Tübinger Mineralogen erforschen die Entstehung von Silberlagerstätten im Schwarzwald
Bei Menschen begehrte Mineralien wie Silber oder Blei sind in vielen Gesteinen und im Oberflächenwasser nur in Spuren vorhanden. Doch im Schwarzwald haben sich blei- und silberhaltige Erze teilweise in meterbreiten Schichten, so genannten Gängen, abgelagert. Die Tübinger Mineralogen Prof. Gregor Markl und Gregor Schwinn erforschen, durch welche geologischen Prozesse Hunderte solcher kleinen Erzlagerstätten entstehen konnten.
Im Schwarzwald finden sich zahlreiche kleine Erzlagerstätten, die seit der Keltenzeit um
3000 v. Chr. abgebaut wurden. Im Mittelalter und bis ins 18. Jahrhundert war vor allem das Silber begehrt, das sich in kleinen Mengen in dem stark bleihaltigen Gestein fand. Die Mineralien kommen in so genannten Erzgängen vor, zwischen 20 Zentimetern und einigen Metern dicken Füllungen von Rissen, Brüchen und Hohlräumen im Gestein. Diese Erzlagerstätten wurden bereits in den 1950er Jahren von Forschern beschrieben, doch bis heute ist nicht genauer bekannt, durch welche geologischen Prozesse sie entstanden sind. Die Mineralogen Prof. Gregor Markl und Gregor Schwinn vom Institut für Geowissenschaften der Universität Tübingen untersuchen, welche Bedingungen zur Entstehung der Erzlagerstätten im Schwarzwald beigetragen haben und woher die darin vorhandenen Metalle stammen.
„Die Kelten haben in den Erzlagerstätten des Schwarzwalds Farbpigmente gewonnen, zum Beispiel Ocker, vermutlich zur Bemalung bei bestimmten Riten“, erklärt Markl. Mit dem Silbererzbergbau begannen dann die Römer im Westschwarzwald. Zwischen 1000 und 1300 nahm der Bergbau größere Ausmaße an. Aus der Blei- und Silbergewinnung schöpften Baseler und Freiburger ihren Reichtum. „So ist das Freiburger Münster das einzige Münster, das noch im Mittelalter fertiggestellt wurde. Das Kapital stammte aus dem Bergbau“, erklärt Markl. Ende des 14. Jahrhunderts habe der Bergbau im Schwarzwald jedoch schlagartig aufgehört. „Wahrscheinlich lässt sich dies auf das große Erdbeben in Basel 1356 zurückführen, dass die ganze Stadt zerstörte. Die Hauptfinanciers des Bergbaus im Südschwarzwald waren Baseler Kaufleute, die das Geld für den Wiederaufbau ihrer Stadt benötigten“, so der Forscher. Der Silberbergbau wurde erst nach dem 30-jährigen Krieg wieder aufgenommen, vor allem im Kinzigtal, und erreichte im 18. Jahrhundert seinen Höhepunkt. „Insgesamt wurde jedoch im Erzgebirge hundert Mal mehr Erz gefördert als im ganzen Schwarzwald“, gibt Markl zu bedenken. Die letzte noch aktive Grube im Schwarzwald ist die Grube Klara bei Oberwolfach. Dort werden Baryt und Fluorit gefördert, zwei Minerale, die für technische Anwendungen gebraucht werden. Baryt kommt dort in einmaliger Qualität vor, es ist in reinem Zustand weiß und schwer und wird zum Beispiel Büttenpapier zugesetzt. Fluorit liefert den Rohstoff für das Fluor, das in Zahnpasta enthalten ist.
Doch wie kamen die Erze in den Schwarzwald? Während verschiedener tektonischer Perioden, also Phasen von Erdbewegungen, haben sich Gesteinsspalten gebildet, die mit einer wässrigen Lösung gefüllt wurden, aus der sich die Erze abschieden. Im Schwarzwald sind dabei mehrere hundert Erzgänge entstanden, die hauptsächlich Blei, Kupfer, Zink, Kobalt und wenig Silber führen. „In kleinsten Mengen hat sich diese Lösung, aus der sich früher die Erze gebildet haben, seit der Zeit des Jura vor rund 140 Millionen Jahren erhalten, und zwar in winzigen Hohlräumen in den Erzmineralen“, erklärt Markl. Im Jura war das Land von einem Meer überschwemmt, in der Tiefe bildeten sich in dieser Zeit die Erzlagerstätten. „Auch unter unseren Füßen läuft sicherlich die Erzbildung weiter oder neue Prozesse laufen ab“, sagt Markl.
Die Lösung, wie sie sich auch im Kristall eingeschlossen findet, war zunächst einheitlich, später haben sich daraus winzige Kristalle abgeschieden. „Wir können diesen Vorgang rückgängig machen und im Polarisationsmikroskop beobachten. Dabei wird der Kristall mit seinen Einschlüssen aufgeheizt, bis die Lösung wieder homogen ist“, erklärt Markl. Außerdem können die Forscher die Kristalle mit Laserlicht beschießen. Die Flüssigkeit verdampft und wird in ein Massenspektrometer geleitet. Darin kann man messen, wie viele Metalle und andere Elemente in der Erz-bringenden Lösung enthalten waren. „Wir bekommen aus diesen Untersuchungen wichtige Informationen zur Bildung der Erze“, so der Forscher. Auch ihm selbst erscheinen die Prozesse, die im Schwarzwald abgelaufen sind, „wie ein Wunder“. Denn das Silber, was in der Lösung nur in winzigen Spuren vorhanden ist, konnte bei diesen Filterprozessen teilweise zu riesigen Klumpen konzentriert werden.
Doktorand Gregor Schwinn hat herausgefunden, dass die Erzlagerstätten im Schwarzwald bei 120 bis etwa 300 Grad Celsius entstanden sein müssen. „Interessanterweise haben sich Blei- und Kupfererze mit Baryt und Fluorit bei 120 bis 170 Grad abgelagert, Antimon und Gold mit Quarz aber bei 250 bis 300 Grad Celsius“, sagt Schwinn. „Sehr wahrscheinlich sind die verschiedenen Erze also bei verschiedenen Temperaturen, aber aus der gleichen Lösung auskristallisiert.“
Schwinn hat auch untersucht, woher die wässrige Lösung überhaupt stammen könnte. Dazu werden die unterschiedlichen Isotope von Sauerstoff und Wasserstoff in der Lösung gemessen. Isotope heißen die unterschiedlich schweren Atome eines chemischen Elementes. Das Verhältnis von schwereren und leichteren Isotopen ist für Wasser unterschiedlicher Herkunft charakteristisch. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es sich bei der Lösung, aus der sich die Erze abgelagert haben, um das frühere Meerwasser in der Region handelt“, sagt Schwinn. In die riesigen Brüche, die bei der Hebung des Schwarzwaldes entstanden sind, ist Meerwasser eingesickert. „Die Brüche sind gute Kanäle. Wenn das Wasser in die Tiefe gelangt, wird es stark aufgeheizt. Als heißes, wenig dichtes Wasser hat es die Tendenz, an anderen Stellen, durch andere Brüche wieder nach oben zu steigen“, erklärt Markl. Dabei kühlt sich das Wasser ab und verschiedene Mineralien fallen aus: Gold- und Antimonhaltige Minerale bei höheren Temperaturen und bei der Abkühlung nacheinander Silber, Blei und Zink. „Typische Entstehungsbedingungen für die Erzgänge im Schwarzwald finden sich in anderthalb bis zwei Kilometern Tiefe bei relativ kleinem Druck“, so Schwinn.
Der Zeitraum, in dem sich die Erze abgelagert haben, ist schwer zu bestimmen. Prinzipiell muss es nach Ansicht von Markl kein geologisch langer Prozess gewesen sein: „Wenn man zum Beispiel bedenkt, wie schnell sich aus dem Leitungswasser dicke Kalkschichten in Rohren und Waschmaschinen absetzen können, dann können sich die Erze sehr schnell abgelagert haben. Wir haben jedoch keine Möglichkeit gefunden, die Geschwindigkeit der Prozesse im Schwarzwald zu messen.“ Vermutlich wurden die Spalten im Gestein dort von zwei Seiten zumineralisiert. Dann könnte es Bewegungen durch Erdbeben gegeben haben, bei denen die ursprünglichen Brüche wieder aufrissen. Anschließend wurden sie erneut zumineralisiert. „An der Grube Klara lassen sich drei Mineralisierungsphasen finden, in denen wahrscheinlich immer wieder Lösungs- und Ablagerungsprozesse stattfanden“, sagt Markl. Schwinn gibt sich für seine Doktorarbeit nicht damit zufrieden, die Entstehungsmechanismen der Erzlagerstätten aufzuklären. Er will im zweiten Teil seiner Untersuchungen auch abschätzen, in welchen Größenverhältnissen die geologischen Prozesse abgelaufen sind.
Nähere Informationen:
Institut für Geowissenschaften
Arbeitsbereich Mineralogie und Geodynamik
Wilhelmstr. 56, 72074 Tübingen
Prof. Gregor Markl
Tel. 07071-2972930
Fax 07071-293060
E-mail: gregor.markl@uni-tuebingen.de
Gregor Schwinn
Tel. 07071-2973080
E-mail: gregor.schwinn@uni-tuebingen.de
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.uni-tuebingen.de/uni/qvo/pd/pd.htmlAlle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften
Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.
Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.
Neueste Beiträge
Spitzenforschung in der Bioprozesstechnik
Das IMC Krems University of Applied Sciences (IMC Krems) hat sich im Bereich Bioprocess Engineering (Bioprozess- oder Prozesstechnik) als Institution mit herausragender Expertise im Bereich Fermentationstechnologie etabliert. Unter der Leitung…
Datensammler am Meeresgrund
Neuer Messknoten vor Boknis Eck wurde heute installiert. In der Eckernförder Bucht, knapp zwei Kilometer vor der Küste, befindet sich eine der ältesten marinen Zeitserienstationen weltweit: Boknis Eck. Seit 1957…
Rotorblätter für Mega-Windkraftanlagen optimiert
Ein internationales Forschungsteam an der Fachhochschule (FH) Kiel hat die aerodynamischen Profile von Rotorblättern von Mega-Windkraftanlagen optimiert. Hierfür analysierte das Team den Übergangsbereich von Rotorblättern direkt an der Rotornabe, der…