als Grundlage für eine sinnvolle Debatte über die Polizeiarbeit und -kultur in Südafrika zu schaffen und somit auch ein Instrument gegen die allgegenwärtige Korruption im Dienst zu bieten.

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Dr. Norbert Winnige, Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften, Göttingen
Tel.: +49 (551) 4956 – 246
E-Mail: winnige@mmg.mpg.de

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Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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