Korallen belegen Veränderung der Meeresströmung im Zusammenhang mit Klimaerwärmung
Eines der ältesten bekannten Wettersysteme ist die Nordatlantische Oszillation (NAO), der periodische Wechsel der Luftdruckunterschiede zwischen den Azoren und Island. Es bestimmt nicht nur, ob die Winter in Europa kalt und trocken oder nass und warm sind, sondern beeinflusst auch die Meeresströmung im Nordatlantik. Auf dem Kontinentalsockel vor Neuschottland scheint die NAO die Wechselwirkung verschiedener Wassermassen zu steuern.
Während positiven Phasen der NAO bestimmt eine mit 10 Grad Celsius relativ warme, aus dem Golfstromsystem entspringende, salz- und nährstoffreiche Wassermasse die Ozeanografie des nordwestamerikanischen Kontinentalrandes. Befindet sich die NAO in einer negativen Phase, ist die Labradorströmung prägend, eine mit 6 Grad Celsius relativ kalte und nährstoffärmere Wassermasse, welche subpolaren Gebieten entspringt.
Ein internationales Forschungsteam um die beiden Biogeochemiker Prof. Moritz Lehmann (Universität Basel) und Dr. Carsten Schubert (Eawag – Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs) konnte nun mit neuen geochemischen Methoden nachweisen, dass in den frühen 1970er-Jahren im westlichen Nordatlantik ein einschneidender Wechsel zu einem «Warmwasser-Modus» stattgefunden hat. Dieser mit der globalen Klimaerwärmung zeitlich einhergehende und möglicherweise mit ihr in direkter Verbindung stehende Vorgang ist für die letzten 2000 Jahre einmalig.
Korallen speichern Klimadaten
Die Forschenden machten sich zunutze, dass Wassermassen wegen ihrer unterschiedlichen Herkunft unterschiedliche Stickstoffisotopensignaturen (unterschiedliche Verhältnisse der stabilen Stickstoffisotope 15N und 14N) aufweisen. Diese Isotopensignale werden in der Biomasse von Tiefseekorallen in mehreren hundert Metern Tiefe eingebaut, die sich von aus dem Oberflächenwasser herabsinkenden organischen Partikeln ernähren. Die Tiefseekorallen erlauben so eine Rekonstruktion der Meeresströmungsverhältnisse der letzten Jahrzehnte. Eine genaue Datierung der einzelnen Proben wird dadurch erleichtert, dass die Korallen gut aufzutrennende Jahresringe ausbilden. Die Forschenden konnten eine klare Abnahme des 15N/14N-Verhältnisses seit 1970 nachweisen, was darauf hindeutet, dass die kältere Labradorströmung, die ein höheres 15N/14N aufzeigt, in den letzten Jahrzehnten eine immer weniger wichtige Rolle einnimmt.
Mögliche andere biologisch-ökologische oder geochemische Ursachen für eine derartige Veränderung der Isotopenverhältnisse konnten von den Forschenden mittels komponentenspezifischer Stickstoffisotopenanalysen der Korallen ausgeschlossen werden. Je nach Nahrungskettenstruktur verändert sich das 15N/14N-Verhältnis bestimmter Aminosäuren in den einzelnen Jahresringen der Koralle. Die Stickstoffisotopensignaturen der Aminosäuren bezeugen, dass Nahrungsketteneffekte zumindest in den letzen 70 Jahren keine wichtige Rolle spielten.
Klimaerwärmung mit Folgen
Die Isotopenanalyse von fossilen Tiefseekorallen aus derselben Gegend bestätigte, dass sich die Stickstoffisotopensignaturen und damit die Meeresströmungsverhältnisse in den knapp 2000 Jahren zuvor so gut wie nicht verändert haben. Dies deutet darauf hin, dass die ozeanografische Meeresströmungsveränderung seit den 1970er-Jahren in diesem Ausmass innerhalb der letzten 2000 Jahre einzigartig zu sein scheint. Die Forschenden vermuten eine direkte Verbindung zwischen den Meeresströmungsveränderungen im Nordatlantik und der hauptsächlich durch den Menschen verursachten globalen Klimaerwärmung.
Originalbeitrag
Owen A. Sherwood, Moritz F. Lehmann, Carsten J. Schubert, B. Scott and Matthew D. McCarty
Nutrient regime shift in the western north Atlantic indicated by compound-specific δ15N of deep sea Gorgonian corals
PNAS published online before print January 3, 2011 | doi: 10.1073/pnas.1004904108
Weitere Auskünfte
Prof. Dr. Moritz Lehmann, Universität Basel, Institut für Umweltgeowissenschaft, Bernoullistrasse 30, 4056 Basel, Tel: 061 267 30 17, E-Mail: Moritz.Lehmann@unibas.ch
Dr. Carsten J. Schubert, Eawag – Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs, Seestrasse 79, 6004 Kastanienbaum, Tel. 044 823 53 75, E-Mail: carsten.schubert@eawag.ch
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