Betriebliche Auswirkungen unterschiedlich langer Arbeitstage
Ärzte im Krankenhaus – ist ihr Arbeitstag zu lang?
Betriebliche Auswirkungen unterschiedlich langer Arbeitstage
Köln-Preis für Dr. Achim Krings
Bei der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung ist unter anderem auch die Länge des Arbeitstages zu bestimmen. Die Bedeutung dieses Entscheidungsproblems zeigt sich beispielsweise bei der Arbeitszeitgestaltung in Krankenhäusern. Dort wird die Frage, ob zu lange Schichtdienste von Ärzten die Qualität der Patientenversorgung beeinträchtigen, immer wieder diskutiert. Auch in der Diskussion um Teilzeitarbeit streitet man sich über die Frage, welche betrieblichen Konsequenzen unter-schiedlich lange Arbeitstage haben. Der Kölner Volkswirt Dr. Achim Krings untersucht diese Fragen in seiner im betriebs-wirtschaftlichen Bereich angesiedelten Doktorarbeit „Theorie und Empirie unterschiedlich langer Arbeitstage am Beispiel von Schicht- und Teilzeitarbeit“. Er wurde für seine Dissertation, die durch Professorin Dr. Uschi Backes-Gellner betreut wurde, mit dem Köln-Preis 2000 ausgezeichnet.
Die theoretische Analyse der betrieblichen Auswirkungen unter-schiedlich langer Arbeitstage weist auf folgenden Zielkonflikt hin: Einerseits sinkt aufgrund von Ermüdungseffekten bei längerer täglicher Arbeitszeit tendenziell die Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmern. Andererseits erleichtert eine längere tägliche Arbeitszeit die Informationsweitergabe im Betrieb, weil weniger Wechsel zwischen Arbeitnehmern erforderlich sind – so wird eine ganzheitlichere Behandlung der Aufgaben möglich. Theoretisch ist nur schwer vorherzusagen, welcher dieser gegenläufigen Effekte auf die betriebliche Produktivität dominiert. Deshalb führte Dr. Krings eine empirische Untersuchung durch: Er verglich die Qualität der Patientenversorgung auf sechs chirurgischenIntensivstationen deutscher Universitätskliniken, in denen die Ärzte unterschiedlich lange pro Tag arbeiten.
Die verwendeten Daten stammen aus einem interdisziplinärenForschungsprojekt, das durch Professor Dr. Arnulf Hölscher, Direktor der Klinik und Poliklinik für Visceral- und Gefäßchirurgie, ange-regt wurde. Die Studie entstand in Zusammenarbeit zwischen der Klinik und dem Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Personalwirtschaftslehre der Universität zu Köln. Auf Seiten der Klinik wurde das Projekt von Privatdozentin Dr. Elfriede Bollschweiler betreut.
Kern dieser empirischen Untersuchung war die Frage, ob eine bessere Patientenversorgung eher durch ein Zweischicht- oder ein Dreischichtmodell für Ärzte erreicht werden kann. Bei einem Zweischichtmodell erstreckt sich eine Schicht auf zwölf Stunden, bei einem Dreischichtmodell hingegen auf acht Stunden. Im Gegenzug haben Ärzte im Zweischichtmodell eine größere Anzahl an freien Tagen als im Dreischichtmodell.
Die Qualität der Patientenversorgung als der kritischen Erfolggröße für die unterschiedlichen Arbeitszeitmodelle wurde dabei anhand der Gesundheitsverläufe von 347 Patienten gemessen, die in einem einmonatigen Erhebungszeitraum auf den sechs Intensivstationen behandelt wurden. Weil auf Intensivstationen eine große Menge an vergleichsweise objektiven Daten über den Gesundheitszustand der Patienten erhoben wird, eignen sie sich besonders gut für die Analyse der Qualität der Patientenversorgung. Die bestehenden Unterschiede zwischen den untersuchten Intensivstationen im Hinblick auf personelle und technische Ausstattung, den Schweregrad der Erkrankung der Patienten und die akute Arbeitsintensität während des Aufenthaltes auf der Intensivstation, wurden erhoben und statistisch korrigiert, so dass verbleibende Unterschiede in der Qualität der Patientenversorgung auf die unterschiedlichen Arbeitszeitmodelle kausal zurückgeführt werden können.
Im Ergebnis stellte sich heraus, dass die Qualität derPatientenversorgung auf den Intensivstationen mit einem Zweischichtmodell etwas besser war als auf den Intensivstationen mit einem Dreischichtmodell. Ein vergleichsweise langer Arbeitstag von etwa zwölf Stunden scheint also in diesem Anwendungsfall dem“Normalarbeitstag“ von acht Stunden überlegen zu sein.
In Ergänzung zu dieser Untersuchung der Auswirkungen unter-schiedlicher Schichtmodelle auf die Qualität der Patientenversorgung wurden die beteiligten Ärzte zu ihrer Arbeitsbelastung und zu ihren Arbeitszeit-Präferenzen befragt. Dabei ergaben sich keine bedeutenden Unterschiede in Belastung und Leistungsfähigkeit der Ärzte in Zwei- und Dreischicht-Kliniken. Die befragten Ärzte stehen den längeren täglichen Arbeitszeiten des Zweischichtmodells in der Tendenz positiv gegenüber. Eine eindeutige Bevorzugung des einen oder anderen Arbeitszeitmodells konnte aber nicht festgestellt werden, da einzelne Ärzte, zum Beispielaufgrund ihrer familiären Situation, kürzere Arbeitstage präferieren, wogegen die Mehrzahl die längeren Arbeitstage mit den damit verbundenen längeren Freizeitblöcken vorzieht.
Insgesamt scheint damit das Ergebnis einer höheren Qualität der Patientenversorgung im Zweischichtmodell also darauf zurückzuführen sein,dass dabei die Leistungsfähigkeit der Ärzte im Vergleich zum Dreischichtmodell nicht beeinträchtigt ist, wohingegen die Informationsweitergabe aufgrund der geringeren Häufigkeit von Schichtwechseln besser zu funktionieren scheint als im Dreischichtmodell.
Um die Repräsentativität dieses besonderen Anwendungsfalls zu prüfen, verglich Dr. Krings auch die besonderen Vor- und Nachteile von Teil- und Vollzeitarbeit in allen Beschäftigungsverhältnissen. Dazu zog er Daten aus der zwölften Welle des Sozioökonomischen Panels (SOEP) von 1995 heran, die vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung bereitgestellt wurden. Auch diese Untersuchung bestätigte die negativen Auswirkungen von kurzen Arbeitstagen auf die Informationsflüsse in Unternehmen. Lange Arbeitstage sind insbesondere dann vorteilhaft, wenn Tätigkeiten schwer standardisierbar sind, wenn die Arbeitsergebnisse schwer messbar sind, wenn der Arbeitsanfall schwer planbar ist und wenn die Beziehung zu Kunden persönlicher und spezifischer Natur ist. Nur wenn dies nicht der Fall ist, sind Teilzeitarbeitsverhältnisse betriebswirtschaftlich vorteilhaft und damit wettbewerbsfähig.
Verantwortlich: Eva Faresin
Für Rückfragen steht Ihnen Professorin Dr. Uschi Backes-Gellner unter der Telefonnummer 0221/470-5887 und der Fax-Nummer 0221/470-5078 zur Verfügung.
Unsere Presseinformationen finden Sie auch im World Wide Web unter http://www.uni-koeln.de/organe/presse/pi/.
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