Max-Planck-Forscher entwerfen Quantenmotor
Internationales Physiker-Team entwickelt neuartige Quanten-Wärmekraftmaschine, die eine höhere Energieausbeute und Energiespeicherung ermöglicht
Eine neuartige Quantenwärmekraftmaschine (quantum heat engine, QHE) haben führende Wissenschaftler aus Deutschland, Indien, Pakistan und den USA jetzt in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science vorgestellt. Der Kolben in dieser Maschine wird durch Photonendruck bewegt. Strahlung ist somit das Arbeitsmedium (analog zu Dampf), das durch einen Strahl heißer phase-kohärenter Atome angeheizt wird (analog zu Kohle). Diese Maschine wird von einem speziellen Quanten-Wärmebad betrieben und kann – im Unterschied zur klassischen Wärmekraftmaschine – Arbeit auch aus nur einem einzelnen thermischen Reservoir erzeugen. Der zweite Satz der Thermodynamik wird dabei nicht verletzt. Noch ist der Quantenmotor außerhalb der momentanen technischen Möglichkeiten, doch er eröffnet neue Wege, Energie effizienter zu erzeugen und zu speichern.
Tagein tagaus erleben wir die Wirkung von Naturgesetzen und bauen darauf unsere Erfahrungen auf. Hingegen empfinden wir die Gesetze der Quantenmechanik als widersprüchlich und unverständlich, da sie mit unseren alltäglichen Erfahrungen unvereinbar zu sein scheinen. Doch Forscher sind heute zunehmend dabei, in die Komplexität der Quantenwelt einzudringen, um deren Besonderheiten zu verstehen und nutzbar zu machen. Beispiele dafür sind der Quantencomputer, die Quantenkryptographie oder die Quanten-Teleportation.
Die Quantenmechanik erfasst auch die Thermodynamik, einst Triebkraft für die Entwicklung der Quantentheorie. So müssen alle Antriebsmotoren, seien es die kolossalen Antriebe des Space Shuttle oder der Benzin-Motor im Auto, den Gesetzen der Thermodynamik gehorchen. Dabei erfolgt die Umwandlung von Wärmeenergie in andere Energieformen allgemein mit einer Wärmemaschine, die nach dem Carnot-Prozess arbeitet. Der französische Physiker Sadi Nicolas Leonhard Carnot (1796-1832) hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts gezeigt, dass für eine Wärmekraftmaschine ein optimaler Wirkungsgrad existiert, der von der Temperaturdifferenz zweier Wärmebäder abhängt, durch die die Maschine angetrieben wird. Der Wirkungsgrad ist umso höher, je größer die Temperaturdifferenz zwischen beiden Wärmekreisläufen ist. Beträgt die Energiedifferenz jedoch Null, kann keine Arbeit verrichtet werden. Das ist der Kern des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik.
Marlan O. Scully von der Texas A&M University/USA, M. Suhail Zubairy von der Quaid-i-Azam University, Islamabad/Pakistan, Girish S. Agarwal vom Physical Research Laboratory, Ahmedabad/Indien und Herbert Walther, Max-Planck-Institut für Quantenoptik, haben sich nun die Interferenz, also die Überlagerung von mindestens zwei (Atom-)Wellen, zunutze gemacht und eine Quantenmaschine entworfen. Ausgangspunkt dafür waren zwei Innovationen in der Quantenoptik, die Entwicklung des Mikromasers (Microwave/ molecular ampflication by stimulated emission of radiation) sowie des Lasers ohne Inversion. Zu beiden Phänomenen sind wichtige Beiträge am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und an der Ludwig-Maximilians-Universität München entstanden.
Im Kern besteht die Quantenmaschine aus einem Mikrolaser-Hohlraum, der durch zwei Spiegel gebildet wird. Ein Spiegel arbeitet als Resonator, der andere als Kolben, der vom Photonendruck getrieben wird (Abb. 1A). Dieser Aufbau ermöglicht einen zyklischen Prozess zur Erzeugung von Arbeit. Betrieben wird diese Maschine mit einem kohärenten Gas, das von einem Mikrowellen-Generator erzeugt wird und das einem chemischen Treibstoff vergleichbar ist, der die in chemischen Bindungen gespeicherte Energie nutzt, um ebenfalls einen Kolben zu bewegen. Durch die Quantenkohärenz des heißen Gases wird das Gleichgewicht zwischen Absorption und Emission in der Maschine derart verändert, dass Energie aus einem einzigen Wärmkreislauf ohne Verletzung des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik gewonnen werden kann.
Wird diese Maschine mit normalen thermischen Atomen betrieben, ist ihre Effizienz durch das Carnot-Limit begrenzt (Abb. 1B). Das ändert sich, wenn man heiße Atome einsetzt, die zum Beispiel durch einen Mikrowellen-Generator in eine kohärente Mischung zwischen zwei Zuständen versetzt wurden. Bei einem solchen Ensemble von phasen-kohärenten Atomen handelt es sich um einen neuen Materiezustand, den man abgekürzt „Phaseonium“ nennt. Phaseonium hat überraschende Eigenschaften. So kann man darin die Ausbreitungsgeschwindigkeiten des Lichts auf wenige Zentimeter pro Sekunde reduzieren und den Lichtstrahl praktisch zum Stillstand bringen. Das haben Experimente in den letzten Jahren gezeigt. Ein kohärentes Medium kann aber auch Ausgangspunkt sein für neuartige Phänomene, wie Laser ohne Inversion (lasing without inversion, LWI) oder elektromagnetisch induzierte Transparenz (electromagnetically induced transparency, EIT).
In ihrer aktuellen Science-Veröffentlichung betonen die Wissenschaftler: „Mit Phaseonium als Brennstoff erhalten wir eine Art ’Sortier-Aktion’, bei der heiße Atome Photonen wie immer emittieren, während kalte Atome weniger als sonst absorbieren… Wir sagen damit nicht, wir hätten ein ’perpetuum mobile der zweiten Art’, doch wir behaupten in der Lage zu sein, Arbeit aus einem einzigen Wärmebad zu gewinnen. Dennoch braucht man Energie, von einer externen Mikrowellen-Quelle, um die Kohärenz vorzubereiten. Doch wir können diese Energie betrachten als Teil eines Raffinierungsprozesses, der ’superoktanigen Quantentreibstoff’ liefert… Alternativ könnten wir den Mikrowellen-Generator (der die Kohärenz erzeugt) auch in die Carnot-Maschine als eine Art ’Quanten-Turbo’ einbauen…“
In einem begleitenden Kommentar in der gleichen Ausgabe von „Science“ hebt Heiner Linke von der Universität Oregon/USA hervor, dass eine Kombination von Quantenmechanik und traditionellen Wärmemaschinen durchaus praktische Vorteile haben könnte: Durch Quantenkohärenz könnte die verfügbare Leistung von Wärmemaschinen erhöht werden. Otto-Motoren wiederum nutzen heute nicht die komplette Temperaturdifferenz zwischen Verbrennungskammer und Abgas. Linke meint, ihre Effizienz könnte vielleicht durch eine Laser-basierte Quanten-Wärme-Maschine gesteigert werden, die die gespeichert Energie des Treibstoffs und die Temperaturdifferenz voll ausnutzt. Und in Brown’schen Wärme-Maschinen, die keinerlei mechanisches Teil benötigen, weil sie auf frei-diffundierenden Teilchen beruhen, könnten die bisherigen Energieverluste durch unkontrollierten Wärmefluss von Heiß nach Kalt durch Quantenfilter vermieden werden. Auf diese Weise ließe sich beispielsweise die Effizienz von thermoelektrischen Solarzellen verbessern.
Darüber hinaus ist die Kapazität der Quantenkohärenz für die Energiespeicherung überraschend groß: Ein geringer Grad an atomarer Kohärenz (ein Millionstel des theoretischen Minimums) genügt, um die Photonen-Gas-Temperatur um einige Prozent zu erhöhen. Zudem ist die Quantenkohärenz auch unerwartet langlebig; im Prinzip wäre es deshalb möglich, die Kohärenz der Atome in Zeiten „geringer Nachfrage nach Maschinenleistung“ zu erzeugen, zu speichern und dann nach Bedarf zu nutzen.
Noch bleibt offen, ob Quanten-Wärmemaschinen in der Nähe des klassischen (Carnot)-Effizienz-Limits arbeiten können, oder ob (andere) quantenmechanische Effekte zu einem niedrigeren Grenzwert führen können. Doch die Thermodynamik von Systemen, die sich nicht mehr vollständig im Gleichgewicht befinden, ist ein vielversprechendes neues Forschungsgebiet, das aus Sicht der vier Forscher noch weitere Überraschungen bereit hält.
Prof. Herbert Walther
Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching
Ludwig-Maximilian-Universität München
Tel.: 089 – 32905-714 / 704
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