

Je später um so höher ist Aufwand für das Gehirn
Forschungen der Neurologischen Klinik der Berliner Charité und der Universität Mailand erhärten die These, dass es eine besonders günstige Periode beim Erwerb einer Zweitsprache gibt. Die Annahme stützt sich auf die Tatsache, dass ein Kleinkind innerhalb kurzer Zeit seine Muttersprache grammatikalisch richtig und mit reichem Wortschatz erlernen kann. Dass es auch bei dem Erwerb einer Zweitsprache eine gewisse “kritische” Phase gibt, war bislang nicht bewiesen.
Die Forscher um Isabell Wartenburger verglichen mit Hilfe des bildgebenden Verfahrens, der so genannten “funktionellen Kernspintomographie” (fMRI), während eines Sprachtests die Gehirnaktivität von Italienern, die Deutsch als Zweitsprache entweder von Geburt an oder nach dem sechsten Lebensjahr erlernt hatten. Die Probanden wurden in drei Gruppen geteilt: Eine, die von Geburt an beide Sprachen erlernte und die Zweitsprache sehr gut beherrschte, eine zweite, die Deutsch nach dem sechsten Lebensjahr lernte, aber gleiche Fertigkeiten entwickelte und eine dritte, die die Zweitsprache nach dem sechsten Jahr lernte und nur mäßig beherrschte. Getestet wurde neben dem grammatikalischen und semantischen Wissen das Können.
In der Analyse der Hirnaktivierungen der Probanden in den beiden ersten Gruppen zeigte sich: Wird die Zweitsprache nach dem sechsten Lebensjahr gelernt, muss das Gehirn gewissermaßen einen höheren Aufwand betreiben. Zur Verarbeitung der Zweitsprache benötigt es eine höhere Aktivierung, sofern es sich um die Grammatik handelt. Unterschiede bei der Verarbeitung der Semantik fanden sich nicht. Bei der dritten Gruppe allerdings, die die Zweitsprache nicht nur spät, sondern auch unzulänglich lernte, stellten die Forscher folgendes fest: Auch bei den semantischen Sprachtests benötigte das Gehirn eine höhere Aktivierung als das jener, die die Zweitsprache zwar spät aber mit gutem Erfolg lernten. Nach Einschätzung der Wissenschaftler ist somit die Kindheit tatsächlich das günstigste Alter zum Erlernen der zweiten Sprache. Die Ergebnisse wurden im Fachblatt “Neuron” publiziert.